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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
14.12.2023
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG München: Erfüllung der zivilrechtlichen Vereinbarung als maßgebliches Kriterium für die Gewinnrealisierung bei Dienst- und Werkverträgen

FG München, Urteil vom 11.9.2023 – 7 K 403/20, rkr.

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2023-2992-1

Sachverhalt

Die Klägerin, eine zwischenzeitlich aufgelöste GmbH, über deren Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts München vom … die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, wurde im Jahr 1982 gegründete und war auf dem Gebiet der technischen Unternehmensberatung mit einem Stammkapital von zuletzt 500.000 € tätig. Gesellschafter waren B zu 90% und J zu 10%. J ist zum Geschäftsführer bestellt worden.

Bei der Klägerin wurde für den Zeitraum 2009 bis 2011 eine Außenprüfung durchgeführt. Der Betriebsprüfer war – u.a. – der Auffassung, dass die in den Bilanzen ausgewiesenen Posten „Erhaltene versteuerte Anzahlungen 19% USt (3272)“ (31.12.2009: 1.129.154 €, 31.12.2010: 1.874.296 €, 31.12.2011: 2.014.586 €) aufgrund der Nichtvorlage von Unterlagen (fehlende Ausgangsrechnungen, Erläuterungen zum Zeitpunkt der Endabrechnung) erfolgswirksam aufzulösen seien. Die übrigen Feststellungen der Außenprüfung befinden sich nicht mehr in Streit. Das beklagte Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erhöhte den Gewinn in Höhe des aufgelösten Bilanzpostens „Erhaltene Anzahlungen“.

In den infolge der Feststellungen der Außenprüfung ergangenen geänderten Steuerbescheiden für die Jahre 2008 bis 2015 vom 27.07.2017 wurden folgende Steuern festgesetzt bzw. Besteuerungsgrundlagen festgestellt:

Körperschaftsteuer 2008 48.633 € (infolge des Wegfalls des Verlustrücktrags aus 2009)

Körperschaftsteuer 2009 124.752 €

Körperschaftsteuer 2010 78.025 €

Körperschaftsteuer 2011 182.830 €

Körperschaftsteuer 2012 bis 2015 jeweils 0 €

Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2009 bis 31.12.2012 wurden aufgehoben.

Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2013: 243.159 €

Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2014: 223.159 €

Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2015: 213.159 €

Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 27, 28 und 38 KStG (steuerliches Einlagenkonto) zum 31.12.2009 bis 31.12.2011 jeweils 0 €

Gewerbesteuermessbetrag 2009: 27.504 €

Gewerbesteuermessbetrag 2010: 18.203 €

Gewerbesteuermessbetrag 2011: 42.658 €

Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009: 0 € (infolge vollständigen Verlustabzugs in 2009).

Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2010 bis 2012 wurden aufgehoben.

Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2013: 321.658 €

Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2014: 301.658 €

Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2015: 291.658 €.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, die Behandlung der gebuchten erhaltenen Anzahlungen als Ertrag sei aufgrund des Geschäftsmodells und der zugrundeliegenden Aufträge unzutreffend. Sie sei von ihren Kunden in der Regel mit der Beratung und Umsetzung von Lösungskonzepten in Zusammenhang mit finanziellen Schwierigkeiten beauftragt worden. Hierzu sei sie im Rahmen von Werkverträgen für ihre Kunden tätig gewesen. Die vereinbarten Tätigkeiten hätten in der Regel die Aufnahme der Ist-Situation, Erarbeitung eines Lösungsansatzes, Durchführung der Verhandlungen mit Gläubigern, Begleitung und Umsetzung der beschlossenen Schritte umfasst. Die Umsetzung der Projekte habe in der Regel mehrere Jahre in Anspruch genommen. Der Erfolg eines Projekts sei bis zur abschließenden Umsetzung offen und ungewiss gewesen. Die Projekte seien erst nach erfolgreicher Begleitung des Kunden aus der Krise oder mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Kunden beendet gewesen. Aufgrund der Vereinbarung von Werkverträgen, in der Regel gepaart mit Erfolgshonorar, seien die während des Projekts geleisteten Zahlungen der Kunden als erhaltene Anzahlungen zu passivieren. Es hätte, insbesondere aufgrund des vereinbarten Erfolgshonorars, häufig bis zum Abschluss des Projekts zu Rückforderungen der erhaltenen Zahlungen kommen können. Die Klägerin legte dem Finanzamt Beratungsverträge mit folgenden Kunden vor:

Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2020).

Dagegen richtet sich die Klage, die wie folgt begründet wird:

Die Klägerin habe ein Unternehmen zur Regulierung von großen und größten Fällen von Zahlungsschwierigkeiten bzw. – ausfällen betrieben. Ihre Auftraggeber seine in aller Regel massiv verschuldet und mit hohen Verbindlichkeiten belastet gewesen. Das Problem sei stets die Gefahr einer Insolvenz des jeweiligen Auftraggebers mit der hieraus folgenden Gefahr einer Insolvenzanfechtung von Zahlungen an die Klägerin gewesen. Um diese Gefahr zu vermeiden, habe sich die Klägerin einen Betrag in Höhe des zu erwartenden Honorars bzw. in der Höhe, die in der gegebenen Situation möglich gewesen sei, anweisen lassen. Diese Zahlungen seien aber nicht zur Vergütung einer Leistung der Klägerin, sondern als Sicherheitsleistung für künftige Honoraransprüche geleistet worden. Sie seien aus ihrer Sicht lediglich zur Sicherheit hinterlegtes Fremdgeld, nämlich Geld des Auftraggebers, gewesen. Die Klägerin sei nach den getroffenen Vereinbarungen immer nur berechtigt gewesen, die tatsächlich im jeweiligen Abrechnungszeitraum verdienten Beträge von den hinterlegten Beträgen zu entnehmen bzw. mit ihnen zu verrechnen. Jede andere Verfahrensweise, insbesondere eine Vorauszahlung, hätte die Gefahr einer Insolvenzanfechtung der Zahlung mit sich gebracht. Deshalb hätten in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen nur die jeweils von der Klägerin berechneten Leistungen auch als Einnahmen angesehen und der Besteuerung unterworfen werden können. Sie habe dann, wenn die hinterlegten Beträge durch ihre Leistungen nicht verbraucht worden waren, den nicht verbrauchten Teil auch an die jeweiligen Auftraggeber zurückerstattet.

Sie sehe sich zwar nicht dazu in der Lage, die vom Finanzamt angeforderten Unterlagen, insbesondere Ausgangsrechnungen, vorzulegen. Sie halte aber daran fest, dass es sich bei den Verträgen mit ihren Auftraggebern um Werkverträge, nicht um Dienstverträge gehandelt habe. Es gebe nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Richtigkeit der Auffassung des Finanzamts, ihren Kunden sei es nur auf die Tätigkeit der Klägerin angekommen. Ein in finanziellen Nöten befindlicher Schuldner würde nicht für eine bloße Tätigkeit der Klägerin, von der von vornherein feststehe, dass er nichts davon habe, ein Entgelt zahlen. Vielmehr sei der Erfolg der Tätigkeit Voraussetzung für ihren Vergütungsanspruch, namentlich in Gestalt der Abnahme der Leistung der Klägerin. Dies ergebe sich aus der beispielshaft vorgelten Erklärung des Auftraggebers M vom 17.12.2018. Aus dem Umstand, dass die Klägerin bereits im Jahr 2000 von ihm beauftragt, die Umstrukturierung aber erst im Jahr 2015 beendet worden sei folge, dass die Einschätzung des Finanzamts, sie habe im Rahmen eines Werkvertrags, nicht eines Dienstvertrags gearbeitet, falsch sei. Denn es sei ausgeschlossen, dass die Unternehmensgruppe M über 15 Jahr schon für die schlichte Betätigung der Klägerin bezahlen wollte ohne jemals Ergebnisse zu verlangen bzw. die Vergütung hiervon abhängig zu machen. Da bestätigt worden sei, dass eine notwendige Umstrukturierung erfolgt sei und alle Objekte verkauft worden seien, habe die Klägerin einen Erfolg im werkvertraglichen Sinn erzielt. Aus der der Bestätigung von Herrn M beigefügten Löschungsbewilligung sei ersichtlich, dass dem Geschäftsführer der Klägerin eine Grundschuld über 1,3 Mio DM abgetreten gewesen sei zur Sicherung der Vergütungsansprüche der Klägerin gegen die Unternehmensgruppe M, nicht an Stelle einer Vergütung. Die Klägerin habe sich vorliegend die Grundschuld und in anderen Fällen auch Geldbeträge als Sicherheit hinterlegen lassen, um bei dem später – durch Abnahme einer werkvertraglichen Leistung entstandenen und fällig gewordenen – Anspruch gesichert zu sein auch für den Fall, dass über das Vermögen des Kunden das Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre. In einem solchen Fall wäre nämlich eine Zahlung anfechtbar gewesen und die Klägerin hätte ihre Vergütung verloren. Die Stellung einer Sicherung, sei es durch Grundschulden, sei es durch Hinterlegung einer Geldsumme, führe zu keinem Zufluss bei der Klägerin. Die Hinterlegung eines Geldbetrags oder einer sonstigen Sicherheit, die der Steuerpflichtige bis zu einer endgültigen Abrechnung nicht verbrauchen oder sonst für seine Zwecke nutzen dürfe, führe zu keiner Vermehrung seines Vermögens, entsprechende Zahlungen oder Hinterlegungen seien somit nicht als steuerbare Einnahmen zu qualifizieren.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Bescheide über Körperschaftsteuer 2008-2015, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2009 bis 2015, über das steuerliches Einlagenkonto zum 31.12.2009 bis 31.12.2011, über den Gewerbesteuermessbetrag 2009-2011, über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 bis 31.12.2015, jeweils vom 26.07.2017 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22.01.2020 dahingehend zu ändern, dass der Bilanzposten „Erhaltene versteuerte Anzahlungen 19% USt (3272)“ in Höhe von 1.129.154 € zum 31.12.2009, 1.874.296 € zum 31.12.2010 und 2.014.586 € zum 31.12.2011 nicht gewinnerhöhend aufgelöst wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen und beruft sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung. Es fehlten nach wie vor die bereits im Rahmen der Außenprüfung zu der Bilanzposition „erhaltene Anzahlungen“ angeforderten Ausgangsrechnungen und Erläuterungen zum Zeitpunkt der Endabrechnung. Es lägen weder Abrechnungen für die erbrachten Leistungen, noch Nachweise für Rückerstattungen von den angeblichen Sicherheitsleistungen für künftige Honoraransprüche vor. Aus dem Schreiben der Unternehmensgruppe M, für die die Klägerin von 2000 bis Mitte 2015 beratend tätig gewesen sei, könne nicht abgeleitet werden, dass die Tätigkeit auf Grundlage eines Werkvertrags erfolgt sei. Es sei unglaubwürdig, dass die Klägerin während eines Zeitraums von 15 Jahren für die erbrachten Beratungsleistungen keine Geldleistung verlangt habe und die Hinterlegung von Geldbeträgen nur im Rahmen einer Absicherung erfolgt sei, ohne dass die Klägerin die Geldbeträge für ihre Zwecke habe nutzen dürfen. Dem Finanzamt lägen weder ein schriftlicher Vertrag mit der Unternehmensgruppe M vor, noch Ausgangsrechnungen vor.

Das Gericht hat die Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2022 eine Frist mit ausschließender Wirkung bis 10.01.2023 gesetzt, weitere Unterlagen zum Nachweis des geltend gemachten Klageanspruchs vorzulegen. Die Klägerin hat hierauf eine Fristverlängerung bis 31.01.2023 beantragt, sich danach aber nicht mehr geäußert.

Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 17. August 2023 auf den Einzelrichter übertragen. Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11. September 2023 wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

Teilweise Unzulässigkeit der Klage

II. Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

Keine Beschwer

1. Die Klage gegen die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31.12.2009, 31.12.2010 und 31.12.2011 ist schon deshalb unzulässig, weil der Klagebegründung in Bezug auf diese Streitgegenstände keine Beschwer i.S. des § 40 Abs. 2 FGO zu entnehmen ist. Eine Beschwer ist auch nicht ersichtlich, da sich durch die Änderungsbescheide vom 26. Juli 2017 insoweit keine Änderungen gegenüber den ursprünglichen Bescheiden ergeben haben. Das steuerliche Einlagenkonto wurde unverändert mit 0 € festgestellt.

Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein

2. Die Klage ist auch unzulässig, soweit sie sich gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2012 bis 2015 richtet. Gemäß § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist bei der Anfechtung eines Steuerbescheids, in dem die Steuerschuld auf null € festgesetzt worden ist (sog. Nullbescheid), grundsätzlich nicht möglich. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn sich der Bescheid für den Kläger deshalb nachteilig auswirkt, weil in ihm angesetzte Besteuerungsgrundlagen im Rahmen anderer Verfahren verbindliche Entscheidungsvorgaben liefern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH – vom 07.12.2016 – I R 76/14, BFHE 256, 314, BStBl II 2017, 704, m.w.N.). In den Steuerbescheiden 2012 bis 2015 (Körperschaftsteuer) bzw. 2013 bis 2015 (Gewerbesteuermessbetrag), die außerhalb des von der Außenprüfung geprüften Zeitraums liegen, wurde eine Steuerschuld bzw. ein Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 0 € festgesetzt. Die Klägerin hat sich, auch auf die Aufforderung des Gerichts vom 18.11.2022, nicht dazu geäußert, wodurch sie sich dennoch durch diese Bescheide beschwert fühlt. Das Gericht kann nicht erkennen, dass für diese Bescheide ein Ausnahmetatbestand vorliegt, nach dem trotz einer Nullfestsetzung eine Beschwer anzunehmen ist.

Unbegründetheit der Klage

3. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Das Finanzamt hat den in den Bilanzen 2009 bis 2011 gebildeten Passivposten „Erhaltene versteuerte Anzahlungen“ zu Recht gewinnerhöhend aufgelöst, so dass die infolge der entsprechenden Gewinnerhöhung erlassenen geänderten Bescheide zu Recht ergangen sind.

Realisationsprinzip – Ob ein schwebendes Geschäft vorliegt, ist unter Berücksichtigung der für das jeweilige Rechtsgeschäft geltenden zivilrechtlichen Vorschriften zu entscheiden

3.1. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Entsprechendes gilt nach § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für den Gewerbeertrag. Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz Handelsgesetzbuch (HGB) geregelte Realisationsprinzip, demzufolge Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung sehen Rechtsprechung und herrschende Meinung im Schrifttum im Allgemeinen als gegeben an, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung erbracht hat, d.h. seine Verpflichtung „wirtschaftlich erfüllt“ hat. Damit steht dem Leistenden der Anspruch auf die Gegenleistung (die Zahlung) so gut wie sicher zu. Sein Risiko reduziert sich darauf, dass der Empfänger im Einzelfall Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche geltend macht oder sich als zahlungsunfähig erweist. Dann aber ist der Schwebezustand des zugrundeliegenden Geschäfts beendet und der Gewinn aus dieser Leistungsbeziehung gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB realisiert (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. November 2007 IV R 62/05, BStBl II 2008, 557 m.w.N. [BB 2008, 830 m. BB-Komm. Euler]; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 34. Aufl. 2015, § 5 Rz. 601, 607; Schubert/Roscher in Beck’scher Bilanzkommentar, 10. Aufl. 2016, § 247 Rz. 80).

Ob ein gegenseitiger Vertrag am Bilanzstichtag voll oder nur teilweise erfüllt ist und daher noch ein zum Teil schwebendes Geschäft vorliegt, ist unter Berücksichtigung der für das jeweilige Rechtsgeschäft geltenden zivilrechtlichen Vorschriften zu entscheiden (vgl. BFHUrteil vom 8. Dezember 1982 I R 142/81, BStBl II 1983, 369).

Bis zur Realisation handelt es sich um Ansprüche aus sog. schwebenden Geschäften, die nicht bilanziert werden dürfen. Vorleistungen sind zu neutralisieren, z.B. durch Aktivierung als unfertige Erzeugnisse oder Passivierung als erhaltene Anzahlungen (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz. 76).

Eine Dienst- oder Werkleistung ist „wirtschaftlich erfüllt“, wenn sie -abgesehen von unwesentlichen Nebenleistungenerbracht worden ist. Anders als bei Dienstleistungsverträgen i.S. des § 611 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bedarf es bei Werkverträgen i.S. des § 631 außerdem der Abnahme des Werks durch den Besteller, um die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2005 IV R 40/04, BStBl II 2006, 26, m.w.N). Ohne Bedeutung ist hingegen, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2008, 557 und BStBl II 2006, 20, m.w.N.).

Klägerin hat den Nachweis nicht erbracht, dass es sich bei den unter dem Bilanzposten „Erhaltene versteuerte Anzahlungen“ enthaltenen Beträgen ganz oder teilweise um solche handelt, die von den Kunden vorausbezahlt worden sind, für die sie aber ihre Leistung noch nicht erbracht hat und die damit mangels Gewinnrealisierung gewinnneutral zu passivieren sind

3.2 Die Klägerin hat die von Kunden erhaltenen Zahlungen in ihrer Bilanz grundsätzlich als Anzahlungen ertragsneutral passiviert. Ihre Einlassung, sie hätte die Zahlungen nicht zur Vergütung einer Leistung erhalten, sondern als Sicherheitsleistung für noch nicht entstandene Honoraransprüche und habe sie damit wie Fremdgelder bilanziell zu behandeln, ist unglaubwürdig und widerspricht den vorgelegten Unterlagen. Soweit Verträge mit Kunden vorgelegt wurden – dabei handelt es sich um die Verträge mit der S GmbH & Co. KG vom 17.02.2009, H GmbH vom 16.11.2004, B KG vom 12.12.2005, N GmbH vom 21.04.2011 – handelt es sich ausdrücklich um Beratungsverträge, in denen für eine konkret beschriebene Beratungstätigkeit (§ 1) ein Honorar (§ 2) vereinbart wurde. Die Fälligkeit des jeweiligen Honorars wird in § 3 der Verträge geregelt. In keinem Fall wird der Honoraranspruch der Klägerin davon abhängig gemacht, dass die geschuldete Beratungstätigkeit auch zu einem Erfolg beim Kunden führt. Zwar wurde zusätzlich zu der i.d.R. pauschalen Vergütung auch ein Erfolgshonorar vereinbart. Dass auf ein etwaiges zusätzliches Erfolgshonorar Abschlagszahlungen zu leisten sind, ist jedoch nicht vereinbart und wäre auch sinnwidrig. Die gegenteilige Behauptung der Klägerin wird durch diese Regelung somit widerlegt. Auch soweit sich in den Steuerakten Rechnungen der Klägerin an ihre Kunden aus dem streitigen Zeitraum befinden, so zeigt sich, dass die Behauptungen der Klägerin, dass ein Vergütungsanspruch noch nicht entstanden ist, unrichtig ist. In Rechnung gestellt werden Beratungshonorare, die teilweise nach Pauschalen für bestimmte Zeitabschnitte (vgl. z.B. Rechnungen an R. v. 12.02.2007, 19.04.2007, 10.05.2007) oder prozentual entsprechend dem wirtschaftlichen Wert der Beratung berechnet wurden (z.B. Rechnungen an W vom 06.09.2013, 22.10.2013, 26.11.2013). Zwar wurden teilweise auch Abschlagszahlungen in Rechnung gestellt (z.B. Rechnung an S GmbH & C. KG v. 17.11.2009) und aus dem Kündigungsschreiben durch W vom 04.12.2014 ergibt sich, dass eine a-Konto-Zahlung über 178.500 € geleistet wurde, die durch die Leistungen der Klägerin abgearbeitet werden sollte. Im Schreiben der Klägerin vom 16.12.2014 widersprach sie jedoch der Kündigung, vertrat die Auffassung, dass die geleistete Anzahlung von ihr abgearbeitet worden sei und verneinte damit einen Rückforderungsanspruch. Weitere Unterlagen hat die Klägerin trotz wiederholter Aufforderung jedoch nicht vorgelegt. Insbesondere hat die Klägerin ihre Behauptung, dass sie die hinterlegten Beträge, soweit sie durch ihre Leistungen nicht verbraucht worden sind, an die jeweiligen Auftraggeber zurückerstattet hat, nicht belegt. Ebenso wenig hat sie belegt, dass ihr Vergütungsanspruch von einer wie auch immer gearteten Abnahme der erbrachten Leistung durch den Auftraggeber abhängig gewesen sei. Entgegen ihrer Behauptung ergibt sich dies auch nicht aus der Bestätigung des Auftraggebers Rudi M vom 17.12.2018. Dieser bestätigt lediglich, dass die Kläger von 2000 bis Mitte 2015 beratend für die Unternehmensgruppe M tätig war. Der Umstand, dass die Umstrukturierungen erfolgreich beendet worden sind, bedeutet nicht, dass der Vergütungsanspruch davon abhängig war. Dies ergibt sich auch nicht aus der Aussage, dass die vielfältigen Arbeiten abgerechnet und bezahlt worden sind, ebenso wenig aus der Umstand, dass zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin offensichtlich eine Grundschuld bestellt worden ist, welche nach Beendigung der langjährigen Leistungsbeziehung gelöscht worden ist.

Auch die Aufforderung des Gerichts vom 18.11.2022, in dem es die Klägerin mit einer Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 2, 3 FGO aufgefordert hat, weitere Unterlagen zur Begründung des Klageanspruchs vorzulegen, blieb erfolglos. Soweit die Klägerin vorbringt, die von ihren Kunden erhaltenen Zahlungen seien deshalb als Sicherheitsleistung für künftige Honoraransprüche geleistet bzw. als solche behandelt worden, weil jede andere Verfahrensweise, insbesondere eine Vorauszahlung die Gefahr einer Insolvenzanfechtung mit sich gebracht hätte, so ist dazu festzustellen, dass nach der Insolvenz der B GmbH & Co. KG genau dieser Fall eingetreten ist und der Insolvenzverwalter der B mit Schreiben vom 30.11.2015 die Zahlungen an die Klägerin angefochten und zurückgefordert hat.

Die Klägerin hat damit den Nachweis nicht erbracht, dass es sich bei den unter dem Bilanzposten „Erhaltene versteuerte Anzahlungen“ enthaltenen Beträgen ganz oder teilweise um solche handelt, die von den Kunden vorausbezahlt worden sind, für die sie aber ihre Leistung noch nicht erbracht hat und die damit mangels Gewinnrealisierung gewinnneutral zu passivieren sind.

Kostenentscheidung

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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