FG Düsseldorf: Zur Frage der Bilanzierung einer 1%-Anpassung für Altzusagen
FG Düsseldorf, Urteil vom 15.1.2024 – 6 K 2351/19 K, g
ECLI:DE:FGD:2024:0115.6K2351.19K.00
Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2024-1520-1
Tenor:
Der Bescheid für 2016 zur Körperschaftsteuer vom 12.10.2017 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 31.07.2019, zuletzt geändert durch Bescheid vom 10.05.2021, wird in der Weise geändert, dass das zu versteuernde Einkommen um EUR ... gemindert und die Körperschaftsteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen. (*: Tenorberichtigung, s. Ende des Entscheidungstextes)
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Erhöhung einer Pensionsrückstellung wegen einer Dynamisierung der Altersrenten innerhalb des Konzerns durch eine Betriebsvereinbarung, die durch die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte nachträglich als unwirksam eingestuft wurde.
Die Klägerin ist die Management-Holding eines Konzerns. Im Dezember 2006 wurden mittels abändernder Betriebsvereinbarung (-BV 2006-) die in den für die Klägerin geltenden Ruhegeldrichtlinien enthaltenen Anpassungsregelungen für Ruhegeld- und Hinterbliebenenzahlungen durch eine Neuregelung ersetzt. Parallel hierzu erfolgte im gesamten Konzern eine Vereinheitlichung der Anpassungsregelungen durch entsprechende Betriebsvereinbarungen, denen die jeweiligen Betriebsräte zustimmten. Die unterschiedlich ausgestalteten Regelungen zur Anpassungsprüfungspflicht nach Maßgabe von § 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz –BetrAVG-) wurden durch eine Anpassungsgarantie ersetzt. Nach der auf der Betriebsvereinbarung beruhenden Neuregelung sollte entsprechend § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG eine jährlich garantierte Rentensteigerung von 1 % erfolgen. Die 1 %-ige-Dynamisierung der laufenden Versorgungsleistungen sollte danach jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres vorgenommen werden. Die Pflicht zur jährlichen Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG entfällt, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen. Gründe für die pauschale Anpassung waren erklärtermaßen mehr Sicherheit für den Konzern bei der Kalkulation der Pensionsverpflichtungen sowie größere Planungssicherheit für dessen Arbeitnehmer. Für den Fall einer Erhöhung der Verbraucherpreise in einem Jahr um mindestens 4,75 % oder in drei aufeinanderfolgenden Jahren um mindestens 11,5 % sollte eine Verpflichtung der Betriebsparteien zur Verhandlung über eine Anpassung der Renten bestehen. Die Neuregelung aufgrund der BV 2006 sollte auch für Altfälle gelten, d.h. für Zusagen, die bis zum 31.12.1998 erteilt worden sind. Eine solche Einbeziehung auch der Altfälle hielt ein für die Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte im Konzern erstelltes Rechtsgutachten des ehemaligen Vorsitzenden Richters am Bundesarbeitsgericht (-BAG-) K. vom 15.11.2006 trotz der Übergangsvorschrift des § 30c Abs. 1 BetrAVG für zulässig. Nach § 30c Abs. 1 BetrAVG gilt § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG nur für laufende Leistungen, die auf Zusagen beruhen, die nach dem 31. Dezember 1998 erteilt werden. Als Rechtsargument für die Zulässigkeit wurde angenommen, dass nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Versorgungszusage, sondern auf die Vereinbarung der 1 %-Dynamisierung nach dem 31.12.1998 abzustellen sei. Desweiteren spricht sich der Gutachter für eine Regelungskompetenz der Betriebsparteien auch gegenüber bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Versorgungsempfängern aus.
Die Klägerin ging — wie die zuständigen Betriebsräte — auf dieser Grundlage davon aus, dass die BV 2006 rechtlich zulässig war und eine rechtlich bindende Verpflichtung bestand, die jährlich garantierte Rentensteigerung zu gewähren. Die BV 2006 trat zum 01.07.2007 in Kraft. Die 1 %-Dynamisierung aufgrund der Neuregelung wurde erstmals in die Bewertung der Pensionsrückstellungen nach § 6a des Einkommensteuergesetzes (-EStG-) zum 31.12.2006 bei Aufstellung des Jahresabschlusses im Frühjahr 2007 eingerechnet. Dies führte zu entsprechend höheren Rückstellungen, weil aufgrund der vereinbarten Dynamisierung keine Ungewissheit der zukünftigen Erhöhung i.S. des § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG mehr bestand. Der Jahresabschluss der Klägerin wurde von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft und auch hinsichtlich der streitigen Rückstellungsbewertung nicht beanstandet.
Gegen die Neuregelung aufgrund der BV 2006 klagten mehrere Pensionäre nach dem Bilanzstichtag und der Bilanzaufstellung im Frühjahr 2007. Der im 00.05.2008 eingegangenen Klage eines Pensionärs hat das Arbeitsgericht (-ArbG-) V. mit Urteil vom 00.00.2008 (N01) stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht (-LAG-) Q. mit Urteil vom 00.00.2009 (N02, juris) zurückgewiesen. Das LAG hat aber in diesem Rechtsstreit sowie in fünf anhängigen Parallelsachen die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes (-ArbGG-) wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage zugelassen, weil eine Vielzahl von Ruhegeldempfängern von der im Streitfall entscheidenden Fragestellung einer möglichen Ablösung der bisherigen Anpassungsregelung durch die BV 2006 betroffen sei (Rz. 122 des zitierten Urteils). Das BAG hat die Ersetzung der für die Arbeitnehmer günstigeren Regelungen der früheren Pensionsrichtlinie durch die 1 %-ige Dynamisierung mit mehreren Urteilen vom 00.00.2011 (BAG, ..., Sammlung der Entscheidungen des BAG [-BAGE-] ... sowie Parallelentscheidungen ... und ..., Der Betrieb [-DB-] ...) als Verstoß der von den Betriebsparteien in der BV 2006 getroffenen Regelung gegen § 30c Abs. 1 BetrAVG angesehen. In (eingehender) Auslegung dieser Vorschrift (...) begründet das BAG, dass § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG nur für laufende Leistungen gelte, die auf Zusagen beruhen, die nach dem 31.12.1998 erteilt wurden. Maßgebend sei dabei das Datum der Versorgungszusage und es komme – entgegen der Rechtsposition des Konzerns – nicht darauf an, ob die Anpassung um 1 % nach dem 31. Dezember 1998 vereinbart wurde oder der Versorgungsberechtigte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 30c Abs. 1 BetrAVG am 01.01.1999 bereits laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bezog. Daran hat das BAG in späteren Entscheidungen festgehalten (BAG, ..., Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht-Rechtsprechungs-Report [-NZA-RR-] ...). Die Entscheidungsgründe der Urteile des BAG vom 00.00.2011 wurden der Klägerin am 00.00.2011 zugestellt. Aufgrund der letztinstanzlichen Entscheidung in den arbeitsgerichtlichen Verfahren fasste der Konzern-Vorstand im Herbst 2011 den Beschluss, eine Rückabwicklung der 1 %-Regelung und Anwendung der alten Ruhegeldanpassungsrichtlinien vorzunehmen. Die Pensionsrückstellungen wurden in der Steuerbilanz zum 31.12.2011 entsprechend vermindert.
...
Der Beklagte veranlagte die Körperschaftsteuer für 2006 zunächst erklärungsgemäß unter Berücksichtigung der auf Grundlage der BV 2006 gebildeten Rückstellungen. Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt für Groß- und Konzernprüfung W. die Auffassung, die Pensionsrückstellungen zum 31.12.2006 seien um den auf die 1 %-Dynamisierung entfallenden Betrag zu verringern. Durch die Entscheidungen des BAG sei inzwischen rechtskräftig entschieden, dass wegen der nichtigen Betriebsvereinbarung auf die 1 %-ige Dynamisierung nicht der nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG erforderliche Rechtsanspruch bestehe. Darum sei insoweit eine Rückstellungsbildung ausgeschlossen und die Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen seien in der Steuerbilanz zum 31.12.2006 um ... € zu mindern. Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und erließ am 23.12.2014 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2006, gegen den die Klägerin am 23.01.2015 Einspruch einlegte. Am 12.10.2017 erging ein geänderter Körperschaftsteuerbescheid für 2006, der nach § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (-AO-) Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde. Da wegen anderer Streitfragen noch nicht vollumfänglich über den Einspruch entschieden werden sollte, erließ der Beklagte am 31.07.2019 eine Teil-Einspruchsentscheidung, mit der der Einspruch hinsichtlich der Versagung der Bildung von Pensionsrückstellungen aufgrund der BV 2006 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen richtet sich die am 23.08.2019 erhobene Klage. Unter dem 10.05.2021 erging ein weiterer Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer für 2006, der nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (-FGO-) Gegenstand des Verfahrens wurde.
Diese begründet die Klägerin damit, dass aus Sicht am Bilanzstichtag die BV 2006 bei der Bewertung der Pensionsrückstellungen zum 31.12.2006 zu Recht berücksichtigt worden sei. Eine Betriebsvereinbarung führe grundsätzlich zu einer rechtsverbindlichen Pensionsverpflichtung i.S. des § 6a EStG. Die Klägerin hätte am Bilanzstichtag nicht davon ausgehen dürfen, dass die ausgehandelte Betriebsvereinbarung zur Dynamisierung der Pensionen unwirksam sein würde. Es könne von ihr nicht erwartet werden, dass sie in arbeitsrechtlichen Vorfragen klüger sei als ein ehemaliger Vorsitzender Richter am BAG in seinem für die Betriebsräte erstatteten Rechtsgutachten. Dadurch, dass § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG „einen Rechtsanspruch" des Pensionsberechtigten voraussetze, folge nicht, dass Rückstellungen für Pensionszusagen, die ein Arbeitsgericht in späteren Jahren als unwirksam beurteilt, „objektiv“ unrichtig würden und in der Steuerbilanz rückwirkend aufzulösen seien. Auch nach der Aufgabe des normativ-subjektiven Fehlerbegriffs für bilanzielle Rechtsfragen durch den Großen Senat (Beschluss des Großen Senats des BFH v. 31.01.2013 – GrS 1/10, Sammlung der Entscheidungen des BFH [-BFHE-] 240, 162, BStBl. II 2013, 317) komme es für nicht-bilanzielle Rechtsfragen, die für die SteuerbiIanz im Tatbestand der jeweiligen Bilanzierungsvorschrift vorgreiflich sind, weiterhin auf die Erkenntnismöglichkeiten eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns an. Die Passivierung von Rückstellungen verlange vom Bilanzierenden verschiedene Einschätzungen und Wahrscheinlichkeitsprognosen, für die das handelsrechtliche Stichtags- und Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 3, 4 HGB) gelte, woran auch § 6a EStG nichts ändere.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid für 2006 über Körperschaftsteuer vom 12.10.2017 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 31.07.2019, zuletzt geändert durch Bescheid vom 10.5.2021, dergestalt zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um ... € gemindert wird und die Körperschaftsteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird sowie hilfsweise, die Revision an den BFH zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Durch die Anwendung der pauschalen 1%-Regelung auf die vor dem 01.01.1999 erteilten Pensionszusagen habe die Klägerin gegen die eindeutige Regelung des § 30c Abs. 1 BetrAVG verstoßen. Die auf diesen Verstoß gestützte Bildung der Pensionsrückstellung hält die Beklagte für grob abwegig und zwangsläufig auch aus der Sicht eines vorsichtigen, ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns für subjektiv falsch. Er hält es für unerheblich, ob subjektiv vom Bestehen eines Rechtsanspruchs ausgegangen wurde oder ausgegangen werden konnte. Da § 6a EStG als lex specialis für die Passivierung eine objektiv bestehende Pensionsverpflichtung voraussetze, komme es auf die subjektive Überzeugung der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung nicht an. Die handelsrechtlichen Regelungen zur Rückstellungsbildung würden – ohne dass es auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 31.01.2013 entscheidungserheblich ankomme – hinsichtlich des objektiv bestehenden Rechtsanspruchs auf Pensionsleistungen durch die steuerrechtliche Vorschrift des § 6a EStG eingeschränkt. Im Übrigen entfielen von der Rückstellung im Streitjahr 2006 nur 17,4 % auf aktive Beschäftigte, der überwiegende Teil aber auf ausgeschiedene Anwärter (21,4 %) und auf Rentner und Hinterbliebene (61,2 %). Nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung (vgl. BAG, Urteil v. 13.05.1997 – 1 AZR 75/97, Betriebs-Berater [-BB-] 1997, 2328, Rz. 22) dürfe der Betriebsrat nur für die erste Gruppe der aktiven Beschäftigten Anpassungen in Betriebsvereinbarungen beschließen. Für die Personenkreise der ausgeschiedenen Anwärter und Rentner/Hinterbliebenen habe der Betriebsrat keine Regelungskompetenz. Darum liege unabhängig von der Frage der Auslegung des § 30c BetrAVG mangels Vertretungsbefugnis keine wirksame Vereinbarung für diese Personenkreise vor, weshalb die Bildung der Pensionsrückstellung durch die Klägerin auch aus diesem Grunde unzulässig sei.
Auf die Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist begründet.
I. Der angefochtene Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2006 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 31.07.2019 und des Änderungsbescheids vom 10.05.2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er ist aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) und die Körperschaftsteuer 2006 ist antragsgemäß niedriger festzusetzen. Die Klägerin hatte in ihrer Bilanz zum 31.12.2006 die streitige Pensionsrückstellung aufgrund der später streitigen Betriebsvereinbarung (BV 2006) aus dem Dezember 2006 zu bilden und erst nach Ablauf des Streitjahres aufzulösen.
1. Nach § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetztes -KStG- i. V. mit § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (-GoB-) auszuweisen ist. Das handelsrechtliche Passivierungsgebot von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 des Handelsgesetzbuches -HGB-) gehört zu den GoB, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für die Steuerbilanz gelten (BFH, Urteil v. 16.12.2014 – VIII R 45/12, BFHE 249, 83 = BStBl. II 2015, 759 – Rz. 21 m.w.N.). Das Maßgeblichkeitsprinzip gilt auch für Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 42. Aufl. 2023, § 249 Rz. 14), die nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB zwingend zu bilden. Auch steuerrechtlich besteht für Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten eine Passivierungspflicht (Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 5 Rz. 352, § 6a Rz. 2). Nach § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB dürfen Rückstellungen nur aufgelöst werden, soweit der Grund hierfür entfallen ist. Für die Bildung und Auflösung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gilt nach § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB das Stichtagsprinzip, wonach die Vermögensgegenstände und Schulden zum Abschlussstichtag (einzeln) zu bewerten sind. Dieser handelsrechtliche GoB ist auch steuerrechtlich maßgeblich (BFH, Urteil v. 20.11.2019 – XI R 52/17, BFHE 267, 49, BStBl. II 2020, 264 – Rz. 27 f.; Schiffers/Strahl/Fuhrmann/Veit in Korn, EStG, § 5 Rz. 138 [Okt. 2022] m.w.N.).
a) Handelsrechtlich wie steuerrechtlich sind Rückstellungen geboten, wenn und soweit der ordentliche Kaufmann nach den am Bilanzstichtag objektiv gegebenen und bis zur Bilanzaufstellung subjektiv erkennbaren Verhältnisse ernsthaft damit rechnen muss, dass eine Verbindlichkeit besteht (Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 5 Rz. 376). Dabei steht es nicht im Ermessen des Kaufmanns, ob er eine Belastung annimmt und dafür eine Rückstellung bildet. Denn der Bilanzierende kann nicht eigenmächtig und letztlich willkürlich über die Voraussetzungen der Bildung einer Rückstellung entscheiden und damit ergebnisgetragen das handels- und steuerrechtliche Ergebnis interessengeleitet mindern. Eine bloß subjektive Einschätzung liefe dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zuwider, weshalb das Vorhandensein der Belastung nach objektiven Gesichtspunkten beurteilt werden muss (BFH, Urteil v. 16.12.2014 – VIII R 45/12, BStBl. II 2015, 759 – Rz. 23 m.w.N.). Auch wenn dem Bilanzierenden ein Einschätzungsspielraum auf der Basis nachvollziehbarer Einschätzungsgrundlagen zusteht, bedarf es auch handelsrechtlich objektiver Merkmale, die für das Bestehen der Verbindlichkeit sprechen. Das Bestehen der Verbindlichkeit muss am Bilanzstichtag wahrscheinlich sein. Als Grad der Ungewissheit einer Verbindlichkeit verlangt die Rechtsprechung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Bilanzierenden. Die für eine Rückstellungsbildung danach erforderliche Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Kaufmanns ist gegeben, wenn dafür mehr Gründe als dagegen sprechen (BFH, Urteil v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 – Rz. 10 m.w.N.).
Die Klägerin hatte vor dem Bilanzstichtag mit den zuständigen Betriebsräten der Konzerngesellschaften Betriebsvereinbarungen über die Anpassung der Pensionszusagen nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG abgeschlossen. Die Anpassungsverpflichtung ist als Teil der einheitlichen Pensionszusage anzusehen (BFH, Urteil v. 06.12.1995 – I R 14/95, BFHE 180, 258, BStBl. II 1996, 406 – Rz. 37) und bei der Bewertung der Pensionsrückstellung nach den handelsrechtlichen GoB zu berücksichtigen. Die Betriebsvereinbarung ist erst nach dem Bilanzstichtag und nach der Bilanzaufstellung im Laufe des Jahres 2008 vor den Arbeitsgerichten von Pensionären beklagt worden. Die weit nach dem Bilanzstichtag ergangene Rechtsprechung über die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung wirkt bilanzrechtlich nicht auf den Stichtag selbst zurück.
b) Ob das Bestehen der Verbindlichkeit wahrscheinlich und die Inanspruchnahme hieraus zu erwarten ist, richtet sich nach den objektiven Verhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags unter Berücksichtigung der bis zur Bilanzaufstellung – oder spätestens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang (§§ 243 Abs. 3, 264 Abs. 1 HGB) aufzustellen gewesen wäre – bekannt werdenden wertaufhellenden Umstände (BFH, Urteil v. 16.12.2014 – VIII R 45/12, BStBl. II 2015, 759 – Rz. 24 m.w.N.). Dieser Zeitraum ist aus Sicht des BFH zwölf Monate nach dem Bilanzstichtag begrenzt (BFH, Urteil v. 06.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227; BFH, Urteil v. 14.03.1985 – IV R 20/83, Sammlung der Entscheidungen des BFH [-BFH/NV] 1985, 51 – Rz. 18; ebenso Drüen in Koller/Kindler/Drüen, HGB, 10. Aufl. 2023, § 243 HGB Rz. 5; Noodt in Bertram/Kessler/Müller, Haufe-HGB Bilanz Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 243 HGB Rz. 34, 36). Damit ist der Umstand, dass der Rechtsgrund der erhöhten Rückstellungsbildung erst nach Jahresfrist angegriffen und noch später gerichtlich zu Fall gebracht wurde, handelsrechtlich unbeachtlich. Allerdings werden für das Steuerrecht andere Maßstäbe bei der Beurteilung der objektiven Verhältnisse am Bilanzstichtag vertreten. Danach sollen – ganz im Sinne des Beklagten – alle bis zur Veranlagung bzw. bis zum Ende des Einspruchs- oder Klageverfahrens bekanntgewordenen Tatsachen oder Erkenntnisse zu berücksichtigen sein (Weber-Grellet, Die Unterschiede handels- und steuerrechtlicher Wertaufhellung – Ein Beitrag zur weiteren Objektivierung des Steuerrechts, in Festschrift Reiß, 2008, 483, 492 f.; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 5 Rz. 81). Selbst bei dieser Verlängerung des Beurteilungszeitraumes sind indes nur (wert-)aufhellende Umstände zu berücksichtigen (Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 5 Rz. 81, der explizit rechtskräftige Urteile als rechtsgestaltende und „wertbegründende“ Tatsachen ausgegrenzt). Wertbegründende Umstände sind dagegen im Rahmen der Rückstellungsbildung nicht zu berücksichtigen (Schrimpf-Dörges in Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl. 2019, § 249 HGB Rz. 9).
Die Abgrenzung wertaufhellender und wertändernder Umstände ist eine bilanzielle Wertungsfrage. Die Grenzen sind zum Teil fließend (Kreipl/Müller in Bertram/Kessler/Müller, Haufe-HGB Bilanz Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 252 Rz. 59). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind als „wertaufhellend“ nur die Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung lediglich bekannt oder erkennbar wurden (BFH, Urteil v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 – Rz. 18). Nicht wertaufhellend, sondern wertbegründend und damit nicht zu berücksichtigen, sind solche Umstände, die am Bilanzstichtag objektiv noch nicht vorlagen (BFH, Urteil v. 16.12.2014 – VIII R 45/12, BStBl. II 2015, 759 – Rz. 24 f.). In der Literatur wird zum Teil angenommen, dass in Gerichtsverfahren lediglich festgestellt wird, was bereits am Abschlussstichtag rechtens sei (Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 15. Aufl. 2023, § 252 HGB Rz. 89; zustimmend und differenzierend Armbruster/Müller, Haufe-HGB Bilanz Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz. 76). Demgegenüber stuft der BFH prozessbeendende Maßnahmen, die erst nach dem Bilanzstichtag erfolgen (BFH, Urteil v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 – Rz. 17 f.), wie etwa ein nach dem Bilanzstichtag ergangenes, das Verfahren beendendes Urteil, eine Klagerücknahme, einen Rechtsmittelverzicht oder den Abschluss eines Prozessvergleiches als wertbegründend und nicht zu berücksichtigen ein (BFH, Urteil v. 16.12.2014 – VIII R 45/12, BStBl. II 2015, 759 – Rz. 25). Dies begründet er damit, dass regelmäßig für den Ausgang des anhängigen Gerichtsverfahrens mehrere nicht zuverlässig zu prognostizierende Prozessereignisse entscheidend sind, wie etwa das Ergebnis einer Beweisaufnahme, das Verhalten des Prozessgegners (z.B. durch die Abgabe von überraschenden Prozesserklärungen) oder wie das Gericht über komplexe oder umstrittene Rechtsfragen entscheiden wird (BFH, Urteil v. 16.12.2014 – VIII R 45/12, BStBl. II 2015, 759 – Rz. 29). Dahinter steht die sprichwörtliche Einsicht „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“. Der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens kann selten vorausgesagt werden (so Rätke, Die doppelte Wahrscheinlichkeit bei der Rückstellungsbildung, StuB 2015, 658, 659). Auch die überwiegende Ansicht in der Literatur geht davon aus, dass Urteile und Beschlüsse, die in Gerichtsverfahren nach dem Abschlussstichtag gesprochen werden, wertbegründende Ereignisse darstellen (Osterloh-Konrad, Rückstellungen für Prozessrisiken in Handels- und Steuerbilanz – Kriterien der Risikokonkretisierung und ihre Anwendung auf die Prozesssituation (Teil II), DStR 2003, 1675, 1679 f.; Hüttemann, Stichtagsprinzip und Wertaufhellung, in Festschrift Priester, 2007, 301, 321 f.; Meyering/Gröne in Anzinger/Oser/Schlotter, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 7. Aufl. 2023, § 252 HGB Rz. 155; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 5 Rz. 81). Tragend hierfür ist, dass nicht allein der Feststellung einer bestimmten Rechtslage die maßgebliche Bedeutung der Rechtskraft der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung zukommt (Meyering/Gröne in Anzinger/Oser/Schlotter, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 7. Aufl. 2023, § 252 HGB Rz. 155). Erst ein rechtskräftiges Urteil beseitigt die Unsicherheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs (Hüttemann in Festschrift Priester, 2007, 301, 322). Durch die rechtskräftige Entscheidung endet erst die für die Rückstellungsbildung erforderliche Ungewissheit. Der Senat folgt wegen der Unvorhersehbarkeit von Richtersprüchen der herrschenden Ansicht, dass der nach dem Abschlussstichtag ergehenden gerichtlichen Entscheidung keine nur aufhellende, sondern eine ansatz- oder wertbegründende Wirkung zukommt.
c) Speziell für Rückstellungen wird diese Auslegung durch § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB und die dazu ergangene Rechtsprechung bestätigt. Die Norm, wonach Rückstellungen nur aufgelöst werden dürfen, soweit der Grund hierfür entfallen ist, statuiert nach dem BFH eine Pflicht zur Beibehaltung einer Rückstellung, wenn die Voraussetzungen zur Auflösung einer gebildeten Rückstellung nicht vorliegen (BFH, Urteil v. 30.1.2002 – I R 68/00, BStBl. II 2002, 688 – Rz. 12). Dabei versteht die Rechtsprechung im Falle erst nach dem Bilanzstichtag gerichtlich geschaffener Rechtsklarheit erst die letztinstanzliche Entscheidung als Auflösungsgrund für eine Rückstellung. Bei einem im Klagewege geltend gemachten Schadensersatzanspruch droht danach eine Inanspruchnahme wegen Schadensersatz solange, bis der Anspruch nicht rechtskräftig abgewiesen worden ist. Denn solange das Verfahren nicht abschließend entschieden ist, ist für den Steuerpflichtigen nicht einzuschätzen, ob er endgültig in Anspruch genommen werden wird. Eine Rückstellung wegen eines gerichtlich verfolgten Schadensersatzanspruches ist deshalb in der Regel solange nicht aufzulösen, solange über diesen Anspruch nicht endgültig (rechtskräftig) entschieden ist (BFH, Urteil v. 27.11.1997 – IV R 95/96, BStBl. II 1998, 375 – Rz. 13 f.; darauf verweisend H 5.7 [13] Einkommensteuerhinweise). Der Grund für die Beibehaltung der Rückstellung ist nicht die Inanspruchnahme an sich, sondern das Risiko der Inanspruchnahme, das zum Bilanzstichtag bestanden hat (Schubert in Beck´scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 249 HGB Rz. 38). Durch ein nach dem Bilanzstichtag ergangenes, das Verfahren beendendes Urteil werden aus Sicht des BFH keine rückwirkenden besseren Erkenntnisse über das Risiko zum Bilanzstichtag vermittelt. Auch eine nach dem Bilanzstichtag ergehende klageabweisende endgültige Entscheidung vermag nicht rückwirkend oder „wertaufhellend“ das tatsächlich zum Bilanzstichtag fortbestehende Risiko der Inanspruchnahme zu beseitigen (BFH, Urteil v. 27.11.1997 – IV R 95/96, BStBl. II 1998, 375 – Rz. 15). Für die bei der Rückstellungsbildung erforderliche doppelte Risikoprognose (BFH, Urteil v. 16.12.2014 – VIII R 45/12, BStBl. II 2015, 759 – Rz. 26 ff.; Rätke, StuB 2015, 658), vermittelt die Verwirklichung oder das endgültige Ausbleiben des Risikos zu einem späteren Zeitpunkt nicht rückwirkend neue Erkenntnisse (Osterloh-Konrad, DStR 2003, 1675, 1679).
d) Nach diesen Maßstäben traf die Klägerin am Bilanzstichtag die Pflicht zur Rückstellungsbildung in der vorgenommenen Höhe. Die Klägerin hat die streitige Pensionsrückstellung nicht bereits im Streitjahr in ihrer Bilanz zum 31.12.2006 unter Berücksichtigung der später gerichtlich festgestellten Nichtigkeit der geschlossenen Betriebsvereinbarung zu mindern. Das letztinstanzliche Urteil des BAG beendet erst den Streit um das Bestehen der Verbindlichkeit. Erst durch die höchstrichterliche Entscheidung des BAG im Laufe des Jahres 2011 steht für die Klägerin fest, dass die geschlossene Betriebsvereinbarung über die pauschale Anpassung der Pensionsansprüche der Arbeitnehmer des Konzerns unwirksam ist. Darum war die Pensionsrückstellung nach handelsrechtlichen GoB erst nach dem rechtskräftigen Richterspruch in der Bilanz anzupassen.
2. § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG, der für die steuerrechtliche Bildung einer Pensionsrückstellung bestimmt, dass für eine Pensionsverpflichtung eine Rückstellung nur gebildet werden darf, wenn und soweit der Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf einmalige oder laufende Pensionsleistungen hat, ändert nichts an der Passivierungspflicht zum 31.12.2006.
a) Die BV 2006 ist zwar erst zum 01.07.2007 in Kraft getreten, war aber bereits in der Bilanz der Klägerin zum 31.12.2006 zu berücksichtigen. Allgemein stellt § 6a Abs. 2 Nr. 1 EStG für die erstmalige Rückstellungsmöglichkeit auf die „Erteilung“ der Pensionszusage und nicht auf ihr In-Kraft-Treten ab. Ein späteres In-Kraft-Treten der Pensionszusage schließt die Rückstellungsbildung ab dem Zustandekommen der Zusage nicht aus (Stöckler in Stöckler/Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Teil Pensionsverpflichtung, Rz. 443 [Okt. 2022]). Beruht die Zusage auf einer Betriebsvereinbarung, ist sie mit deren Abschluss erteilt (Stuhrmann in Bordewin/Brandt, EStG, § 6a Rz. 154 [Aug. 2014]). Speziell ordnet § 6a Abs. 3 S. 4 EStG an, dass Erhöhungen oder Verminderungen der Pensionsleistungen nach dem Schluss des Wirtschaftsjahres, die hinsichtlich des Zeitpunktes ihres Wirksamwerdens oder ihres Umfangs ungewiss sind, bei der Berechnung des Barwerts der künftigen Pensionsleistungen und der Jahresbeträge erst zu berücksichtigen sind, wenn sie eingetreten sind. Die in der BV 2006 vereinbarte Dynamisierung ist zwar am Stichtag noch nicht eingetreten, sondern noch zukünftig, aber der Höhe nach ist sie gewiss, was für die Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage der Rückstellung ausreicht. Nach der Rechtsprechung des BFH sind fest zugesagte prozentuale Rentenerhöhungen keine ungewissen Erhöhungen i.S. des § 6a Abs. 3 Satz 4 EStG und darum in die Teilwertberechnung einzubeziehen (BFH, Urteil v. 17.5.1995 – I R 105/94, BFHE 178, 313, BStBl. II 1996, 423 – Rz. 47 f., 52 f.; ebenso Dommermuth in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6a EStG Anm. 114 [Juni 2022]). Im Umkehrschluss folgt aus § 6a Abs. 3 S. 4 EStG, dass künftige Veränderungen, die am Bilanzstichtag nicht ungewiss sind, sondern bereits feststehen, zu diesem Zeitpunkt in die Teilwertberechnung einzubeziehen sind (Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl. 2023, § 6a Rz. 18). Verpflichtet sich der Arbeitgeber zu einer jährlichen Anpassung laufender Renten um mindestens 1 % nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG, so ist diese künftige Erhöhung am Bilanzstichtag einzubeziehen (Dommermuth in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6a EStG Anm. 114 [Juni 2022]). Darum sind „von vornherein fest vereinbarte prozentuale Erhöhungen“ im Gegensatz zu (voraussichtlichen) Anpassungen nach § 16 Abs. 1 und 2 BetrAVG bei der Berechnung zu berücksichtigen (Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl. 2023, § 6a Rz. 15). Zwar findet sich vereinzelt die Aussage, dass künftige Erhöhungen des Pensionsanspruchs erst berücksichtigt werden, sobald sie wirksam geworden sind bzw. entstanden sind (BFH, Urteil v. 16.12.1992 – I R 105/91, BFHE 170, 169, BStBl. II 1993, 792 – Rz. 27; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 6a Rz. 57). Das spätere und speziellere Urteil des BFH vom 17.5.1995 (I R 105/94, BFHE 178, 313, BStBl. II 1996, 423 – Rz. 47 f., 52 f.) legt aber ungeachtet früherer Formulierungsunschärfen das zutreffende Verständnis der Rechtsprechung dar (auch Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 6a Rz. 57 verweist ohne Dissens zustimmend auf Dommermuth in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6a EStG Anm. 114 [Juni 2022]). Die zugesagten Erhöhungen sind darum grundsätzlich – wovon auch die Beteiligten ausgehen – in die Bemessungsgrundlage der Rückstellung bereits zum 31.12.2006 einzubeziehen, auch wenn sie erst ab 01.07.2007 wirksam geworden sind.
b) Auch § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG steht der Passivierungspflicht zum 31.12.2006 nicht entgegen. Der Beklagte verweist im Ausgangspunkt zutreffend darauf, dass § 6a EStG eine besondere Regelung für Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz vorsieht, die spezieller ist als die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die nach §§ 5, 6 EStG unter Einbeziehung der GoB für Rückstellungen allgemein gelten (BFH, Urteil v. 05.04.2006 – I R 46/04, BFHE 213, 326, BStBl. II 2006, 688 – Rz. 14; Dernberger in Frotscher/Geurts, EStG, § 6a Rz. 32 [Aug. 2020]). In der Steuerbilanz ist eine Pensionsrückstellung nur unter den einschränkenden „Sondervoraussetzungen“ des § 6a Abs. 1 Nr. 1-3 EStG zu bilden (Höfer in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 6a EStG Rz. 65 [Juni 2020]; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl. 2023, § 6a Rz. 6). § 6a EStG durchbricht partiell das Maßgeblichkeitsprinzip (§ 5 Abs. 1 EStG) und stellt nicht nur eine bloße Bewertungsvorschrift (BFH, Urteil v. 19.08.1998 – I R 92/95, BFHE 187, 12, BStBl. II 1999, 387 – Rz. 29), vielmehr teilweise auch eine eigenständige bilanzielle Ansatzvorschrift dar (BFH, Urteil v. 05.04.2006 – I R 46/04, BFHE 213, 326, BStBl. II 2006, 688 – Rz. 14; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl. 2023, § 6a Rz. 2).
Anders als der Beklagte annimmt, werden die nach § 5 Abs. 1 EStG maßgeblichen handelsrechtlichen Rückstellungsvoraussetzungen nur partiell durch „genuin steuerrechtliches Rückstellungsrecht“ durchbrochen (Kleindiek in Staub, Großkommentar zum HGB, 6. Aufl. 2021, § 249 Rz. 20). Pensionsrückstellungen sind eine besondere Form von Rückstellungen, für die das steuerrechtliche Sonderrecht des § 6a EStG als lex specialis gilt, soweit die Norm tatsächlich speziellere Tatbestandsvoraussetzungen oder Rechtsfolgen anordnet. Die spezialgesetzlichen Voraussetzungen für die Passivierung von Pensionsrückstellungen im Steuerrecht verdrängen die handelsrechtlichen GoB nur insoweit als § 6a EStG abweichende Sondervoraussetzungen normiert. Die allgemeinen Vorschriften für eine Rückstellungsbildung gelten indes auch für Pensionsrückstellungen, soweit in § 6a EStG nichts Abweichendes geregelt ist (Dernberger in Frotscher/Geurts, EStG, § 6a Rz. 32 [Aug. 2020]). Auch der BFH geht von der beschränkten Spezialität des § 6a EStG gegenüber den allgemeinen Regeln zur Rückstellungsbildung aus (BFH, Urteil v. 05.04.2006 – I R 46/04, BFHE 213, 326, BStBl. II 2006, 688 – Rz. 14). Soweit die partiell verdrängende Spezialität von § 6a EStG nicht greift, richtet sich die Passivierung einer Pensionsverpflichtung auch im Steuerrecht entsprechend § 5 Abs. 1 EStG und § 249 Abs. 1 HGB nach den allgemeinen Grundsätzen zur Bildung von Rückstellungen (BFH, Urteil v. 19.08.1998 – I R 92/95, BFHE 187, 12, BStBl. II 1999, 387 – Rz. 28; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl. 2023, § 6a Rz. 2).
Als besondere Voraussetzung der Rückstellungsbildung verlangt § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG, dass ein Rechtsanspruch besteht. Pensionsrückstellungen dürfen danach nur gebildet werden, wenn und soweit der Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf Pensionsleistungen hat. Indem § 6a EStG „einen Rechtsanspruch" des Pensionsberechtigten (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG) sowie eine „schriftliche" und „eindeutige" Pensionszusage (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG) voraussetzt, gehen die steuerrechtlichen Passivierungsanforderungen über die allgemeinen Voraussetzungen der Rückstellungsbildung hinaus (Dernberger in Frotscher/Geurts, EStG, § 6a Rz. 39 [Aug. 2020]). Die Sondervoraussetzungen sollen sicherstellen, dass nur rechtlich verfestigte und zugleich leicht nachweisbare Versorgungsverpflichtungen steuerrechtlich rückstellbar sind (Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl. 2023, § 6a Rz. 6). § 6a EStG soll der missbräuchlichen Bildung und Bewertung von Pensionsrückstellungen entgegenwirken (Weber-Grellet, § 6a EStG in der Kritik, DB 2023, 19, 23). Für die Passivierung in der Steuerbilanz muss der Pensionsberechtigte einen (von Rechts wegen mittels Klage und Zwangsvollstreckung durchsetzbaren) Rechtsanspruch auf Pensionsleistung haben (Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilband 6, 6. Aufl. 1998, § 249 HGB Rz. 100; Meyering/Gröne in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022, § 249 HGB Rz. 159 m.w.N.). Es muss verbindlich festgelegt sein, wie sich die Bezüge berechnen lassen (Teschke in Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner/Geserich, EStG, 7. Aufl. 2022, § 6a Rn. 19).
Nach allgemeiner Ansicht ist nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen, ob ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht (Dernberger in Frotscher/Geurts, EStG, § 6a Rz. 41 [Aug. 2020]; Höfer in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 6a EStG Rz. 71 [Juni 2020]; Seidler in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, 2020, § 6a Rz. 101; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, EStG, § 6a Rz. 86 [Febr. 2014]; Meyering/Gröne in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022, § 249 HGB Rz. 159). Dem folgt auch die Finanzverwaltung (R 6a Abs. 2 Satz 3 Einkommensteuerrichtlinien [-EStR-]). Der nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG erforderliche Rechtsanspruch kann sich auch aus einer Betriebsvereinbarung als Rechtsbegründungsakt ergeben (R 6a Abs. 2 EStR; Höfer in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 6a EStG Rz. 75 [Juni 2020]; ebenso Dernberger in Frotscher/Geurts, EStG, § 6a Rz. 41 [Aug. 2020]; Stöckler/Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Teil Pensionsverpflichtung Rz. 297 [Okt. 2015]; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 6a Rz. 7).
Zum Teil wird – ganz im Sinne des Beklagten – gestützt auf § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG gefordert, dass ein wirksam begründender Rechtsanspruch bestehen muss. Es soll nicht schon das formale Vorliegen eines Rechtsbegründungsaktes ausreichen, vielmehr müsse die Pensionszusage am Bilanzstichtag auch wirksam bestehen, woran es fehle, wenn die Zusage nicht oder schwebend unwirksam war (so Höfer in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 6a EStG Rz. 76 [Juni 2020]). Nach Auffassung des Senats ist die Sondervoraussetzung des § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG ist nicht so zu verstehen, dass die Rechtsbeständigkeit des Rechtsanspruches am Bilanzstichtag zweifelsfrei feststehen muss. Dagegen spricht bereits allgemein, dass es für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG nicht auf die Wirksamkeit der einzelnen Rechtsgeschäfte ankommt. Die Bilanz bleibt auch richtig, wenn sich nach ihrer Aufstellung herausstellt, dass ein bisher als wirksam angesehenes Rechtsgeschäft unwirksam ist (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 41 AO Rz. 10 [Juli 2022]). Auch die spezialgesetzliche Vorschrift des § 6a EStG regelt nicht, welche steuerrechtlichen Konsequenzen eintreten, wenn die Wirksamkeit der Pensionszusage erst nach dem Bilanzstichtag in Frage gestellt wird und ihre Unwirksamkeit erst nach Jahren gerichtlich festgestellt wird. Dazu schweigt § 6a EStG. Eine spezialgesetzliche Anordnung der Aufrollung der Bilanzierungsentscheidung über die Rückstellungsbildung und –bewertung im Falle einer vorgreiflichen zivilgerichtlichen Entscheidung ist § 6a EStG nicht zu entnehmen. Mangels einer abweichenden Regelung greift die partiell verdrängende Spezialität von § 6a EStG gegenüber den allgemeinen handelsrechtlichen Rückstellungsvoraussetzungen nicht ein. Insbesondere derogiert § 6a EStG nicht das handelsrechtliche Stichtagsprinzip. Die steuerrechtliche Bildung von Pensionsrückstellungen und ihre Bewertung orientiert sich vielmehr in § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 2, 4 und 5 EStG am „strikten Stichtagsprinzip“, wonach die Verhältnisse am jeweiligen Bilanzstichtag maßgebend sind (Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl. 2023, § 6a Rz. 18; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 6a Rz. 60). Auch der Zweck des § 6a EStG, dass rein freiwillige Zusagen zur Altersversorgung steuerrechtlich nicht rückstellungsfähig sind und die Versorgungsverpflichtung bereits rechtlich verfestigt sein muss, spricht nicht für die vom Beklagten vertretene Auslegung des Gesetzes. Denn wenn der Arbeitgeber durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung konsensual das Recht der Beschäftigten auf dynamische Pensionsanpassung begründet hat, kann er sich nicht einseitig von der Zusage lösen. Er ist die betriebsvertragliche Bindung eingegangen und kann darüber nicht mehr – wie im Falle von Vorbehalten – allein disponieren. Der sich erst weit nach dem Bilanzstichtag gerichtlich erkannte Umstand, dass die Dynamisierung für Altzusagen vor 1999 nicht betriebsvereinbarungsoffen war, ändert nichts daran, dass am 31.12.2006 von einem Rechtsanspruch im Sinne des § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG auszugehen war.
Da für die Rückstellungsbildung auch im Steuerrecht die arbeitsrechtliche Beurteilung zum Bilanzstichtag maßgebend ist, führt der – aus der Rückschau getroffene – Einwand des Beklagten, die Rechtslage sei klar und die später streitige Betriebsvereinbarung sei nichtig, nicht zum Passivierungsausschluss in der Bilanz zum 31.12.2006. Denn ob im Einzelfall eine rechtsverbindliche Pensionsverpflichtung besteht, ist nicht aus steuerrechtlicher Sicht, sondern aus Sicht der Arbeitsgerichtsbarkeit zu beurteilen. Es soll im Zweifelsfall darauf ankommen, „ob nach der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung damit zu rechnen ist, dass im Fall einer Klage dem Pensionsberechtigten Pensionsleistungen zugesprochen werden“. Dabei sei „zu berücksichtigen, dass die arbeitsrechtliche Rechtsprechung einen Pensionsanspruch im Zweifel eher bejaht als verneint hat“ (Stöckler/Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Teil Pensionsverpflichtung Rz. 306 [Okt. 2015]). Zudem ist zu beachten, dass auch im Arbeitsrecht der allgemeine Grundsatz „pacta sunt servanda“ gilt, weshalb grundsätzlich von einer Bindung des Arbeitgebers auszugehen sei (Stöckler/Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Teil Pensionsverpflichtung Rz. 331 [Okt. 2015] zum Widerrufsvorbehalt). Solange nicht die Unwirksamkeit gerichtlich festgestellt ist, konnte der Arbeitgeber nicht davon ausgehen, dass eine geschlossene Betriebsvereinbarung als „Gesetz des Betriebs“ unwirksam ist. Eine zivilrechtliche Streitentscheidung über die Rechtswirksamkeit der Versorgungszusage wirkt ohne explizite Anordnung in § 6a EStG auch steuerrechtlich nicht auf den Bilanzstichtag der Rückstellungsbildung zurück.
Die vom Beklagten beschriebene eindeutige Rechtslage beschreibt zutreffend die heutige Sicht im Betriebsrentenrecht. Die allgemeine Ansicht ist der Auslegung des BAG gefolgt (z.B. Karst in Stöckler/Karst, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 1. Teil Arbeitsrechtliche Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung Rz. 841 [Sept. 2021]; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz: BetrAVG, 8. Aufl. 2022, § 16 Rz. 287, 289, 291; Vogt in Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2023, § 16 BetrAVG Rz. 58, § 30c BetrAVG Rz. 2; Wortmann in Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, § 16 BetrAVG Rz. 563 [Stand 4/2023]; Huber in Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber/Betz-Rehm/Borgers, BetrAVG, 10. Aufl. 2023, § 16 Rz. 111; Schipp in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Aufl. 2022, § 16 BetrAVG Rz. 20; Vogelsang in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 20. Aufl. 2023, § 276 Rz. 40; Cisch/Bleeck/Karst, BB-Rechtsprechungsreport zur betrieblichen Altersversorgung 2011/2012, BB 2012, 1153 [1159 f.] mit Kritik am Fiskalargument). Auch ist dem Beklagten zuzugeben, dass es dem Willen des Gesetzgebers, gerade aus fiskalischen Gründen entsprach, dass § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG nach der Anwendungsregelung des § 30c BetrAVG nur für Neuzusagen ab dem 01.01.1999 gilt, wie es das BAG auch unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes bestätigt hat (BAG, Urteile aus dem Jahr 2011 ... und Parallelentscheidungen).
Gleichwohl darf das Rechtswissen zur zutreffenden Auslegung des Arbeitsrechts, das erst nach den höchstrichterlichen Entscheidungen des BAG besteht, nicht auf den Zeitpunkt der Rückstellungsbewertung am Bilanzstichtag zurückbezogen werden. Denn zuvor war die Rechtslage keineswegs „eindeutig“.Die Feststellung, eine Norm sei „eindeutig“, ist stets das Ergebnis einer Auslegung (Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, 2008, S. 146; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rz. 222 [Sept. 2020] m.w.N.). Dass nach den arbeitsrechtlichen Maßstäben am Bilanzstichtag (und nicht nach der Rückschau der Betriebsprüfung auf diese) die entscheidende Rechtsfrage nicht eindeutig geklärt war, belegt die spätere sechsfache Zulassung der Revision durch das LAG Q. an das BAG. Die Revisionszulassung setzt – auch im Arbeitsgerichtsprozess – voraus, dass die aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 10. Aufl. 2022, § 72 Rz. 14; Ulrich in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 72 Rz. 26). Dazu muss ihre Beantwortung zweifelhaft sein oder zu ihr müssen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden (Benecke in Grunsky/Waas/Benecke/Greiner, ArbGG, 8. Aufl. 2014, § 72 Rz. 19). Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Rechtslage eindeutig ist (Benecke in Grunsky/Waas/Benecke/Greiner, ArbGG, 8. Aufl. 2014, § 72 Rz. 19) bzw. sich die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz (BAG, Beschluss v. 8.12.2020 – 3 AZN 849/20, NZA 2021, 591 m.w.N.) oder dem Tarifvertrag pp. beantworten lässt (Koch in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2023, § 72 ArbGG Rz. 5). Wäre die gesetzliche oder tarifliche Regelung völlig eindeutig, so fehlte ein Revisionszulassungsgrund (Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 10. Aufl. 2022, § 72 Rz. 14). Denn eine offenkundig zu beantwortende Rechtsfrage bedarf der Klärung durch das BAG nicht (Ulrich in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 72 Rz. 26). Dasselbe gilt, wenn die Beantwortung der Rechtsfrage offenkundig ist (Pessinger in Helml/Pessinger, ArbGG, 5. Aufl. 2021, § 72 Rz. 14). Das gilt selbst, wenn– wie der Beklagte einwendet –die Rechtsfrage eine Vielzahl von Fällen betroffen hat. Dass die Wirksamkeit der BV 2006 eine Vielzahl von Fällen betraf, ist zutreffend, trägt aber allein nicht eine Revisionszulassung, weil diese kumulativ zur allgemeinen Bedeutung in einer Vielzahl von Fällen auch die Klärungsbedürftigkeit voraussetzt (Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 10. Aufl. 2022, § 72 Rz. 12; Pessinger in Helml/Pessinger, ArbGG, 5. Aufl. 2021, § 72 Rz. 11; Ulrich in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 72 Rz. 24, 27). Die Klärungsbedürftigkeit, die die zuständigen Arbeitsgerichte angenommen haben, stellt der Beklagte in Abrede. Wenn er aus der Rückschau eine klare Rechtslage annimmt und darauf die Versagung der Erhöhung der Pensionsrückstellung stützt, so steht dies im Widerspruch zur arbeitsgerichtlichen Einschätzung vor Ergehen der Entscheidung des BAG.
Bereits die Länge und die Begründungsintensität der sechs Entscheidungen des BAG zeigen, dass die Rechtsfrage keineswegs simpel oder gar eindeutig auf der Hand lag. Falls der Wortsinn der Regelung zweifelsfrei erschienen wäre, so wäre für eine Interpretation des Gesetzes kein Raum geblieben (so allgemein schon Bundesverfassungsgericht [-BVerfG-], Beschluss v. 24.04.1952 – 1 BvR 36/52, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG [BVerfGE] 1, 263 [264]). Auch wenn die BAG-Entscheidungen zum Teil als klarstellend aufgefasst wurden (Petersen/Bechtoldt/Birkel, Teuerungsanpassung der Betriebsrenten 2012 – Anstieg von Lebenshaltungskosten und Nettoeinkommen im Zeitraum 2009/2012 bzw. ab Rentenbeginn, DB 2012, 230) war die Auslegung vor der arbeitsgerichtlichen Klärung nicht zweifelfrei. So wurde auch vertreten, dass die Änderungen nach dem neu eingeführten § 30c BetrAVG nur für Neuzusagen ab dem 01.01.1999 „bzw. Anpassungsprüfungszeitpunkte nach dem 01.01.1999“ gelten (Langohr-Plato, Die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Anpassungsprüfung laufender Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG, BB 2002, 406, 407). Dies lässt sich durchaus im Sinne der früheren Rechtsansicht der Klägerin deuten (wenngleich der Autor nachschiebt, dass „diese Änderungen […] entfalten damit keine Wirkung für bereits laufende Renten bzw. vergangene Anpassungsprüfungen“). Im Schrifttum wurde früher die „Geltung für Altzusagen?“ hinterfragt und vertreten, dass § 30c Abs. 1 BetrAVG nicht ausschließe, „dass der Arbeitgeber entsprechende Anpassungszusagen auch für bestehende Versorgungszusagen erteilt und dies bei den steuerlichen Rückstellungen auch berücksichtigen darf“ (so Schoden, BetrAVG, 2. Aufl. 2003, § 30c Rz. 2). Es wurde als unklar angesehen, „ob es sich um Zusagen handeln muss, die nach dem 31.12.1998 gänzlich neu erteilt worden sind oder ob auch Änderungen und Ergänzungen bestehender Zusagen die Voraussetzungen“ des § 16 Abs. 3 BetrAVG erfüllen (Schoden, BetrAVG, 2. Aufl. 2003, § 16 Rz. 47, der sich letztlich dafür ausspricht, dass der Gesetzgeber die Befreiung von § 16 Abs. 1 BetrAVG „nur für tatsächlich neue Zusagen geben wollte“). Wie das Rechtsgutachten von K. bejahte auch die Kommentarliteratur zum Teil die Möglichkeit, vor dem 1.1.1999 erteilte Anpassungszusagen durch die Anpassungsgarantie des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG durch Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu ersetzen (Andresen/Förster/Rößler/Rühmann, Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung mit sozialrechtlicher Grundlegung, Teil II B, Rz. 1817 [Dez. 2003]). Auch vom Beklagten zitierte Autoren, nach denen die Neuregelung sich nur auf ab 1999 erteilte Versorgungszusagen erstreckt, zeigen fragwürdige Folgen bei „wörtlicher Auslegung“ von § 30c Abs. 1 BetrAVG auf und sprechen sich mit verschiedenen Auslegungsargumenten letztlich dagegen aus (Höfer in Betriebsrentenrecht, § 16 BetrAVG Rz. 18 {Febr. 2020], Rz. 387 [Aug. 2014]). Zudem wurde die Stichtagsregelung seit ihrer Einführung gleichheitsrechtlich kritisiert (Schipp in Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker, Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 912 [Aug. 2022]). Auch wenn sich das LAG Q. für seine Entscheidung auf die „einhellige Auffassung in der juristischen Literatur“ stützt (LAG Q., ...), war die Rechtsfrage, ob die Betriebsparteien durch 1 %-ige Dynamisierungen in jedem Fall gegen § 30c Abs. 1 BetrAVG verstoßen, vor den Sprüchen des BAG nicht sicher absehbar.
Überdies bedurfte es auf der Rechtsfolgenseite weiterer Präzisierung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG. Die Gesamtnichtigkeit ex tunc einer gesetzeswidrigen Betriebsvereinbarung ist eine mögliche Rechtsfolge, aber nach dem Prinzip der Restgültigkeit kommt auch Teilnichtigkeit in Betracht (Oberthür in Oberthür/Seitz, Betriebsvereinbarungen, 3. Aufl. 2021, A X Rz. 3 f., 10). Auch wenn eine gegen das Gesetz verstoßende Betriebsvereinbarung keine Rechtswirkungen entfaltet (Kania in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2023, § 77 BetrVG Rz. 28; Fitting, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 77 Rz. 31), steht dies und der Umfang der Unwirksamkeit erst mit der letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung fest. Sind Ruhegeldansprüche und erdiente Ruhegeldanwartschaften nur eingeschränkt unter Beachtung Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit regelungsfähig (Kolbe in Dornbusch/Krumbiegel/Löwisch, Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2021, § 77 BetrVG Rz. 10 f. m.w.N.), so bedürfen diese Maßstäbe der arbeitsgerichtlichen Überprüfung im konkreten Einzelfall. In seinen Entscheidungen vom 00.00.2011 hat das BAG nicht klar die Nichtigkeit der BV 2006 ausgesprochen (so noch LAG Q., Urteil ... – N02, juris – ...), sondern vielmehr eine Teilnichtigkeit der Betriebsvereinbarung nach näherer Auslegung dahinstehen lassen (BAG, Urteil ... und Parallelentscheidungen). In einer Folgeentscheidung hat das BAG erst nach vertiefter Auslegung nach den für Betriebsvereinbarungen geltenden Grundsätzen im konkreten Fall beim Verstoß gegen § 30c Abs. 1 BetrAVG eine Gesamtunwirksamkeit angenommen (BAG, Urteil ...). Darum waren auch die Rechtsfolgen einer Derogation der Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG durch die Betriebsparteien vor den Entscheidungen nicht zweifelsfrei absehbar.
Die eindeutige und offenkundige Nichtigkeit der BV 2006 lässt sich auch nicht auf das Argument des Beklagten stützen, dass die Ausgeschiedenen und Ruheständler als betragsmäßig überwiegender Teil der Rückstellungssumme nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung der Regelungsmacht der Betriebsparteien entwachsen seien. Dem Beklagten ist zwar einzuräumen, dass es ursprünglich ständiger Rechtsprechung des BAG entsprach, dass die Betriebspartner nicht durch Betriebsvereinbarung Rechte und Pflichten derjenigen Mitarbeiter begründen oder modifizieren können, die bereits aus dem aktiven Arbeitsverhältnis ausgeschieden und in den Ruhestand eingetreten sind (BAG, Großer Senat, Beschluss v. 16.3.1956 – GS 1/55 – BAGE 3, 1; BAG, Urteil v. 25.10.1988 – 3 AZR 483/86, BAGE 60, 78; BAG, Urteil v. 14.12.2010 – 3 AZR 799/08, juris [Rz. 35]; ebenso aus der aktuellen Literatur Oberthür in Oberthür/Seitz, Betriebsvereinbarungen, 3. Aufl. 2021, A VI Rz. 7; Dahm in Löwisch/Kaiser/Klumpp, BetrVG, 8. Aufl. 2022, § 77 Rz. 25, 27). Diese strikt formalistisch argumentierende Rechtsprechung war aber seit langem wachsender Kritik, auch aus der Richterschaft des BAG ausgesetzt (Dieterich, Betriebsverfassungsrecht und betriebliche Altersversorgung, NZA 1984, 273 [278]). Das BAG hat in seiner weiteren Rechtsprechung noch vor dem Bilanzstichtag am 31.12.2006 ausdrücklich offengelassen, ob eine Regelungskompetenz der Betriebspartner für Betriebsrentner besteht, und doppelgleisig für den Fall ihrer Bejahung und alternativ bei ihrer Verneinung geprüft (BAG, Urteil v. 10.2.2009 – 3 AZR 653/07, DB 2009, 1303). Das belegt, dass im Zeitpunkt der rechtlichen Beurteilung die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung das Argument der fehlenden Regelungskompetenz der Betriebspartner für ausgeschiedene Arbeitnehmer allein nicht mehr als tragfähig ansah. Gerade darum haben im späteren Rechtsstreit das AG V. und das LAG Q. trotz des Vorbringens der Pensionäre diese Frage dahinstehen lassen und die Unwirksamkeit der BV 2006 allein auf § 30c BetrAVG gestützt (LAG Q., Urteil ...). Damit gründet der Beklagte seine Einschätzung, dass die BV 2006 klar und eindeutig nichtig gewesen sei, auch auf ein Rechtsargument, dass innerhalb der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht (mehr) als klar durchschlagend angesehen wurde. Die Rechtsfrage der Regelungskompetenz der Betriebsparteien für Versorgungsansprüche der Betriebsrentner wurde zudem – anders als der Beklagte meint – bereits im Rechtsgutachten von K. vom 15.11.2006 ausdrücklich angesprochen und bejaht. Der Gutachter, der als Mitglied des BAG noch auf dessen Linie die Regelungsmacht des Betriebsrats auf die aktiven Arbeitnehmer beschränkt sah (...), hatte nach seinem Ausscheiden aus dem Gericht die Gegenposition literarisch in einem Festschriftbeitrag aus dem Jahr 2001 vertreten und näher begründet (...). Seine geänderte Rechtsauffassung hat der Gutachter als höchstrichterlich geschulter Arbeitsrechtler mithin nicht anlassbezogen für dieses Rechtsgutachten entwickelt, sondern bereits fünf Jahr zuvor die Regelungskompetenz der Betriebspartner für die Gestaltung der Ansprüche auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis dargelegt, worauf er im Gutachten vom 15.11.2006 ausdrücklich verweist (auf S. 6). Da das Rechtsgutachten seinerzeit zudem nicht von Klägerin, sondern von der Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte im Konzern in Auftrag gegeben wurde, mit der keine notwendige Interessenidentität besteht, kann es nicht als interessengeleitete „eingekaufte“ Rechtsmeinung abgetan werden. Angesichts des damaligen Meinungsstreits über die persönliche Reichweite der Regelungskompetenz der Betriebspartner lässt die BV 2006 auch nicht mit diesem Argument als rechtsirrig sowie klar und eindeutig nichtig ansehen.
Aus diesen Gründen beseitigt der spätere Richterspruch durch das BAG trotz § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht rückwirkend die am Bilanzstichtag bestehende Ungewissheit, die nach den handelsrechtlichen GoB zur Passivierung der Pensionsrückstellung zum 31.12.2006 zwingt.
c) § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG läuft auch nicht, wie der Beklagte vorbringt, durch die vom Senat vorgenommene Auslegung leer. Das Erfordernis eines vereinbarten Rechtsanspruchs auf Pensionsleistungen nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (-RFH-) und des BFH für Zeiträume vor Einführung von § 6a EStG, wonach eine gegenwärtig rückstellungsfähige Last für Pensionsanwartschaften der Arbeitnehmer nicht vorliegt, wenn es ohne klare bürgerlich-rechtliche Grundlage im Belieben des Arbeitgebers steht, ob er seinen Arbeitnehmern später Pensionen zahlt (BFH, Urteil v. 22.1.1958 – I 14/57 S, BFHE 66, 481, BStBl. III 1958, 186 [Rz. 62 f. bei juris] m.w.N.). § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG verliert gegenüber § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht seine Berechtigung, wenn auf den vereinbarten Rechtsanspruch auf Pensionsleistungen ungeachtet einer späteren arbeitsgerichtlichen Unwirksamkeitsfeststellung abgestellt wird. Die passivierungseingrenzenden Anforderungen der rechtsverbindlichen Pensionsverpflichtung nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG und das Schriftform- und Klarheitsgebotes nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG können sich überschneiden, sind aber nicht deckungsgleich und stehen rechtlich nebeneinander. So scheitert die Passivierung einer auf betrieblicher Übung oder dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot beruhende Versorgungsverpflichtung im Steuerrecht an § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG (Briese in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6a Rz. B 8 [Febr. 2022]; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, EStG, § 6a Rz. 86 [Febr. 2014]), obwohl insoweit eine rechtsverbindliche Pensionsverpflichtung im Sinne von § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegt. Diese Norm schließt aber partiell die Rückstellungsbildung aus, soweit z.B. nur eine Mindestleistung der Versorgung rechtlich zugesagt wird (Stuhrmann in Bordewin/Brandt, EStG, § 6a Rz. 86 [Febr. 2014] m.w.N.). Diese und weitere denkbare Anwendungsfälle von § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. Briese in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6a Rz. B 8, B 44 [Febr. 2022] zu verbindlichen Übertragungsvorbehalten auf externe Versorgungsträger) zeigen, dass die Passivierungsvoraussetzung des Rechtsgrundes nicht mit der nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG „gleichgeschaltet“ wird und einen eigenständigen Anwendungsbereich behält.
Auch das vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argument, § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG diene auch einem „Fiskalschutz“ und der Verstetigung haushaltswirksamer Steueransprüche, weil die Steuerbemessungsgrundlage nicht durch die Bildung und Auflösung von Pensionsrückstellungen in beträchtlicher Höhe beeinträchtigt werden dürfe, vermag keine abweichende Auslegung zu rechtfertigen. Historisch gibt die Gesetzesbegründung für eine über die Vereinbarung der Pensionszusage hinausgehende Forderung keine Anhaltspunkte. Regelungsanlass und zentrales Regelungsmotiv war seinerzeit die steuerliche Gleichbehandlung der „Altersvorsorge durch Pensionsrückstellungen“ gegenüber der „Altersvorsorge durch Pensionskassen“ (BT-Drucksache 481 v. 29.04.1954, S. 78). Dem Einsatz von Pensionsrückstellungen als Instrument, Steuern zu sparen oder ihre Zahlung auf künftige Jahre zu verschieben, ist der BFH bereits für Zeiträume vor Einführung von § 6a EStG deutlich entgegengetreten (BFH, Urteil v. 22.1.1958 – I 14/57 S, BFHE 66, 481, BStBl. III 1958, 186 [Rz. 61 bei juris]). § 6a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG sehen im Einklang damit eingrenzende Voraussetzungen der Rückstellungsbildung vor. Durch Einführung von § 6a EStG sollte die gleichmäßige Zuführung von Pensionsrückstellungen regeln und dabei auch verhindern, dass Steuerpflichtige in Jahren hoher Gewinne veranlasst werden, „Pensionszusagen zu machen, um auf diese Weise den steuerlichen Gewinn herabzudrücken“ (BT-Drucksache 481 v. 29.04.1954, S. 79). Für das Ziel der „Gleichmäßigkeit der Bildung der Pensionsrückstellungen“ stellt die Gesetzesbegründung“ ausdrücklich auf das „Jahr der Pensionszusage“ ab (BT-Drucksache 481 v. 29.04.1954, S. 79), ohne ihre Wirksamkeit anzusprechen. Darum steht das Abstellen des Senats auf den zugesagten Rechtsanspruch weder im Widerspruch zur Rechtsprechungslinie des BFH noch zur Gesetzesbegründung. Die vom Beklagten angeführte hypothetische Fallgestaltung einer gerade zur Steuerbeeinflussung kurz vor dem Bilanzstichtag gebildeten und sodann wieder aufgelösten Betriebsvereinbarung über eine Rentendynamisierung erscheint im Streitfall einer börsennotierten Aktiengesellschaft mit einem die Interessen der Belegschaft wahrenden Gesamtbetriebsrat fernliegend. Der Fall der nachträglichen arbeitsgerichtlichen Unwirksamkeitserklärung der geschlossenen Betriebsvereinbarung unterscheidet sich grundlegend von dem angeführten (fiktiven) Manipulationsfall. Zudem wäre bei manipulativ vorgeschobenen Abreden auch bereits handelsrechtlich zu hinterfragen, ob der erforderliche Rechtsanspruch rechtsverbindlich vereinbart ist (zu diesem Erfordernis bei der Handelsbilanz Grottel/Johannleweling in Beck´scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 249 HGB Rz. 174, 205 ff. m.w.N.). Insoweit misst der Beklagte § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG ohne Rückhalt in der Gesetzesgeschichte einen spezifischen steuerlichen Bedeutungsgehalt zu, obwohl hinsichtlich des Rechtsanspruchs auf Pensionsleistungen insoweit ein Gleichklang von Handels- und Steuerbilanz besteht. Ein rechtsfolgentragender Unterschied liegt allein bei der Passivierung von Pensionsleistungen aus faktischem Leistungszwang, die handelsbilanziell zu berücksichtigen sind (Grottel/Johannleweling in Beck´scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 249 HGB Rz. 174 m.w.N.), steuerbilanziell aber sowohl an § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG als auch § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG scheitern.
3. Schließlich ändert auch die Rechtsprechung des Großen Senates des BFH zur Bilanzberichtigung und zur sog. objektiv richtigen Bilanz (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 31.01.2013 – GrS 1/10, BFHE 240, 162, BStBl. II 2013, 317), über deren Relevanz sich die Beteiligten schriftsätzlich auseinandergesetzt haben, nichts an der Pflicht, die Pensionsrückstellung ebenfalls steuerrechtlich ohne Rücksicht auf die spätere Nichtigkeitsentscheidung durch das BAG zum 31.12.2006 zu bilden.
Nach übereinstimmender (und zutreffender) Ansicht der Beteiligten ist die Frage der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Pensionsdynamisierung durch Betriebsvereinbarung eine der im Verfahren streitigen Bilanzierungsfrage vorangehende, arbeitsrechtliche Vorfrage. Ob der objektive Fehlerbegriff nur für Steuerrechtsfragen oder auch für andere Rechtsfragen, wie nach dem Bestehen einer ungewissen Verpflichtung nach Zivil- oder Verwaltungsrecht gilt, ist in der Rechtsprechung bislang noch nicht entschieden (Krumm, Nichtsteuerrechtliche Rechtsfragen und Rückstellungsbildung, in Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht [-JbFStR-], 2021, 844, 845 f.). Während die Klägerin dies (im Anschluss an Schulze-Osterloh, Das Ende des subjektiven Fehlerbegriffs bei der Anwendung von Bilanzrecht, BB 2013, 1131, 1133; Schlotter, Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs und Pflichten nach § 153 AO, Ubg 2014, 22, unter 3.2.2.) verneint, wird zum Teil vertreten, dass von der Finanzverwaltung sämtliche Tatsachen und Erkenntnisse bei der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen sind, soweit sie zur Beurteilung der am Bilanzstichtag gegebenen tatsächlichen objektiven Verhältnisse geeignet sind (Weber-Grellet in Festschrift Reiß, 2008, 483, 490 ff.; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 5 Rz. 81).
Aus Sicht des Senats ist beim objektiven Fehlerbegriff nach der Eigenart der einzelnen Bilanzpositionen zu differenzieren (ebenso Krumm in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 5 EStG Rz. 219, 219a, 797 [März 2020]). Die Anforderungen an die objektive Richtigkeit sind bilanzpostenspezifisch. Der Charakter des Bilanzpostens darf nicht im Wege der Auslegung aufgegeben werden. Rückstellungen sind nach der gesetzlichen Wertung des § 249 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 HGB „stark zukunftsbezogene Bilanzposten“ (Kessler in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band. Ia, 4. Aufl. 1995, § 249 Rz. 284), die strukturell mit Unsicherheit behaftet sind (Bertram in Bertram/Kessler/Müller, Haufe-HGB Bilanz Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 249 Rz. 17). § 249 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 HGB ordnet eine Prognose spezialgesetzlich an (eingehend BFH, Urteil v. 16.12.2014 – VIII R 45/12, BStBl. II 2015, 759 – Rz. 26 ff.) und nimmt diese auch In Kauf (Krumm, JbFStR, 2021, 844, 847). Sind im Rahmen der Gewinnermittlung Schätzungen und Prognosen nach kaufmännischem Ermessen erforderlich, so dürfen sich wegen der strukturellen Gefahr der Verfehlung bei Zukunftsprojektionen, trotz der Rechtsprechung des Großen Senates des BFH, nicht Verwaltung und Gerichte durch eine ex post-Betrachtung aufgrund des zwischenzeitlich gewonnenen Erfahrungswissen als „schlauer” erweisen als der Unternehmer bei seiner Bilanzierungsentscheidung (Drüen, Der Große Senat des BFH und die objektiv richtige Bilanz, GmbHR 2013, 505, 512). Darum darf die Forderung nach der objektiv richtigen Bilanz nicht ohne Vorbehalt auf die Bilanzposition der Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten übertragen werden (Krumm in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 5 EStG Rz. 219 [März 2020]). Erst nach dem Bilanzstichtag rechtskräftig gewordene Gerichtsurteile erlauben keine Rückschlüsse auf eine „objektive“ Rechtslage am Stichtag (vgl. Hüttemann in Festschrift Priester, 2007, 301, 322). Wenn ein Fachgericht „erkennt“, dass eine (zivil- oder öffentlich-rechtliche) Verpflichtung von Anfang an nicht bestanden hat, dann realisiert sich das von § 249 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 HGB vorausgesetzte und hingenommene Prognoserisiko, ohne dass der bisherige Rückstellungsansatz hierdurch gesetzeswidrig wird (Krumm, JbFStR, 2021, 844, 848; zustimmend Prinz, Aktuelle Fälle zum Bilanzsteuerrecht, in Steuerberater-Jahrbuch [-StbJb.-] 2021/2022, 403, 426 ff., 431; Prinz, Umgang mit „fehlerhafter Steuerbilanzierung“ in der Praxis, FR 2022, 101 [103]; ebenso Bertram in Bertram/Kessler/Müller, Haufe-HGB Bilanz Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 249 Rz. 17). Ansprüche der Beschäftigten aus betrieblicher Altersversorgung sind ungewisse Verbindlichkeiten des Unternehmens (BFH, Urteil v. 05.04.2006 – I R 46/04, BFHE 213, 326, BStBl. II 2006, 688 – Rz. 13; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 42. Aufl. 2023, § 249 Rz. 14; Grottel/Johannleweling in Beck´scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 249 HGB Rz. 165). Auf dieser bilanziellen Qualifikation baut auch § 6a EStG auf, ohne den Rechtscharakter von Pensionsrückstellung im Steuerrecht abzuändern. § 6a EStG setzt vielmehr die allgemeinen Grundsätze für die Bildung von Rückstellungen (§ 249 Abs. 1 HGB) voraus (Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl. 2023, § 6a Rz. 2; ebenso Dernberger in Frotscher/Geurts, EStG, § 6a Rz. 32 [Aug. 2020]). Auch aus Sicht des BFH löst die Vorschrift die Bilanzierung nicht von den allgemeinen Regeln zur Rückstellungsbildung ab (BFH, Urteil v. 05.04.2006 – I R 46/04, BFHE 213, 326, BStBl. II 2006, 688 – Rz. 14).
Die Ungewissheit ist das prägende und zur Abgrenzung von Verbindlichkeiten konstitutive Tatbestandsmal der Bilanzposition der Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten. Ist die Verbindlichkeit gewiss, ist keine Rückstellung, sondern eine Verbindlichkeit zu passivieren. Ist die Ungewissheit am Bilanzstichtag aber tatbestandliche Voraussetzung und Wesensmerkmal der Rückstellungsart und des bilanziellen Passivpostens, so hebt die später gerichtlich geschaffene Rechtsklarheit auch unter Beachtung der Forderung nach einer objektiv richtigen Bilanz nicht die am Bilanzstichtag bestehende Ungewissheit rückwirkend auf. Bei einem anderen Verständnis würde der Bilanzposten der Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten um- und entwertet und hätte nur noch eine Überbrückungsfunktion bis zum Eintritt der Gewissheit, die nach Maßgabe des Verfahrensrechts (§§ 164, 165 AO) auch Jahre später noch umgesetzt werden könnte. Dadurch würde die Rückstellung in der Steuerbilanz substanziell eingeschränkt bis aufgegeben, obwohl das Gesetz in § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG allein die Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften im Steuerrecht ausschließt. Darum müssen für den Ansatz und die Bewertung von Rückstellungen auch steuerrechtlich die Verhältnisse am Bilanzstichtag und nicht die Sicht im späteren Veranlagungs-, Betriebsprüfungs- oder Rechtsbehelfsverfahren entscheidend sein. Bessere Einsicht auf die Verhältnisse am Bilanzstichtag ist nur in den rechtlichen Grenzen der Aufhellung der Bilanz durch (wert-)aufhellenden Umstände zulässig. Diese ist im Streitfall aus Sicht des Senates nicht eröffnet (s. I. 1. b]). Darum ist auch nach der steuerrechtlichen Zielvorstellung einer objektiv richtigen Bilanz prozessabschließenden Entscheidungen von Fachgerichten bilanziell keine „Vergangenheitswirkung“ beizumessen.
§ 6a EStG ist – auch im Lichte der Entscheidung des Großen Senates des BFH zur objektiv richtigen Bilanz – nicht so zu verstehen, dass der Rechtsgrund einer Pensionsleistung aus der Rückschau der nachfolgenden finanzbehördlichen Prüfung der Bilanzansätze zu beurteilen ist. Da weder das bilanzielle Stichtagsprinzip noch die ansatz- und wertbegründende Wirkung später ergehender fachgerichtlicher Urteile als GoB verdrängt werden, bleibt die – verobjektivierte – Einschätzung des Bilanzierenden zum Bilanzstichtag auch für die Bildung und Bewertung einer Pensionsrückstellung nach § 6a EStG maßgeblich. Danach hatte die Klägerin – wie dargelegt – in ihrer Bilanz zum 31.12.2006 die streitige Pensionsrückstellung unter Berücksichtigung der später streitigen BV 2006 zu bilden.
II. Die Berechnung der Steuer wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
IV. Die Revision durch den BFH wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der im Streiffall aufgeworfenen und höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Bilanzierungsfragen nach § 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
(*): Am 19.03.2024 erging ein Berichtigungsbeschluss folgenden Inhalts:
Der Tenor des Urteils vom 15.01.2024 wird wie folgt berichtigt:
Der Bescheid für 2006 zur Körperschaftsteuer vom 12.10.2017 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 31.07.2019, zuletzt geändert durch Bescheid vom 10.05.2021, wird in der Weise geändert, dass das zu versteuernde Einkommen um EUR ... gemindert und die Körperschaftsteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
Die Entscheidung beruht auf § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach dieser Vorschrift sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen.
Der Tenor des Urteils vom 15.01.2024 leidet an einer solchen Unrichtigkeit. Dort heißt es: Der Bescheid für 2016 […]. Richtig muss es heißen: Der Bescheid für 2006 […].
Diese Unrichtigkeit ist auch offenbar.
Im Wegen-Vermerk des Urteils ist die Körperschaftsteuer 2006 zutreffend als einziger Streitgegenstand angegeben. Die im Tenor angegebenen Daten beziehen sich auf die Bescheide, die für das Jahr 2006 ergangen sind. Ferner wurde der Urteilstenor auch mit der zutreffenden Jahresangabe am 25.01.2024 auf der Geschäftsstelle des Senats hinterlegt. Schließlich hat auch der Beklagte die offenbare Unrichtigkeit erkannt. Dieser hat dem Gericht am 15.03.2024 telefonisch mitgeteilt, dass der Urteilstenor hinsichtlich der Jahresangabe des streitgegenständlichen Bescheides einen Tippfehler beinhaltet.