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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
21.10.2010
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
BFH: Zur erfolgswirksamen Abspaltung eines früher veräußerten Milchlieferrechts vom Buchwert des Grund und Bodens

BFH, Urteil vom 10.6.2010 - IV R 32/08

Leitsätze

1. Von dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten Pauschalwert des Grund und Bodens darf nicht nachträglich im Wege der Bilanzberichtigung ein Buchwert für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte erfolgswirksam abgespalten werden .

2. Sind die Milcherzeugungsflächen mit den Anschaffungskosten bilanziert, ist dagegen eine erfolgswirksame Bilanzberichtigung vorzunehmen, soweit dabei nicht berücksichtigt wurde, dass für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte ein anteiliger Buchwert abzuspalten war .

Sachverhalt

I. Der Kläger ist Landwirt. In den Wirtschaftsjahren 1995/96 und 1997/98 hatte er einen Teil seiner Milchlieferrechte (Milchquote bzw. Milchreferenzmenge) veräußert. Den daraus erzielten Gewinn hatte er nicht um den anteiligen Buchwert der veräußerten Milchlieferrechte vermindert, der sich aufgrund der Abspaltung vom Buchwert des Grund und Bodens ergibt.

Zusammen mit der Steuererklärung für das Streitjahr (2001) reichte der Kläger am 19.9.2003 eine berichtigte Bilanz für das Wirtschaftsjahr 2000/01 ein, in der er einen um 48.455,67 DM geminderten Gewinn auswies. Die Bilanzberichtigung erläuterte er mit den Milchquotenverkäufen, für die noch keine Buchwerte gemäß der Abspaltungsberechnung gewinnmindernd berücksichtigt worden seien.

Das FA folgte dem nicht.

Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das FG entschied, es seien lediglich die noch vorhandenen Milchlieferrechte vom Grund und Boden abzuspalten und mit dem verbleibenden Buchwert in der ersten offenen Schlussbilanz anzusetzen, wenn zuvor bereits Milchlieferrechte ohne Berücksichtigung eines entsprechenden Buchwerts veräußert und die entsprechenden Einkommensteuerbescheide bestandskräftig geworden seien. Eine gewinnmindernde Änderung des Bilanzansatzes "Grund und Boden" komme nicht in Betracht. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1689 veröffentlicht.

Mit der dagegen gerichteten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.8.2005 zu ändern, die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft um eine hälftig zu berücksichtigende Bilanzberichtigung in Höhe von 24.228 DM zu mindern und die Einkommensteuer 2001 entsprechend niedriger festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Aus den Gründen

            Teilweise Begründetheit der Klage

8          II. Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger von dem pauschal nach § 55 Abs. 1 EStG angesetzten Buchwert des Grund und Bodens einen anteiligen Buchwert für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte nicht mehr abspalten darf. Das gilt jedoch nicht für den nach dem 30.6.1970 erworbenen Grund und Boden.

            Anteilige Buchwertabspaltung

9          1. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Senats von dem zum 1.7.1970 ermittelten pauschalen Buchwert des Grund und Bodens (§ 55 Abs. 1 EStG) nach Verfestigung der Milchlieferrechte zu einem selbstständigen Wirtschaftsgut grundsätzlich ein anteiliger Buchwert abzuspalten (vgl. u.a. Urteil vom 24.8.2000 - IV R 11/00, BFHE 192, 547, BStBl. II 2003, 64 = BB 2000, 2509 Ls, unter 1.b und 4. der Gründe, m. w. N.). Die Finanzverwaltung ist dem nach anfänglichen Bedenken gefolgt (Schreiben des BMF vom 14.1.2003 - IV A 6 -S 2134- 52/02, BStBl. I 2003, 78).

            Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung

10        a) Der Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung liegt die Ansicht zu Grunde, dass die Möglichkeit, Milch zu erzeugen und zu vermarkten, als Teil der natürlichen Ertragsbedingungen des Bodens durch die Bezugnahme auf die Ertragsmesszahlen in dem mit dem Zweifachen des Ausgangswerts angesetzten Wirtschaftsgut Grund und Boden (§ 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 EStG) mitbewertet worden sei (Senatsurteile vom 5.3.1998 - IV R 23/96, BFHE 185, 435, BStBl. II 2003, 56 = BB 1998 Beilage 7 zu Heft 24, 1250 Ls, unter 3. der Gründe; vom 24.6.1999 - IV R 33/98, BFHE 189, 132, BStBl. II 2003, 58 = BB 1999, 2666, unter 4.a der Gründe unter Hinweis auf § 2 des Bodenschätzungsgesetzes - BodSchätzG - vom 16.10.1934, RGBl I 1934, 1050, § 4 der Durchführungsbestimmungen zum Bodenschätzungsgesetz vom 12.2.1935, RGBl I 1935, 198). Diese Möglichkeit habe sich dann aber durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom 25.5.1984 (BGBl I 1984, 720) als Milchreferenzmenge (Milchlieferrecht) zu einem immateriellen Wirtschaftsgut verselbstständigt (Senatsurteil vom 25.11.1999 - IV R 64/98, BFHE 190, 214, BStBl. II 2003, 61 = BB 2000, 137 Ls, unter 1.b der Gründe).

11        Dadurch habe der Grund und Boden an Wert verloren (Senatsurteile vom 5.3.1998 - IV R 8/95, BFHE 185, 434, BStBl. II 2003, 54 = BB 1998 Beilage 7 zu Heft 24, 1250 Ls, unter 1. der Gründe; in BFHE 192, 547, BStBl. II 2003, 64, unter 1.b der Gründe). Das entnommene oder veräußerte Wirtschaftsgut "Grund und Boden" sei nicht identisch mit dem Wirtschaftsgut, das mit dem Zweifachen des Ausgangswerts (§ 55 Abs. 1 Satz 1 EStG, entsprechend dem Achtfachen der Ertragsmesszahl, vgl. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 EStG) angesetzt worden sei; denn dieser Wert sei nur teilweise auf den "nackten" Grund und Boden entfallen (Senatsurteil in BFHE 190, 214, BStBl. II 2003, 61, unter 2. der Gründe).

            Wertminderungen des Grund und Bodens, die eindeutig auf die rechtliche Verselbstständigung bodengebundener Befugnisse zurückzuführen sind, sind bei Anwendung des § 55 Abs. 6 EStG zu berücksichtigen

12        b) Der Senat ist deshalb zu der Auffassung gelangt, dass nur die Einbeziehung des auf die Milchreferenzmengen entfallenden Teils des Veräußerungspreises in die Ermittlung des nicht abziehbaren Verlusts gemäß § 55 Abs. 6 Satz 1 EStG dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift entspreche. Soweit dies nicht gewährleistet sei, enthalte § 55 Abs. 6 EStG eine verdeckte Regelungslücke (Senatsurteil in BFHE 185, 434, BStBl. II 2003, 54, unter 3. der Gründe). Denn § 55 Abs. 6 EStG sei lediglich eine konsequente Ergänzung zur pauschalen Wertermittlung des Grund und Bodens nach § 55 Abs. 1 EStG und solle verhindern, dass es zur Berücksichtigung von Verlusten komme, die sich allein deshalb ergäben, weil der Teilwert des Grund und Bodens nicht konkret, sondern pauschal ermittelt und deshalb zu hoch angesetzt worden sei (Senatsurteil in BFHE 190, 214, BStBl. II 2003, 61, unter 1.c der Gründe).

13            Wertminderungen des Grund und Bodens, die eindeutig auf die rechtliche Verselbstständigung bodengebundener Befugnisse wie der Milchreferenzmengen zurückzuführen seien, seien daher bei Anwendung des § 55 Abs. 6 EStG zu berücksichtigen (Senatsurteil in BFHE 192, 547, BStBl. II 2003, 64, unter 2.b der Gründe). Dazu sei der zum 1.7.1970 festgestellte Wert des Grund und Bodens im selben Verhältnis aufzuteilen, in dem sich die Marktpreise für die Milchreferenzmengen einerseits und den "nackten" Grund und Boden andererseits nach Entstehung des Wirtschaftsguts Milchreferenzmenge gegenüberstünden (Senatsurteil in BFHE 192, 547, BStBl. II 2003, 64, unter 4. der Gründe; BMF-Schreiben in BStBl. I 2003, 78, Rz 8).

            Keine Änderung der Rechtsprechung

14        2. Diese Rechtsprechung ist auf erhebliche Kritik gestoßen (vgl. u.a. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A Rz 1477 ff.).

15            Gleichwohl sieht der Senat von einer Änderung der Rechtsprechung ab.

16        a) Ausschlaggebend dafür ist, dass diese Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum bestanden hat und sich die beteiligten Kreise - einschließlich der Finanzverwaltung (vgl. das BMF-Schreiben in BStBl. I 2003, 78) - darauf eingestellt haben. Sie bezieht sich auf Grundstücksflächen, die am 1. April 1984 der Milcherzeugung dienten. Die Bindung an den Betrieb und damit die Flächenbindung besteht bereits seit dem 30.9.1993 nicht mehr (29. Verordnung zur Änderung der Milch-Garantiemengen-Verordnung vom 24.9.1993, BGBl I 1993, 1659). Die Rechtsprechung betrifft daher - von Folgefragen abgesehen - weit zurückliegende, in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte. Zwischenzeitlich hat die Finanzverwaltung mit den Milcherzeugern in einer aufwändigen Verwaltungsaktion die Buchwertabspaltung durchgeführt (Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 10. Aufl., Rz 88b). Hinzu kommt, dass die MGV nach derzeitigem Stand zum 31.3.2015 auslaufen wird (vgl. Verordnung [EG] Nr. 1788/2003 des Rates vom 29.9.2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor, Amtsblatt der Europäischen Union 2003, Nr. L 270, 123, 125).

            Für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte im Wege der Bilanzberichtigung darf nicht nachträglich ein Buchwert von dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten Pauschalwert des Grund und Bodens abgespalten werden

17        b) Allerdings hält es der Senat nicht für vertretbar, nachträglich für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte im Wege der Bilanzberichtigung einen Buchwert von dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten Pauschalwert des Grund und Bodens abzuspalten und damit den Anwendungsbereich der Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung über die bisher entschiedenen Fallgruppen hinaus weiter auszudehnen. Denn in diesen Fällen bietet das Verlustabzugsverbot des § 55 Abs. 6 EStG keinen Anlass, wegen der in der Vergangenheit realisierten Gewinne aus der Veräußerung von Milchlieferrechten nachträglich einen abgespaltenen Buchwert auszubuchen. Insoweit fehlt es an dem für die Begründung der Rechtsprechung maßgeblichen Zusammenhang der Veräußerung der Milchlieferrechte mit der Anwendung des Verlustabzugsverbots des § 55 Abs. 6 EStG auf den Pauschalwert des Grund und Bodens. Hinzu kommt, dass, wenn --wie zu erwarten-- die Kontingentierung der Milchlieferrechte aus rechtlichen oder aus tatsächlichen Gründen (durch weitere Erhöhung der Milchquoten) endet, der ursprüngliche Zustand wieder eintritt. Zu einer Benachteiligung der Grundstückseigentümer bei der Anwendung des § 55 Abs. 6 EStG infolge der Verfestigung der Milchlieferrechte zu selbstständigen Wirtschaftsgütern kann es dann nicht mehr kommen. Damit entfällt zugleich die Rechtfertigung für die der Buchwertabspaltung zu Grunde liegenden Auslegung des § 55 Abs. 6 EStG durch die Senatsrechtsprechung.

            Dies gilt nicht für nach dem 30.6.1970 angeschaffte und mit den Anschaffungskosten bilanzierte Grundstücke

18        3. Die Gesichtspunkte, die der nachträglichen Buchwertabspaltung von dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten Pauschalwert des Grund und Bodens entgegenstehen, gelten nicht für Grundstücke, die nach dem 30.6.1970 angeschafft und mit den Anschaffungskosten bilanziert wurden. In diesen Fällen ist daher im Wege der Bilanzberichtigung ein anteiliger Buchwert für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte abzuspalten und auszubuchen.

19        a) Es bestehen - anders als bei den auf § 2 BodSchätzG beruhenden Pauschalwerten nach § 55 Abs. 1 EStG - keine Bedenken, dass sich die wirtschaftlichen Ertragsbedingungen - einschließlich der Möglichkeit, Milch zu erzeugen und zu vermarkten - auf die Anschaffungskosten und damit auf den Bilanzansatz für nach dem 30.6.1970 angeschaffte Milcherzeugungsflächen ausgewirkt haben können. Hinzu kommt, dass das Verlustabzugsverbot nach § 55 Abs. 6 EStG in diesen Fällen nicht anwendbar ist. Diese Vorschrift steht daher einer Buchwertabspaltung für die zu selbstständigen Wirtschaftsgütern verfestigten Milchlieferrechte von dem nicht mit dem Pauschalwert angesetzten Grund und Boden nicht entgegen.

20        b) Ausgehend von der weiterhin zu beachtenden Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung für Milchlieferrechte (s. oben unter II. 2. a) war danach der Bilanzansatz der mit den Anschaffungskosten bilanzierten Milcherzeugungsflächen objektiv unzutreffend, soweit dabei nicht berücksichtigt wurde, dass für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte ein anteiliger Buchwert abzuspalten war. Nach Bekanntwerden dieser Rechtsprechung konnte der Kläger die Bilanz für das Wirtschaftsjahr 2000/01 daher nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG berichtigen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13.2.2008 - I R 44/07, BFHE 220, 429, BStBl. II 2008, 673 = BB 2008, 1388 mit Komm. Lieb, unter II.1.d aa der Gründe; Senatsurteil vom 12.11.1992 - IV R 59/91, BFHE 170, 217, BStBl. II 1993, 392 = BB 1993, 830, unter 3.a der Gründe).

21        c) Die Bilanzberichtigung war erfolgswirksam vorzunehmen. Denn maßgeblich für die Entscheidung dieser Frage ist stets die Fehlerursache (Senatsurteil vom 6.8.1998 - IV R 67/97, BFHE 186, 402, BStBl. II 1999, 14 = BB 1998, 2354 Ls, unter 3. der Gründe). Die Fehlerursache bestand vorliegend darin, dass der Kläger zwar unstreitig den Verkauf der Milchlieferrechte erfolgswirksam erfasst, das bilanzierte Betriebsvermögen jedoch nicht um den anteiligen Buchwert vermindert und dementsprechend einen zu hohen Gewinn ermittelt hatte. Soweit der Senat in dem Urteil vom 16.12.2009 - IV R 18/07 (BFH/NV 2010, 1419) eine andere Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht fest.

            Vornahme einer erfolgswirksamen Bilanzberichtigung

22        4. Das FG ist von einer anderen zeitlichen Beurteilung ausgegangen. Es hat zwar im Ergebnis zu Recht eine gewinnwirksame Bilanzberichtigung versagt, soweit der Kläger eine Buchwertabspaltung für die veräußerten Milchlieferrechte von den mit dem Pauschalwert nach § 55 Abs. 1 EStG angesetzten Grundstücken vorgenommen hatte. Die Revision hat jedoch Erfolg, soweit das FG eine erfolgswirksame Bilanzberichtigung auch hinsichtlich der nach dem 30.6.1970 angeschafften, mit den Anschaffungskosten bilanzierten Grundstücke abgelehnt hat. Der erkennende Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden, weil das FG - von seinem Standpunkt aus zu Recht - die dafür maßgeblichen Werte nicht festgestellt hat. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen

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