FG Berlin-Brandenburg: Ernstlich zweifelhaft ist, ob der nach § 16 Abs. 3 S. 2 EStG angeordneten Übertragung zu Buchwerten die Regelung des § 16 Abs. 3 S. 4 EStG entgegensteht
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5.11.2024 – 8 V 8118/24, rkr.
ECLI:DE:FGBEBB:2024:1105.8V8118.24.00
Volltext der Entscheidung: BB-ONLINE BBL2025-112-1
Amtlicher Leitsatz
Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG teleologisch dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine Körperschaft zu Buchwerten nur dann ausgeschlossen ist, wenn es zu einem Wechsel des Besteuerungsregimes kommt (vgl. Hessisches FG v. 31.3.2022, 8 K 589-590/20, BB 2022, 2350 m. BB-Komm. von Glasenapp]; Rev. BFH IV R 15/22 und IV R 16/22).
EStG § 16 Abs. 3 S. 4, § 6 Abs. 5 S. 6; § 69 FGO
Sachverhalt
Die Antragstellerin war mit einer Hafteinlage von 500 € Kommanditistin der zwischenzeitlich vollbeendeten B… GmbH & Co. KG beteiligt. Abweichend von der Höhe ihrer Hafteinlage war die Antragstellerin zu 1,72% am Gewinn und Verlust, dem Vermögen und den stillen Reserven beteiligt. Gegenstand der B… GmbH & Co. KG war der Erwerb, die Entwicklung, die Erarbeitung von Konzeptionen für den Verkauf und die Verwaltung von Immobilien im ehemaligen Franzosenviertel. Neben der Antragstellerin waren wie die Antragstellerin selbst seit der Gründung der B… GmbH & Co. KG weitere Kommanditisten mit einer Hafteinlage von jeweils 500 € beteiligt. Im Einzelnen handelte es sich um
1. die C… GmbH mit einer von der Höhe der Kommanditeinlage abweichenden Beteiligung am Gewinn und Verlust, dem Vermögen und stillen Reserven in Höhe von xxx %,
2. die D… GmbH mit einer von der Höhe der Kommanditeinlage abweichenden Beteiligung am Gewinn und Verlust, dem Vermögen und stillen Reserven in Höhe von xxx %,
3. die E… GmbH mit einer von der Höhe der Kommanditeinlage abweichenden Beteiligung am Gewinn und Verlust, dem Vermögen und stillen Reserven in Höhe von xxx % und
4. die F… UG (haftungsbeschränkt) mit einer von der Höhe der Kommanditeinlage abweichenden Beteiligung am Gewinn und Verlust, dem Vermögen und stillen Reserven in Höhe von xxx %.
Komplementärin ohne Kapitalbeteiligung der KG war die G… GmbH.
Die B… GmbH & Co. KG erwarb mit Kaufvertrag vom … von der … ein Grundstücksareal, zu dem eine Vielzahl von Grundstücken gehörte. Die Gesamtgröße der erworbenen Grundstücke betrug xxx m², die Anschaffungskosten beliefen sich laut Bilanz zum 31.12.2009 auf xxx €. Zum 24.3.2010 trat die E… GmbH, zum 10.12.2010 die D… GmbH und zum 31.2.2011 die Antragstellerin aus der KG aus. Die austretenden Gesellschaften erhielten als Sachwertabfindung jeweils ihrem Ergebnisanteil entsprechende Grundstücke. Die Grundstücke wurden zum Buchwert entnommen.
Die Beteiligungen an den ausgetretenen Gesellschaften wurden jeweils im zeitlichen Zusammenhang mit dem Austritt aus der B… GmbH & Co. KG an neue Gesellschafter veräußert. Für die Anteile an der E… GmbH wurde ein Kaufpreis in Höhe von xxx €, für die Anteile an der D… GmbH in Höhe von xxx € und die Anteile der Antragstellerin in Höhe von xxx € gezahlt.
Im weiteren Verlauf traten am 4.11.2013 auch die C… GmbH und am 2.12.2013 die G… GmbH aus der B… GmbH & Co. KG aus. Das Vermögen der B… GmbH & Co. KG ging mit dem Austritt der G… GmbH auf die F… UG als deren Rechtsnachfolgerin über.
Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass eine steuerneutrale Übertragung der Grundstücke zu Buchwerten nicht möglich sei, da es sich ausschließlich um Kapitalgesellschaften handele. Es seien daher die stillen Reserven zum Zeitpunkt des Ausscheidens aufzudecken und den Kommanditisten im Rahmen des Gewinnverteilungsschlüssels zuzuweisen. Bei den verbleibenden Gesellschaftern seien die Einkünfte als laufender Gewinn bei den ausscheidenden Kommanditisten als gewerbesteuerpflichtiger Veräußerungsgewinn zu behandeln. Ein eventuell negatives Kapitalkonto sei ebenfalls dem Veräußerungsgewinn hinzuzurechnen. Die stillen Reserven ermittelte die BP anhand der nach dem Ausscheiden erfolgten Anteilsveräußerung an den einzelnen Gesellschaften an fremde Dritte unter der Prämisse, dass die Gesellschaften über kein weiteres Vermögen als die übernommenen Grundstücke verfügten.
Mit Beschluss des Amtsgerichts H… vom … (AZ: …) wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der F… UG angeordnet und bestimmt, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.
Der Antragsgegner folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am 22.12.2020 im Wege der Einzelbekanntgabe gegenüber den ehemaligen Kommanditisten geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und zur Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG zum 31.12.2010 und 31.12.2011.
Dabei erhöhte er bei der Antragstellerin für das Streitjahr 2010 den laufenden Gewinn um xxx.xxx € wegen durch das Ausscheiden der E… GmbH und D… GmbH aufzudeckender stiller Reserven und setzte für das Streitjahr 2011 einen Veräußerungsgewinn in Höhe von xxx.xxx € an.
Gegen die Bescheide legte die F… UG Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Beschluss des Amtsgerichts H… vom 01.04.2021 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der F… UG eröffnet und Herr Rechtsanwalt I… zum Insolvenzverwalter bestellt, der mit Schreiben vom 4.3.2022 die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens erklärte. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 29. April 2002 ab und wies darauf hin, dass eine Vollstreckung während des Insolvenzverfahrens nicht zulässig sei. Der Antragsgegner zog die Antragstellerin und die weiteren ehemaligen Kommanditistinnen mit Ausnahme der D… GmbH zum Verfahren hinzu. Die D… GmbH hatte selbst Einspruch eingelegt. Der Antragsgegner änderte mit Einspruchsentscheidung vom 22.12.2023 die Feststellungsbescheide dahingehend, dass er eine Aufdeckung der stillen Reserven nur insoweit berücksichtigte, als die Kapitalgesellschaften nicht bereits anteilig über die B… GmbH & Co. KG an den Grundstücken beteiligt waren. Der Antragsgegner berief sich dabei auf die Körperschaftsteuerklausel aus § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG. Für die E… GmbH wurden (zusätzlich) in Bezug auf die veräußerten Grundstücke Sperrfristverstöße nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG festgestellt, die zu einer weitergehenden anteiligen und rückwirkenden Aufdeckung stiller Reserven führten.
Bei der Antragstellerin verminderte der Antragsgegner den aus der Aufdeckung von stillen Reserven anzusetzenden laufenden Gewinn für 2010 auf xxx.xxx €, den Veräußerungsgewinn setzte er auf xxx.xxx € herab.
Hiergegen hat der Insolvenzverwalter der F… UG Klage erhoben, die zunächst unter dem Az. 8 K 8006/24 für die Jahre 2010 und 2011 geführt wurde. Zum Zweck der Beiladung hat der Senat das Streitjahr 2011 abgetrennt. Das abgetrennte Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 8 K 8127/24 geführt. Über die Klagen hat der Senat noch nicht entschieden. Der Senat hat die Antragstellerin jeweils mit Beschluss vom 6.9.2024 zu den Klageverfahren beigeladen.
Mit ihrem bei Gericht am 14.8.2024 gestellten Antrag macht die Antragstellerin geltend, die Grundstücke seien gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG im Wege der sog. unechten Realteilung zu Buchwerten auf die ausscheidenden Kommanditistinnen übertragen worden. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG lägen vor. Die Austritte der Gesellschafterinnen gegen Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern stellten jeweils eine sog. unechte Realteilung dar, auf die § 16 Abs. 3 EStG Anwendung finde. Die Grundstücke seien schon mangels einer Privatsphäre bei Kapitalgesellschaften in ein Betriebsvermögen übertragen worden. Die Besteuerung der stillen Reserven sei sichergestellt, da es sich bei den austretenden Gesellschafterinnen ausschließlich um inländische Körperschaften handele. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei die Körperschaftsklausel gemäß § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG im Streitfall nicht anwendbar. Nach seinem Wortlaut lägen zwar die Voraussetzungen vor, der Anwendungsbereich der Vorschrift sei jedoch teleologisch zu reduzieren. § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG solle verhindern, dass stille Reserven bei der Übertragung von dem Besteuerungsregime natürlicher Personen auf das Besteuerungsregime für juristische Personen überspringen und dass durch die dann mögliche Nutzung des Halbeinkünfteverfahrens bzw. Teileinkünfteverfahren ungerechtfertigte Steuervorteile entstehen. Dieser Zweck greife jedoch nicht, wenn an einer KG ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt sind. Der BFH gehe vor diesem Hintergrund für die Parallelnorm in § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG von einer teleologischen Reduktion der Körperschaftsteuerklausel aus. Zwischenzeitlich habe das FG Hessen eine telelogische Reduktion auch für die Vorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG in zwei Entscheidungen für erforderlich gehalten. Zudem sei die Höhe der aufgedeckten stillen Reserven zweifelhaft.
Die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO seien erfüllt, da der Antragsgegner zu erkennen gegeben habe, dass sie von ihrem Rechtsstandpunkt nicht abrücken werde. Zudem habe das für den Folgebescheid zuständige Finanzamt J… die Vollstreckung der streitigen Beträge angekündigt. Vorsorglich habe sie, die Antragstellerin, nochmals mit dem Antragsgegner Kontakt aufgenommen und um Klarstellung gebeten. Es sei davon auszugehen, dass sich der Antragsgegner kurzfristig zurückmelde und sich klarstellend zur Aussetzung der Vollziehung positioniere.
Die Antragstellerin beantragt,
die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide für 2010 und 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für die (aufgelöste) Gesellschaft B… GmbH & Co. KG, jeweils vom 22.12.2020 in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 22.12.2023 (Steuernummer: …) hinsichtlich der Feststellungen für die hiesige Antragstellerin ab Fälligkeit ohne Sicherheitsleistung.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er hält den Antrag für unzulässig. Die Antragstellerin habe zwar beim Finanzamt J… einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Da sich der Antrag jedoch gegen den Folgebescheid gerichtet habe und auch nicht in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides umgedeutet werden könne, seien die Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO nicht erfüllt.
Zudem sei der Antrag unbegründet. Unstreitig seien im Streitfall die Grundsätze der unechten Realteilung anzuwenden. Streitig sei aber die Anwendung der Körperschaftsklausel. Diese gelte nach seinem Wortlaut und nach Auffassung des BMF auch dann, wenn an der real zu teilenden Mitunternehmerschaft ausschließlich Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen beteiligt seien. Nach diesen Regelungen seien die stillen Reserven in Höhe des Anteils an den übertragenen Wirtschaftsgütern aufzudecken, in der die übernehmende Kapitalgesellschaft bisher nicht an den Wirtschaftsgütern beteiligt gewesen sei. Da die E… GmbH in Höhe von xx% beteiligt war, seien die stillen Reserven bei ihrem Ausscheiden in Höhe von [100 - xx]% aufzudecken. Der Gewinn sei den verbliebenen Gesellschaftern als laufender Gewinn zuzurechnen. In Höhe der aufgedeckten stillen Reserven sei eine positive Ergänzungsbilanz für die verbleibenden Gesellschafter zu bilden. Gleiches gelte für die ausgeschiedene D… GmbH. Bei ihrem Ausscheiden sei diese in Höhe von xx% an den stillen Reserven der KG beteiligt. Aufzudecken seien danach [100 – xx]% der stillen Reserven. Der Gewinn sei als laufender Gewinn den verbleibenden Beteiligten zuzurechnen und die Buchwerte entsprechend aufzustocken. Dementsprechend sei der Antragstellerin bei ihrem Ausscheiden in 2011 ein Veräußerungsgewinn zuzurechnen gewesen.
Aus den Gründen
Zulässigkeit des Antrags
II. 1. Der Antrag ist zulässig.
Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO sind erfüllt
a) Die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO sind erfüllt. Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist der Antrag nach Abs. 3 nur zulässig, wenn die Behörde einen AdV-Antrag ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nach § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO nicht, wenn (Nr. 1) die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder (Nr. 2) die Vollstreckung droht. Die Zugangsvoraussetzungen müssen bei Eingang des gerichtlichen AdV-Antrags vorliegen. Eine nachträgliche Heilung ist nicht möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2008 IX S 4/08 (PKH), BFH/NV 2008, 1489).
Der Antragsgegner hat unstreitig keinen Antrag ganz oder teilweise abgelehnt, jedoch drohte im Zeitpunkt der Antragstellung die Vollstreckung im Sinne des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO. Eine Vollstreckung droht, wenn die Finanzbehörde mit der Vollstreckung begonnen hat oder sie jedenfalls aus Sicht eines objektiven Beobachters unmittelbar bevorsteht (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1995, 537; vom 26. April 1994 VII S 37/92, BFH/NV 1994, 893, und vom 29. Oktober 1985 VII B 69/85, BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236). Die Übersendung der automatisierten Vollstreckungsankündigung durch das für die Besteuerung der Antragstellerin zuständige Finanzamt genügt diesen Anforderungen (vgl. Gräber/Stapperfend, 9. Aufl. 2019, FGO § 69 Rn. 154).
Die Antragstellerin ist antragsbefugt
b) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie hat zwar nicht selbst Klage gegen die Feststellungsbescheide zum 31.12.2010 und 31.12.2011 erhoben. Sie ist jedoch zu den Klageverfahren des Insolvenzverwalters über das Vermögen der F… UG beigeladen worden. Sie ist damit antragsbefugt (vgl. BFH, Beschluss vom 15. März 1994 – IX B 151/93 –, BFHE 173, 492, BStBl II 1994, 519).
Begründetheit des Antrags
2. Der Antrag ist begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Feststellungsbescheide zum 31.12.2010 und 31.12.2011, soweit der Antragstellerin in 2010 ein laufender Gewinn und in 2011 ein Veräußerungsgewinn zugerechnet wurde.
Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG (unechte Realteilung) sind erfüllt
a) Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG erfüllt sind. Im Streitfall liegt eine unechte Realteilung i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG vor.
Ansatz von Wirtschaftsgütern bei unechter Realteilung
aa) Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist; der übernehmende Mitunternehmer ist an diese Werte gebunden (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG).
Nach neuerer Rechtsprechung des BFH finden die Regelungen über die Realteilung sowohl bei Auflösung der Mitunternehmerschaft und Verteilung des Betriebsvermögens („echte Realteilung“) als auch dann Anwendung, wenn (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen aus einer zwischen den übrigen Mitunternehmern fortbestehenden Mitunternehmerschaft ausscheidet („unechte Realteilung“). Ob im Einzelfall eine echte oder eine unechte Realteilung vorliegt, richtet sich also danach, ob die Mitunternehmerschaft aufgelöst wird (echte Realteilung) oder ob sie fortbesteht und nur (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen ausscheidet (unechte Realteilung) (BFH, Urteil vom 16. März 2017 – IV R 31/14 –, BFHE 257, 292, BStBl II 2019, 24, Rn. 30).
Voraussetzungen für eine unechte Realteilung sind gegeben
bb) Die Voraussetzungen für eine unechte Realteilung sind gegeben. Die B… GmbH & Co. KG unterhielt, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 EStG. Der Senat kann offen lassen, ob die B… GmbH & Co. KG als Grundstückshändler einer originär gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG nachging. Sie unterhielt jedenfalls einen Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, da ausschließlich die G… GmbH persönlich haftende Gesellschafterin und keine Kommanditistin zur Geschäftsführung befugt war.
Die D… GmbH, die E… GmbH und die Antragstellerin sind jeweils unter Mitnahme von Vermögen aus der B… GmbH & Co. KG ausgeschieden. Die B… GmbH & Co. KG bestand nach deren Ausscheiden fort. Die Voraussetzungen einer unechten Realteilung sind demnach erfüllt.
Ernstlich zweifelhaft ist, ob der nach § 16 Abs. 3 S. 2 EStG angeordneten Übertragung zu Buchwerten die Regelung des § 16 Abs. 3 S. 4 EStG entgegen steht
b) Ob der hiernach nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG angeordneten Übertragung zu Buchwerten die Regelung des § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG entgegen steht, ist ernstlich zweifelhaft.
Anwendbarkeit des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG
aa) Nach § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG ist Satz 2 bei einer Realteilung, bei der einzelne Wirtschaftsgüter übertragen werden, nicht anzuwenden, soweit die Wirtschaftsgüter unmittelbar oder mittelbar auf eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse übertragen werden; in diesem Fall ist bei der Übertragung der gemeine Wert anzusetzen. Nach seinem Wortlaut sind die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt, weil es sich bei den in den Streitjahren ausgeschiedenen Kommanditisten um Körperschaften handelte und Wirtschaftsgüter, in diesem Fall Grundstücke, auf diese Körperschaften übertragen wurden.
Nicht ausgeschlossen, dass der Wortlaut des § 16 Abs. 3 S. 4 EStG teleologisch dahingehend auszulegen ist, dass die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine Körperschaft zu Buchwerten nur dann ausgeschlossen ist, wenn es zu einem Wechsel des Besteuerungsregimes kommt
bb) Es erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG teleologisch dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine Körperschaft zu Buchwerten nur dann ausgeschlossen ist, wenn es zu einem Wechsel des Besteuerungsregimes kommt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist eine teleologische Reduktion von steuerlichen Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung zulässig, wenn eine allein wortlautgemäße Auslegung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und der Schluss gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig umgesetzt worden ist (vgl. BFH, Urteile 7. Oktober 2009, II R 58/08, BStBl. II 2010, Seite 302 [BB 2010, 291 m. BB-Komm. Behrens/Schmitt]; vom 31. Juli 2013, I R 44/12, BStBl. II 2015, Seite 450 [BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning]; vom 5. November 2015, III R 13/13, BStBl. II 2016, Seite 468; vom 31. Juli 2013, I R 44/12, BStBl. II 2015, Seite 450 [BB 2013, 2798 m. BB-Komm. Bünning]). Der BFH hat dementsprechend entschieden, dass § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG einschränkend im Wege teleologischer Reduktion dahin auszulegen ist, dass ein Sperrfristverstoß ausscheidet, wenn innerhalb der Sperrfrist eine als Mitunternehmerin beteiligte Kapitalgesellschaft, die bereits an dem nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut vermögensmäßig beteiligt war, einen Mitunternehmeranteil an eine andere Kapitalgesellschaft veräußert, da in einem solchen Fall keine im Zeitpunkt der Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG im übertragenen Wirtschaftsgut gespeicherten stillen Reserven aus dem Einkommensteuer- in das Körperschaftsteuerregime wechseln (BFH, Urteil vom 15. Juli 2021 – IV R 36/18 –, BFHE 274, 55, Rn. 51).
Das Hessische Finanzgericht hat weitergehend entschieden, dass eine Übertragung der von der Rechtsprechung entwickelten teleologischen Reduktion des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG für die Fälle, in denen ein Überspringen stiller Reserven faktisch ausgeschlossen ist, auf Fälle des §16 Abs. 3 Satz 4 EStG erforderlich sei, da es andernfalls zu Wertungswidersprüchen zwischen beiden Vorschriften käme (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 31. März 2022 – 8 K 590/20 –, Rn. 86, juris, Rev. anh. IV R 16/22 und Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 31. März 2022 – 8 K 589/20 –, Rn. 77, juris, Rev. anh. IV R 15/22 [BB 2022, 2350 m. BB-Komm. von Glasenapp]). Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 14/6882, Seite 34) beabsichtigt, dass die in § 6 Abs. 5 Satz 4 und 5 EStG enthaltenen Einschränkungen der Steuerneutralität der Übertragung auch bei § 16 Abs. 3 EStG zu beachten sind, soweit Körperschaften betroffen sind. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6882, Seite 33) zum UntStFG solle § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG nicht nur das Überspringen stiller Reserven auf Kapitalgesellschaften verhindern. Vielmehr solle generell das Verfügen über Wirtschaftsgüter ohne Teilwertrealisation durch Verkäufe von Anteilen an Kapitalgesellschaften unter Nutzung der Vorteile, die durch die Umstellung auf das Halbeinkünfteverfahren entstehen, vermieden werden. Die Einschränkung solle also verhindern, dass stille Reserven auf Körperschaften „überspringen“ und damit in den Bereich des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens gelangen.
Im Streitfall ist ein „Überspringen“ im Sinne eines Wechsels der Besteuerung der stillen Reserven aus dem Regime des Einkommensteuerrechts in das des Körperschaftssteuerrechts ebenfalls ausgeschlossen. Die Übertragung der Grundstücke auf die im Jahr 2010 ausgeschiedenen Kommanditistinnen und die im Jahr 2011 ausgeschiedene Antragstellerin bewirkt keinen Wechsel der stillen Reserven in das Besteuerungsregime des Körperschaftsteuerrechts, da an der B… GmbH & Co. KG ausschließlich Körperschaften beteiligt waren und die Besteuerung der stillen Reserven demnach von Anfang an nach dem Besteuerungsregime des Körperschaftsteuerrechts zu erfolgen hatte.
Zulassung der Beschwerde zum BFH
Der Senat hat die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen. Die Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung. Es ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden, ob eine teleologische Reduktion des § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG geboten ist, wenn an einer KG ausschließlich Körperschaften beteiligt sind und deshalb ein Wechsel von stillen Reserven aus dem Einkommensteuer- in das Körperschaftsteuerregime ausgeschlossen ist.
Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.