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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
23.04.2009
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
: Berechnung einer Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen

Niedersächsisches FG, Urteil vom 21.1.2009 - 3 K 12371/07, Rev. Eingelegt (Az. BFH X R 14/09)

sachverhalt

Streitig ist die Höhe einer Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen im Jahresabschluss zum 31.12.2003.

Der Kläger ist Inhaber einer Apotheke in H. und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahresabschluss zum 31.12.2003 wurde eine Rückstellung i.H.v. 10.xxx Euro für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen gebildet. Unstreitig liegt ein im Streitjahr jährlicher Archivierungsaufwand von 10.xxx Euro vor, da die Unterlagen in einem kleinen Raum in der Apotheke des Klägers aufbewahrt werden. Hierfür ergibt sich eine jährliche Miete von ca. 8xx Euro. Weiterhin besteht ein Archivraum im Privathaus mit ca. 4 qm, für den sich eine jährliche Miete von ca. 2xx Euro ergibt. Der jährliche Aufwand wurde zur Bildung der Rückstellung mit den 10 Jahren multipliziert.

Im Rahmen der Betriebsprüfung gelangte der Beklagte zu der Auffassung, dass lediglich eine Multiplikation mit einer durchschnittlichen Restaufbewahrungsdauer von 5,5 Jahren zu berücksichtigen sei, und ermäßigte deshalb die Rückstellung auf 5.xxx Euro, somit um 4.xxx Euro. Der Einspruch gegen den aufgrund der Betriebsprüfung erlassenen Einkommensteueränderungsbescheid 2003 vom 15.12.2005 wurde mit Einspruchsbescheid, der am 2.8.2007 zur Post gegeben wurde, abgewiesen. Dieser ist am 6.8.2007 beim Klägervertreter eingegangen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kläger macht geltend, dass eine Rückstellung für die Archivierung der Geschäftsunterlagen i.H.v. 10.xxx Euro zulässig sei. Der BFH habe in seinem Urteil vom 19.8.2002, BStBl II 2003, 131, festgestellt, dass die Rückstellung für 10 Jahre mit den Vollkosten zu bilden sei. Die dafür vorgehaltenen Räumlichkeiten könnten auch nicht anders genutzt werden. Sie würden zudem ausschließlich für die Archivierung der Geschäftsunterlagen genutzt. Es liege ein revolvierendes Verfahren vor, so dass beim Aussortieren eines Vorganges ein neuer Jahrgang im Archiv untergebracht werden müsse. Der Raum sei für 10 Jahre vorzuhalten. Es sei realitätsfremd davon auszugehen, dass einzelne Jahrgänge aussortiert würden und sich deswegen der Raumbedarf reduziere. In der mündlichen Verhandlung wurde vorgetragen, dass nicht der Raumbedarf in der Zukunft zu berücksichtigen sei, sondern lediglich was bis zum Bilanzstichtag passiert sei. Die dadurch verursachten Kosten seien zurückzustellen. Es sei eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen, keine Pauschalierung. Die Unterlagen für 2003 müssten 10 Jahre aufbewahrt werden, deshalb sei die Rückstellung richtig berechnet worden.

Der Kläger beantragt,

...

Der Beklagte beantragt,

...

Er macht geltend, dass nicht sämtliche Unterlagen noch 10 Jahre aufzubewahren seien, sondern jedes Jahr künftig ein Jahrgang auszusortieren sei. Damit ergebe sich eine durchschnittliche restliche Aufbewahrungspflicht für 5,5 Jahre (arithmetisches Mittel von 1 bis 10). Dadurch errechne sich, wie die Aufstellung im Einspruchsbescheid zeige, ein durchschnittlicher Rückstellungsaufwand von 5.xxx Euro zum Bilanzstichtag.

aus den gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klage wurde fristgerecht am 3.9.2007 beim Beklagten angebracht.

1. Die Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist durch den Beklagten richtig berechnet worden.

a. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) sind in der Handelsbilanz für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Dies gilt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) auch für die Steuerbilanz. Es ist vorliegend eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit gegeben, die für einen Zeitraum von 10 Jahren zu bilden ist. Der wesentliche Tatbestand ist die Entstehung der Unterlagen. Die Kosten hängen vom Umfang der im abgelaufenen Geschäftsjahr entstandenen aufzubewahrenden Unterlagen ab. Den künftigen Auswirkungen der Aufbewahrung kommt nur eine untergeordnete Bedeutung zu (Urteil des BFH vom 19.8.2002 - VIII R 30/01, BStBl II 2003, 131, BB 2003, 43). Voraussetzung hierfür ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH eine betriebliche Veranlassung und eine wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit (Urteil des BFH vom 19.10.2005 - XI R 64/04, BStBl II 2006, 371, BB 2006, 543 m. Komm. Moxter, m.w.N.).

Es ist vorliegend unstreitig, dass eine Rückstellung für die Archivierungskosten zu bilden ist. Es ist weiterhin unstreitig, dass dieser der jährliche Mietbetrag von 1.xxx Euro als Vollkosten zugrunde gelegt werden kann.

b. Streitig ist lediglich die richtige Höhe der Rückstellung somit, ob dieser Betrag für 10 Jahre in voller Höhe zu bilden ist, oder ob der Jahresaufwand nur mit 5,5 Jahre als arithmetisches Mittel der Aufbewahrungszeit zu vervielfachen ist.

aa. Die Rückstellung ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 a Buchstabe b EStG als Rückstellung für Sachleistungsverpflichtungen mit den Einzelkosten und den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten. Die Rückstellung ist in Höhe des voraussichtlichen Erfüllungsbetrages zu bilden. Da eine Sachleistungsverpflichtung vorliegt, sind die vollen Einzelkosten anzusetzen, eine Abzinsung kommt jedoch nicht in Betracht (Urteil des BFH vom 19.8.2002 - VIII R 30/01, BStBl II 2003, 131, BB 2003, 43).

Sie ist mit dem Betrag auszuweisen, der bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag wahrscheinlich zur Erfüllung notwendig ist (§§ 253 Abs. 1 S. 2, 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Es gilt das Stichtagsprinzip, so dass die am Bilanzstichtag vorliegenden Verhältnisse maßgeblich sind. Tatsachen, die erst nach dem Bilanzstichtag eintreten, bleiben unberücksichtigt. Lediglich wertaufhellende Umstände können berücksichtigt werden (Urteil des BFH vom 19.10.2005 - XI R 64/04, BStBl II 2006, 371, BB 2006, 543 m. Komm. Moxter,). Am Bilanzstichtag muss bereits eine Belastung bestehen (Kirchhof-Crezelius Kurzkommentar, § 5 EStG, Rn. 129). Die zukünftigen Ausgaben müssen mit bereits realisierten Erträgen in Zusammenhang stehen. Das Entstehen einer künftigen Verbindlichkeit ist nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängig, d.h. der Entstehenstatbestand im Wesentlichen verwirklicht (u.a. Urteil des BFH vom 25.8.1989 - III R 95/87, BStBl II 1989, 893, BB 1989, 2078).

Die Verwaltung ist der Ansicht, dass deshalb nicht die Mietaufwendungen für volle 10 Jahre zu berücksichtigen sind, sondern lediglich für 5,5 Jahre, da jedes Jahr ein Jahrgang auszusortieren ist (u.a. OFD Hannover vom 27.6.2007 - S 2137 - 106 - StO 222/221). In der Rechtsprechung war die Frage bislang noch nicht zu entscheiden (auch nicht im Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 21.8.2007 - 6 K 8269/04 B, EFG 2008, 195). Soweit sich die Literatur mit der Frage der Höhe der Rückstellung beschäftigt, schließt sie sich der Auffassung der Finanzverwaltung an und geht von einer Rückstellung des Jahresbetrags x 5,5 aus (Maus, Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, BBK 2003, 4547 und BBK 2005, 6771; Marx, Rückstellung für die Dokumentationsverpflichtungen nach HGB, IFRS und EStG, DB 2006, 169, 174 fürs arithmetische Mittel).

bb. Der voraussichtliche Erfüllungsbetrag beträgt nach Auffassung des Gerichtes nicht das 10-fache der jährlichen Mietkosten, sondern nur das 5,5-fache.

Hierbei wird berücksichtigt, dass nach Ablauf des Bilanzstichtages jeweils ein Jahrgang auszusortieren ist. Dies bedeutet, dass nicht der gesamte Archivierungsraum in den künftigen Jahren erforderlich ist, sondern sich dieser Bedarf jährlich um 1/10 vermindert. Zum Bilanzstichtag waren Unterlagen 10 Jahre im Archiv aufzubewahren, von denen aber jedes Jahr ein Jahrgang wieder aussortiert werden kann, da die Aufbewahrungsfrist geendet hat. Somit wird am Bilanzstichtag nicht der gesamte Raum für die folgenden 10 Jahre benötigt. Dies ist auch beim Kläger der Fall, der für die Archivierung zwei Räume vorhält. Sofern entsprechend viele Akten durch Zeitablauf aussortiert werden können, könnte einer der Räume z.B. einer anderen Nutzung zugeführt werden. Weiterhin kann nicht berücksichtigt werden, dass nach Ablauf des Bilanzstichtages im Folgejahr ein weiterer zu archivierender Jahrgang an Geschäftsunterlagen entsteht. Die Aufwendungen für nach dem Bilanzstichtag entstandene Verpflichtungen können nach dem zu beachtenden Stichtagsprinzip nicht berücksichtigt werden, da sie wirtschaftlich nicht vor dem einschlägigen Bilanzstichtag veranlasst sind. Eine Veranlassung besteht lediglich durch die Fortführung des Betriebs in den Wirtschaftsjahren, die auf den Bilanzstichtag folgen. Sofern keine anderweitige Nutzung der Räume möglich ist, kann ggf. im jeweiligen Jahr die volle, noch nicht zurückgestellte Miete als Betriebsausgaben abgezogen werden, der Aufwand ist jedoch nicht im Rahmen einer Rückstellung vorzuholen. Es ist somit das arithmetische Mittel zu bilden, das vorliegend 5,5 beträgt, da die Beteiligten in nicht zu beanstandender Art und Weise von einer Aufbewahrungspflicht aller Unterlagen von 10 Jahren ausgehen. Anderweitige Anhaltspunkte hierfür bestehen nach dem dargelegten Sachverhalt nicht.

2.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wurde zugelassen, da die Frage der Berechnung der Rückstellung grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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