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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
02.07.2020
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
BGH,: Beschluss vom 22.10.2019 – XI ZR 682/18

ECLI:DE:BGH:2019:221019BXIZR682.18.0

Volltext des Beschlusses://BB-ONLINE BBL2020-1587-3

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Höhe einer angemessenen Gegenleistung für die Übernahme von Aktien im Rahmen eines sog. Delisting-Verfahrens.

Die Kläger hielten Stückaktien der S. AG. Die Beklagte, die Hauptaktionärin der AG ist, veröffentlichte am 5. Oktober 2016 ihre Entscheidung zur Abgabe eines Erwerbsangebots gemäß § 10 WpÜG. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht teilte der Beklagten mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 mit, dass der während der letzten sechs Monate vor Veröffentlichung der Entscheidung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ermittelte Sechs-Monats-Durchschnittskurs der Aktie 4.554,94 € betrage. Mit Bescheid vom 8. November 2016 gestattete sie die Veröffentlichung einer entsprechenden Angebotsunterlage durch die Beklagte. Die Kläger nahmen das am 9. November 2016 veröffentliche Angebot der Beklagten an und erhielten jeweils 4.554,94 € je übertragener Aktie ausgezahlt.

Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte sei gemäß § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG zur Zahlung einer Geldleistung pro Aktie verpflichtet, die anhand einer Unternehmensbewertung der S. AG zu ermitteln sei. Es seien im Referenzzeitraum an weniger als einem Drittel der Börsentage Börsenkurse festgestellt worden, wobei zwei nicht unmittelbar nacheinander folgende Börsenkurse - unstreitig - um mehr als 5 Prozent vom vorherigen Börsenkurs abwichen; dass diese Kurssprünge unmittelbar nacheinander folgten, setze § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG nicht voraus. Die Kläger haben beantragt, 1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1 für 28 Stückaktien bzw. an den Kläger zu 2 für 5 Stückaktien eine angemessene Abfindung in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der im Übernahmeangebot genannten Gegenleistung von 4.554,94 € je Aktie und der Gegenleistung, „die dem anhand der Bewertung der S. AG zum Stichtag 5. Oktober 2016 ermittelten Wert je Aktie der S. AG entspricht“, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 2) hilfsweise im Wege einer offenen Teilklage die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1 5.600 € bzw. an den Kläger zu 2 1.000 €, jeweils zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 

Das Landgericht hat die Hauptanträge als unzulässig und die Hilfsanträge als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen der Kläger sind vom Berufungsgericht zurückgewiesen worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge weiter. 

Aus den Gründen

5          II.         Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Revision nach § 552a ZPO zurückzuweisen sein wird, weil sie in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hat und Zulassungsgründe nicht vorliegen.

6          1. Das Berufungsgericht hat die unbezifferten Zahlungsanträge der Kläger zu Recht für unzulässig erachtet. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unterliegt grundsätzlich jede Leistungsklage dem Gebot hinreichender Bestimmtheit. Daran fehlt es hier. Die Anträge der Kläger auf Zahlung einer „angemessenen Abfindung“ in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der im Übernahmeangebot genannten Gegenleistung von 4.554,94 € je Aktie und der Gegenleistung, die dem anhand der Bewertung der S. AG zum Stichtag 5. Oktober 2016 ermittelten Wert je Aktie entspricht, sind nicht - wie grundsätzlich erforderlich - auf einen ziffernmäßig angegebenen Betrag gerichtet; sie weisen keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. 

7          a) Auf die Benennung der Forderungshöhe kann nicht entsprechend der von der Rechtsprechung zu Schadensersatzklagen entwickelten Ausnahmefälle verzichtet werden, wonach es bei einem Anspruch auf Geldentschädigung dann keines exakt bezifferten Antrags bedarf, wenn die Bestimmung des Betrages maßgeblich von richterlicher Schätzung (§ 287 ZPO) oder richterlichem Ermessen abhängt (BGH, Urteile vom 13. März 1967 - III ZR 8/66, NJW 1967, 1420, 1421 und vom 18. Oktober 1972 - VIII ZR 143/71, WM 1973, 464, 465; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 253 Rn. 14; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 253 Rn. 119 ff.). Dabei kann dahin stehen, ob diese Rechtsprechung überhaupt auf den - durch die Annahme des Abfindungsangebots der Beklagten vermittelten vertraglichen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 21 ff.; vgl. zu § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG: Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301, 2302; Baums/Thoma/Verse/Marsch-Barner, WpÜG, Stand 2017, § 31 Rn. 128; KölnKommWpÜG/Kremer/Oesterhaus, 2. Aufl., § 31 Rn. 107 f.) - Erfüllungsanspruch übertragbar ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 253 Rn. 14a; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 253 Rn. 126 ff.). Eine entsprechende Anwendung verbietet sich im vorliegenden Fall bereits deshalb, weil im Falle des § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG der Gesetzgeber vorgeschrieben hat, dass der Bieter zur Zahlung einer Geldleistung verpflichtet ist, die dem anhand einer Bewertung des Emittenten ermittelten Wert des Unternehmens entspricht. Die von dem Bieter geschuldete Gegenleistung ist danach anhand von objektiven Merkmalen unter Heranziehung eines Sachverständigen feststellbar bzw. festzustellen. Die Anträge der Kläger sind aus diesen Gründen ebenfalls nicht als Anträge auf Bestimmung einer angemessenen Gegenleistung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB statthaft (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1972 - VIII ZR 143/71, WM 1973, 464, 465 f.).

8          b) Dass ohne Rücksicht auf die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen eine „zivilrechtliche Klage auf angemessene Abfindung“ (BT-Drucks. 18/6220, S. 86) zulässig sein sollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Der Begriff der „angemessenen Abfindung“ wird vom Gesetzgeber als materiell-rechtliche Umschreibung für die nach § 39 Abs. 3 BörsG jeweils in Euro anzubietende Gegenleistung verwandt; prozessuale Rechte des Anlegers sollten damit nicht begründet werden. Dies ergibt sich daraus, dass in BT-Drucks. 18/6220 auf Seite 86 ausgeführt wird, dass durch die Geltung des § 31 WpÜG sowie die ausdrückliche Anordnung der „Zahlungsansprüche“ in Absatz 3 Satz 3 und 4 sichergestellt sei, dass jeder Anleger, der das Angebot angenommen habe, einen Anspruch gegen den Bieter auf Entrichtung einer „angemessenen Gegenleistung“ habe. Der Gesetzgeber nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf die entsprechende Rechtslage im Übernahmerecht sowie auf ein Urteil des BGH vom 29. Juli 2014 (II ZR 353/12, BGHZ 202, 180), welches bezifferte Zahlungsansprüche des Anlegers behandelt (BT-Drucks. 18/6220, S. 86). Schließlich weist die Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, dass in den Gesetzesmaterialien in Zusammenhang mit der „Angemessenheit“ der Abfindung stets die Frage ihrer Berechnung und damit ihrer Bezifferung erörtert wird (BT-Drucks. 18/6220, S. 84 ff.).

9          c) Soweit die Revision einwendet, dass es nach dem Gesetz Sache des Anbietenden sei, die Unternehmensbewertung des Emittenten vorzunehmen und diese in den Angebotsunterlagen abzubilden, gilt dies allein für das Widerrufsverfahren. Dieses ist nach § 39 Abs. 6 BörsG bewusst von etwaigen Zahlungsansprüchen der Anleger abgekoppelt worden; der Rückzug von der Börse sollte nicht wegen eines Streits darüber, in welchem Umfang abgefunden werden muss, aufzuhalten sein (vgl. Fechner, BT-Plenarprotokoll 18/127, S. 12384; BT- Drucks. 18/6220, S. 86). Aus den gesetzlichen Vorgaben zum Widerrufsverfahren kann der Anleger daher keinen Anspruch auf Vorlage einer korrigierten Angebotsvorlage unter Berücksichtigung des nach seiner Ansicht anzusetzenden Unternehmenswertes ableiten. 

10        d) Schließlich folgt auch aus der Gesetzgebungsgeschichte, dass eine Klage auf Festsetzung einer „angemessenen Abfindung“ nicht zulässig sein sollte. Anlass des Gesetzentwurfs zu § 39 BörsG war u.a., dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 8. Oktober 2013 (II ZB 26/12, WM 2013, 2213) seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 25. November 2002 - II ZR 133/01, BGHZ 153, 47) zu den Voraussetzungen eines Widerrufs der Zulassung von Aktien zum Handel im regulierten Markt auf Veranlassung der Gesellschaft grundlegend revidiert hatte. Der Gesetzgeber hat die hierdurch entstandene Lücke des Anlegerschutzes durch eine kapitalmarktrechtliche Lösung ausgefüllt, die regelmäßig eine Berechnung der Abfindung nach Börsenkursen vorsieht, während eine Unternehmensbewertung zur Ermittlung der Abfindung nur in Ausnahmefällen angeordnet worden ist (vgl. Middelberg, BT-Plenarprotokoll 18/127, S. 12379; Fechner, ebendort S. 12384; Hirte, ebendort S. 12385). In Kenntnis der früheren Rechtsprechung (BT-Drucks. 18/6220, S. 83) ist im Anwendungsbereich des BörsG auf die Möglichkeit, ein Spruchverfahren zur Nachprüfung der Angemessenheit der angebotenen Abfindung zur Verfügung zu stellen, verzichtet und sind die Rechte des Anlegers entsprechend § 31 WpÜG auf zivilrechtliche Zahlungsansprüche gegen den Bieter vor den ordentlichen Gerichten beschränkt worden (Bayer, NZG 2015, 1169, 1173; Gegler, BKR 2016, 273, 279; Hirte, aaO). Die Zulassung der Anträge der Kläger, die inhaltlich auf gerichtliche Festsetzung einer „angemessenen Abfindung“ gerichtet sind, würde diese gesetzgeberische Entscheidung missachten; das Spruchverfahren, in welchem das Gericht die Gegenleistung zu bestimmen hat, ohne dass ein konkreter Antrag des Anlegers zur Höhe erforderlich ist (vgl. § 4 und § 6 Abs. 1 Satz 2 SpruchG), würde faktisch in das Zivilverfahren übertragen. 

11        Dass dem Anleger eine realistische Benennung der Abfindungshöhe bei einer erforderlichen Bewertung des Emittenten kaum möglich und damit regelmäßig ein Kostenrisiko für den Anleger verbunden ist, hat der Gesetzgeber dabei erkannt und in Kauf genommen. So wurde zum einen in dem Bericht des Finanzausschusses (BT-Drucks. 18/6220, S.  86) darauf hingewiesen, dass das Gericht bei einem die Angemessenheit der Gegenleistung betreffenden Rechtsstreit der beklagten Partei nach Maßgabe des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die gesamten Prozesskosten auferlegen könne. Eines Verweises auf § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hätte es nicht bedurft, wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass ein Klageantrag auf Zahlung einer „angemessenen Gegenleistung“ gestellt werden könne; ein Kostenrisiko wäre in diesem Falle - soweit die Höhe der Forderung betroffen ist - ausgeschlossen. Zum anderen wurde unter Berücksichtigung des Umstands, dass ein für die Anleger allgemein gültiges Spruchverfahren nicht mehr eingeleitet werden kann und damit die Durchsetzung des Nachzahlungsanspruchs erschwert ist, der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes durch Aufnahme des § 1 Abs. 1 Nr. 3 KapMuG auf die Fälle des § 39 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 BörsG erweitert. Der Gesetzgeber hat dabei in Rechnung gestellt, dass zivilrechtliche Ansprüche auf eine erhöhte Gegenleistung in größerer Anzahl entstehen könnten, wobei der im Streit stehende Geldbetrag im Einzelfall gering ausfallen könne. Die Anwendung des KapMuG - so die Gesetzesbegründung - sei geeignet, „gegenüber dem allgemeinen Verfahrensrecht“ (Hirte, BT-Plenarprotokoll 18/127, S. 12385) für den Einzelnen eine konzentrierte und kostengünstigere Erledigung anzubieten; insbesondere könne durch Musterentscheid sowohl geklärt werden, „ob die Voraussetzungen von § 39 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 und Nummer 2 und Satz 4 BörsG vorliegen, als auch, ob und um wieviel die Gegenleistung erhöht ist“ (BT-Drucks. 18/6220, S. 87). 

12        2. Soweit die Kläger hilfsweise bezifferte Teilansprüche geltend machen, sind die Klagen unbegründet. Das Berufungsgericht hat unter vollständiger Würdigung aller Gesichtspunkte überzeugend ausgeführt, dass mindestens zwei Kurssprünge von über 5 Prozent unmittelbar hintereinander aufgetreten sein müssen, um gemäß § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG eine Berechnung der Abfindung nach dem Unternehmenswert fordern zu können.

13        a) § 39 Abs. 3 Satz 2 BörsG verweist für die Berechnung der Gegenleistung auf die übernahmerechtliche Vorschrift des § 31 WpÜG und ergänzt diese um die Anforderungen, dass die Gegenleistung in Euro bestehen und mindestens dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der Wertpapiere während der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung entsprechen muss. Wie der maßgebliche gewichtete durchschnittliche inländische Börsenkurs ermittelt wird, folgt u.a. aus dem über § 31 Abs. 7 WpÜG anwendbaren § 5  WpÜG-AngebV. Parallel zu § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebV hat der Gesetzgeber in § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG den Börsenkurs in der Referenzperiode für nicht aussagekräftig erklärt, sofern „an weniger als einem Drittel der Börsentage Börsenkurse festgestellt“ wurden und kumulativ „mehrere nacheinander festgestellte Börsenkurse um mehr als 5 Prozent voneinander“ abweichen. Die Tatbestandsvoraussetzung, dass mehrere nacheinander festgestellte Börsenkurse um mehr als 5 Prozent voneinander abweichen, ist nach herrschender Meinung im Übernahmerecht nur dann erfüllt, wenn mindestens zwei solcher Kurssprünge eingetreten sind, und zwar unmittelbar nacheinander (Bayer, NZG 2015, 1169, 1175; Noack in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 40;  Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 106;  KölnKommWpÜG/Kremer/Oesterhaus, 2. Aufl., § 31 Anh. - § 5 AngebVO Rn. 22; Baums/Thoma/Verse/Marsch-Barner, WpÜG, Stand 2017, § 31 Rn. 44;  Santelmann/Nestler in Steinmeyer, WpÜG, 4. Aufl., § 31 Rn. 36; wohl ebenfalls Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause, WpÜG, 2. Aufl., § 5 WpÜG-AngVO Rn. 26 f.). Entsprechend ist § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG auszulegen (Sanders, Anlegerschutz bei Delisting zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht, S. 113).

14        b) Dabei kann dahin stehen, ob bereits der Wortlaut des § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG dieses Ergebnis vorgibt. Jedenfalls der gesetzgeberische Wille sowie Sinn und Zweck des § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG erfordern, nur hintereinander folgende Abweichungen von mehr als 5 Prozent für ausreichend zu erachten. Der Gesetzgeber hat sich bei der Neufassung des § 39 BörsG für die kapitalmarktrechtliche Lösung entschieden, die Höhe der Abfindung grundsätzlich nach dem einfach festzustellenden Börsenkurs zu berechnen. Er hat dies damit begründet, dass anders als in den Fällen des § 29 UmwG oder § 327b AktG ein Delisting lediglich die leichtere Handelbarkeit der Aktie beeinträchtige, die Mitgliedschaft des Aktionärs als solche hierdurch jedoch nicht berührt werde (BT-Drucksache 18/6220, S. 84). Eine Bemessung der anzubietenden Gegenleistung anhand des Unternehmenswertes sei daher nur ausnahmsweise geboten, wenn die Aussagekraft des Börsenkurses durch eine unterlassene oder unzutreffende Veröffentlichung kursrelevanter Informationen beeinträchtigt sei oder der Börsenkurs - in Anlehnung an § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebV - nach übernahmerechtlichen Maßstäben nicht in aussagekräftiger Weise festgestellt werden könne (BT-Drucks. 18/6220, S. 84 f.). Bereits bei Anwendung des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebV, der einen Referenzzeitraum von drei Monaten vorsieht, wird nach allgemeiner Auffassung davon ausgegangen, dass zwei nicht hintereinander liegende Kurssprünge von über 5 Prozent nicht auf Kursverfälschungen hinweisen, da in Zeiten hoher Volatilität der Börsenkurse derartige Veränderungen nicht ungewöhnlich sind (Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rn. 106; KölnKommWpÜG/Kremer/Oesterhaus, 2. Aufl., § 31 Anh. - § 5 AngebVO Rn. 22). Diese Annahme hat erst recht für § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG zu gelten, der eine doppelt so lange Referenzperiode als Bewertungsgrundlage des Börsenkurses fordert. Nur bei zwei unmittelbar nacheinander folgenden Kurssprüngen in Verbindung mit dem weiteren Umstand, dass Börsenkurse an weniger als einem Drittel der Börsentage festgestellt worden sind, erscheint danach der Durchschnittsbörsenkurs zufallsgeprägt und bietet keine sachgerechte Grundlage für die Berechnung der Abfindung. 

15        c) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber - worauf das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen hat - § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebV bei Neufassung des § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG zugrunde gelegt; so wird in dem Bericht des Finanzausschusses (BT-Drucks. 18/6220, S. 85) ausdrücklich auf diese Vorschrift Bezug genommen, wenn es heißt, dass § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG „in Anlehnung an § 5 Abs. 4 der WpÜG-Angebotsverordnung“ in besonderen Fällen eine Bemessung der anzubietenden Gegenleistung nicht anhand des Börsenkurses vorsehe. Angesichts dessen, dass sich der Gesetzgeber bewusst bei der Abfassung des § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG an § 5 Abs. 4 WpÜG-AngVO orientiert und diesen nahezu wörtlich übernommen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG dennoch abweichend - im Sinne der Kläger - verstanden wissen wollte. Dies gilt umso mehr, als aufgrund der Verweisung des § 39 Abs. 3 Satz 2 BörsG auf u.a. § 31 Abs. 7 WpÜG auch die weiteren Vorschriften zur Bewertung der Abfindung in der WpÜG-AngebV Anwendung finden sollten (BT-Drucks. 18/6220, S. 84: „Für die Berechnung der anzubietenden Gegenleistung gelten nach Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 31 Abs. 7 WpÜG daher die §§ 3 bis 7 der WpÜG-Angebotsverordnung entsprechend.“). Die Aufnahme des § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG sollte insoweit nicht § 5 Abs. 4  WpÜG-AngebV inhaltlich vollständig ersetzen, sondern die Vorschrift sollte lediglich - insbesondere hinsichtlich des längeren Referenzzeitraums - unter Aufrechterhaltung seines üblichen Verständnisses konkretisiert werden. 

16        d) Unzutreffend sind schließlich die Ausführungen der Revision, dass im Rahmen des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebV „uneinheitlich“ beurteilt werde, ob die vorausgesetzten Kurssprünge unmittelbar hintereinander erfolgen müssten. Krause (in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 2. Aufl., § 5 WpÜG-AngVO Rn. 26) führt zwar aus, dass dem Wortlaut des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngVO nicht unmittelbar zu entnehmen sei, „ob die Kurssprünge unmittelbar aufeinander folgen müssen oder ob sie zu beliebigen Zeitpunkten innerhalb der Referenzperiode auftreten können“, kommt aber zu dem Schluss, dass einiges dafür spreche, dass die Kurssprünge unmittelbar nacheinander stattfinden müssten. Kremer/Oesterhaus (KölnKommWpÜG, 2. Aufl., § 31 Anh. - § 5 AngebVO Rn. 22 f.) wollen die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngVO sogar weiter einschränken, indem zwar aufgrund des Zwecks der Bestimmung grundsätzlich zwei Kurssprünge unmittelbar nacheinander erforderlich seien (aaO Rn. 22), hiervon aber gegenläufige Kurssprünge, die letztlich nicht zu einer Veränderung des Börsenkurses führten („Schaukelbörse“), vom Anwendungsbereich der Norm ausgeschlossen sein sollen (aaO Rn. 23). Auch Wackerbarth (MünchKommAktG, 4. Aufl., § 31 WpÜG Rn. 49) vertritt nicht die Ansicht, dass während der gesamten Referenzperiode zwei Kurssprünge über 5 Prozent ausreichten. Er will den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebV durch eine Bewertung des Einzelfalls vielmehr ebenfalls weiter begrenzen.

17        Das Berufungsgericht hat den Rechtsstreit damit richtig entschieden. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt ihm angesichts des fehlenden Meinungsstreits zur Auslegung des § 39 Abs. 3 Satz 4 BörsG nicht zu. 

 

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