: Berücksichtigung von AfA beim Gewerbeertrag im Zeitpunkt der Aufnahme des Gewerbebetriebs
BFH , Urteil vom 14.04.2011 - Aktenzeichen IV R 52/09 (Vorinstanz: FG Niedersachsen vom 16.09.2009 - Aktenzeichen 2 K 495/05; EFG 2010, 200 ) (Vorinstanz: FG Niedersachsen vom 16.09.2009 - Aktenzeichen 2 K 496/05; EFG 2010, 200 ) | ||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: Nach den Vorschriften des EStG bemessene AfA für Wirtschaftsgüter ist in voller Höhe bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gemäß § 7 GewStG zu berücksichtigen, wenn der Zeitpunkt des Beginns der AfA mit dem Zeitpunkt des Beginns des Gewerbebetriebs zusammenfällt. | ||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: EStR § 44 Abs. 2 Satz 3; EStG § 5 Abs. 1 Satz 1; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 7 Abs. 1 Satz 2; GewStG § 7; GewStG § 10a;
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In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Anschlussrevision mit Zustimmung des FA zurückgenommen und beantragt, | RN 18 |
die Revision zurückzuweisen. |
II. |
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO--). | RN 19 |
1. | RN 20 |
Gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1998. |
a) | RN 22 |
Der erkennende Senat hat mit Urteilen vom heutigen Tag (IV R 52/10 und IV R 46/09) entschieden, dass eine Windenergieanlage (Windpark) aus mehreren selbständigen Wirtschaftsgütern besteht. Eigenständige (zusammengesetzte) Wirtschaftsgüter sind danach die WKA mit Fundament und dem Transformator einschließlich der gesamten Niederspannungsverkabelung (interne Verkabelung) --im Weiteren WKA--, die komplette Mittelspannungsverkabelung (externe Verkabelung) zusammen mit der Übergabestation --im Weiteren Übergabestation--, sowie daneben die Zuwegung. Im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des in neutralisierter Fassung beigefügten Urteils IV R 46/09 Bezug genommen. |
b) | RN 23 |
Ebenfalls mit Urteil vom heutigen Tag (IV R 15/09) hat der erkennende Senat entschieden, dass alle Aufwendungen, die von Anlegern eines Windkraftfonds geleistet worden sind, aufgrund der modellimmanenten Verknüpfung aller diesbezüglichen Verträge in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erlangung des Eigentums an den WKA stehen und deshalb als Anschaffungskosten und nicht als sofort abziehbare Betriebsausgaben zu behandeln sind. Im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des in neutralisierter Fassung beigefügten Urteils IV R 15/09 Bezug genommen. |
c) | RN 25 |
Des Weiteren hat der Senat in dem Urteil IV R 46/09 entschieden, dass die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der eigenständigen Wirtschaftsgüter Übergabestation und Zuwegung aufgrund des besonderen technischen und baulichen Zuschnitts auf die WKA grundsätzlich in Anlehnung an die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der WKA zu schätzen ist. Im Einzelnen wird auch diesbezüglich auf die Entscheidungsgründe des beigefügten Urteils IV R 46/09 Bezug genommen. |
d) | RN 26 |
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen für die wirtschaftliche und steuerliche Konzeption anteilig den Anschaffungskosten der beiden WKA, der Übergabestation sowie der Zuwegung zuzuordnen. |
e) | RN 28 |
Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für die WKA haben das FA und das FG nach der im Streitjahr gültigen AfA-Tabelle (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. April 1997 IV A 8-S 1551-37/97, BStBl I 1997, 376, Ziffer 3.1.5) zutreffend mit zwölf Jahren angenommen. In Anlehnung daran ist auch die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Übergabestation mit zwölf Jahren zu schätzen. |
2. | RN 30 |
Gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1998. |
Im Ergebnis zutreffend hat das FG entschieden, dass die AfA in derselben Höhe, in der sie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG berücksichtigt worden ist, auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gemäß § 7 des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung ( GewStG) zu berücksichtigen ist und deshalb in den Gewerbeverlust i.S. des § 10a GewStG eingeht. | RN 31 |
a) | RN 32 |
Nach letzterer Vorschrift ist der maßgebende Gewerbeertrag (§ 10 Abs. 1 GewStG) um die Fehlbeträge zu kürzen, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind (§ 10a Satz 1 GewStG). Fehlbetrag im Sinne dieser Vorschrift ist der Gewerbeverlust, d.h. der negative Ertrag des Gewerbebetriebs. Besteht (noch) kein Gewerbebetrieb, so kann demzufolge auch kein (abzugsfähiger) Gewerbeverlust entstehen. Erst mit dem Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht können abzugsfähige und damit vortragsfähige Verluste entstehen (BFH-Urteil vom 19. August 1977 IV R 107/74, BFHE 123, 352, BStBl II 1978, 23). |
Die sachliche Gewerbesteuerpflicht beginnt erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt sind (§ 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG) und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist. Während die Einkommensteuer als Personensteuer sämtliche betrieblichen Vorgänge von der ersten Vorbereitungshandlung zur Eröffnung eines Betriebs an erfasst, ist Gegenstand der Gewerbesteuer nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistungen entstandene Gewinn. Entscheidend ist, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind, so dass das Unternehmen sich mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen kann. Der Zeitpunkt des Beginns der werbenden Tätigkeit kann nicht weiter gehend generell definiert werden. Er ist vielmehr unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten ebenfalls unterschiedlich zu bestimmen sein. Diese Rechtsgrundsätze gelten gleichermaßen für Einzelgewerbetreibende wie für Personengesellschaften, und zwar unabhängig von der Rechtsform ihrer Gesellschafter (BFH-Urteil vom 5. März 1998 IV R 23/97, BFHE 186, 142, BStBl II 1998, 745, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). | RN 33 |
b) | RN 34 |
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat die Klägerin, worauf das FA zutreffend hinweist, ihren Gewerbebetrieb erst mit der Fertigstellung des Windparks und der Inbetriebnahme der WKA begonnen. Die Inbetriebnahme der WKA erfolgte ausweislich des Übergabeprotokolls, dessen Inhalt vom FG festgestellt worden ist, spätestens am 21. Dezember 1998. Danach ist die Anlage im automatischen Betrieb am 21. Dezember 1998 übergeben worden. Dass die Vertragsbeteiligten den Gefahrübergang des gesamten Windparks erst zum 31. Dezember 1998 vereinbart haben, ändert nichts an der Tatsache, dass der Gewerbetrieb spätestens am 21. Dezember 1998 in Gang gesetzt worden ist. Das FA geht sogar seinerseits davon aus, dass der Gewerbebetrieb bereits am 8. Dezember 1998 zum Zeitpunkt der Aufnahme des Probebetriebs in Gang gesetzt worden ist. Dafür könnte sprechen, dass die WKA im Zeitpunkt der "offiziellen" Übergabe ausweislich des Übergabeprotokolls bereits in erheblichem Umfang Strom produziert und in das Netz eingespeist hatte und die daraus erzielten Erlöse der Klägerin offensichtlich zugerechnet worden sind. Im Streitfall kommt es auf den genauen Zeitpunkt indes nicht an. Es reicht die Feststellung, dass der Gewerbebetrieb jedenfalls im Dezember 1998 begonnen hat. |
c) | RN 35 |
Anders als das FA meint, ist die geltend gemachte AfA für die hier in Streit stehenden Wirtschaftsgüter in voller Höhe bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gemäß § 7 GewStG zu berücksichtigen, da der Zeitpunkt des Beginns der AfA mit dem Zeitpunkt des Beginns des Gewerbebetriebs der Klägerin zusammenfiel. |
Für den Abzug von Anschaffungskosten im Rahmen der AfA kommt es auf den Zeitpunkt der Anschaffung an (BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477). Nach § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ist die Anschaffung mit der Lieferung bewirkt. Lieferung bedeutet Verschaffen der Verfügungsmacht. Es kommt somit auf den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an. Das ist bei der Übertragung eines Wirtschaftsguts in der Regel der Fall, wenn Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzen auf den Erwerber übergehen (so zum Grundstück: BFH-Urteil vom 4. Juni 2003 X R 49/01, BFHE 202, 320, BStBl II 2003, 751, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). | RN 36 |
Davon ausgehend ist die Anschaffung des Windparks im Streitfall frühestens mit dessen Übergabe zum 21. Dezember 1998 und spätestens mit dem Gefahrübergang zum 31. Dezember 1998 erfolgt. Dementsprechend beginnt die AfA erst im Dezember 1998 und fällt damit mit dem Beginn des Gewerbebetriebs zusammen. Dies hat des Weiteren zur Folge, dass die für die hier streitigen Wirtschaftsgüter geltend gemachte AfA in vollem Umfang (also zur Hälfte statt --wie das FA meint-- nur zu 1/12 des Jahresbetrags) bei dem Gewerbeertrag zu berücksichtigen ist. Zwar ist die AfA nach der Vereinfachungsregelung in R 44 Abs. 2 Satz 3 EStR mit der Hälfte des für das gesamte Wirtschaftsjahr in Betracht kommenden AfA-Betrags angesetzt worden. Diese Regelung betrifft jedoch ausschließlich die Höhe der AfA, dadurch wird der für den Beginn der AfA maßgebliche Zeitpunkt aber nicht berührt. Die Höhe der (auch) für die Bemessung des Gewerbeertrags maßgebenden AfA richtet sich gemäß § 7 GewStG nach den Vorschriften des EStG. Eine hiervon abweichende Bemessung der AfA für Zwecke der Gewerbesteuer kommt nicht in Betracht. Vielmehr ist die nach den Vorschriften des EStG bemessene AfA in voller Höhe auch dann bei der Ermittlung des Gewerbeertrags i.S. von § 7 GewStG zu berücksichtigen, wenn der Zeitpunkt des Beginns der AfA mit dem Zeitpunkt des Beginns des Gewerbebetriebs zusammenfällt. | RN 37 |
3. | RN 38 |
Das Verfahren über die Anschlussrevision war einzustellen, nachdem die Klägerin mit Zustimmung des FA deren Rücknahme erklärt hat. |