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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
07.02.2013
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG Düsseldorf: Aktivierung eines originären Firmenwerts bei Umwandlung einer GmbH in eine KG

FG Düsseldorf, Urteil vom 3.12.2012 - 6 K 1883/10 F, Rev. eingelegt (Az. BFH I R 1/13)

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2013-366-2

unter www.betriebs-berater.de

LEITSÄTZE (DES KOMMENTATORS)

1. § 3 S. 1 UmwStG 1995 beschränkt den Ansatz von Wirtschaftsgütern in der steuerlichen Schlussbilanz nicht auf die nach den steuerlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung auszuweisenden Wirtschaftsgüter, sondern bezieht sich auf alle von der übertragenden Körperschaft übernommenen Wirtschaftsgüter.

2. Im Rahmen des Wahlrechts des § 3 Abs. 1 UmwStG 1995 gilt das Aktivierungsverbot für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nicht.

§ 3 UmwStG 1995

Sachverhalt

Streitig ist, ob § 3 UmwStG 1995 die Aktivierung eines originären Firmenwerts in der Übertragungsschlussbilanz bei der Umwandlung einer GmbH in eine KG ermöglicht.

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der „H-KG" (im Folgenden KG), die ihrerseits wiederum alleinige Anteilseignerin der „F-GmbH" (im Folgenden: GmbH) war. Wirtschaftsjahr der KG und der GmbH waren das Kalenderjahr.

Mit notariellem Vertrag vom 29.8.2001 wurde die GmbH im Rahmen einer Verschmelzung durch Aufnahme nach § 2 Nr. 1 UmwG ohne Gewährung von neuen Gesellschaftsrechten auf die KG verschmolzen. Ausweislich des Verschmelzungsvertrages übernahm die KG das Vermögen der GmbH im Innenverhältnis mit Wirkung vom 1.1.2001 0:00 Uhr, allerdings sollte der Verschmelzung die Schlussbilanz der GmbH zum 31.12.2000 zugrunde liegen. Die Verschmelzung sollte handelsrechtlich unter Fortführung der Buchwerte der GmbH erfolgen.

In ihrer Körperschaftsteuererklärung für 2000 erklärte die GmbH eine Korrektur nach § 60 Abs. 2 S. 1 EStDV zur Anpassung der Handelsbilanz an die steuerlich maßgebenden Werteinsätze i. H. von 2 082 711,00 DM. Damit erfasste die GmbH den Ansatz eines Geschäfts- und Firmenwertes zum Zwischenwert. Eine entsprechende steuerliche Schlussbilanz wurde erstellt (vgl. Bl. 61 der FG-Akte). Durch Körperschaftsteuerbescheid für 2000 und Feststellung gemäß § 47 Abs. 2 KStG vom 25.11.2002 setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer auf null Euro fest und stellte das Einkommen gemäß § 47 Abs. 2 KStG auf 1 908 225,00 DM fest. Durch Bescheid auf den 31.12.2000 vom 25.11.2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftssteuer wurde der Verlust auf 450 051,00 DM festgesetzt, dabei wurde ein Verlustabzug in 2000 i. H. von ./. 1 908 225,00 DM berücksichtigt.

Bei der KG als Rechtsnachfolgerin der GmbH wurde für das Jahr 2000 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Diese Betriebsprüfung kam u. a. zu dem Ergebnis, dass die GmbH in 2001 noch für eine juristische Sekunde existiert habe und deshalb der Übertragungsgewinn/-verlust im Veranlagungszeitraum 2001 zu erfassen sei. Außerdem sei der Ansatz des selbst geschaffenen Wirtschaftsgutes „Firmenwert" i. H. von 2 082 711,00 DM gemäß § 5 Abs. 2 EStG nicht zulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Betriebsprüfungsberichtes wird auf Bl. 25 der FG-Akte Bezug genommen.

Der Beklagte erließ daraufhin am 26.9.2006 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2000 über Körperschaftsteuer und Feststellung gemäß § 47 Abs. 2 KStG, mit dem die Körperschaftsteuer auf null Euro und das Einkommen gemäß 47 Abs. 2 KStG auf ./. 174 486,00 DM festgestellt wurde. Durch Bescheid auf den 31.12.2000 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer vom 26.9.2006 wurde der verbleibende Verlust auf 2 532 762,00 DM festgestellt. Die dagegen nach Durchführung eines Einspruchsverfahrens erhobene Klage wurde durch Urteil des Senats vom 9.3.2010 (Az.: 6 K 3322/07 F) als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass der Beklagte eine Rückwirkung der Verschmelzung auf den 31.12.2000 zu Recht abgelehnt habe.

Die Klägerin beantragte dann im Oktober 2007 einen Körperschaftsteuerbescheid für 2001 und einen Bescheid auf den 31.12.2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zu erlassen, die unter Berücksichtigung des in der Steuererklärung 2000 dargelegten Zwischenwertansatzes eines selbst geschaffenen Firmenwertes i. H. von 2 082 711,00 DM die Besteuerungsgrundlagen festsetzten bzw. feststellen.

Durch Körperschaftsteuerbescheid für 2001 vom 7.1.2008 wurde die Körperschaftsteuer der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf null Euro festgesetzt. Durch Bescheid auf den 31.12.2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer vom gleichen Tag wurde der Verlust auf 2 532 792,00 DM (1 294 981,00 Euro) festgestellt. Durch Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG und Bescheid zum 31.12.2001 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 38 Abs. 1 KStG wurde das verwendbare Eigenkapital nach § 36 Abs. 7 KStG wie folgt festgestellt: EK 40 auf ./. 7 487,00 DM, EK 02 auf ./. 2 532 762,00 DM und EK 04 auf 609 919,00 DM. Das steuerliche Einlagenkonto wurde auf 609 919,00 DM festgestellt.

Gegen diese Bescheide wurden von der Klägerin fristgerechte Einsprüche eingelegt, die durch Einspruchsentscheidung vom 29.4.2010 als unbegründet zurückgewiesen wurden. Zur Begründung seiner Entscheidung beruft sich der Beklagte darauf, dass § 3 UmwStG 1995 kein Ansatz-, sondern ein Bewertungswahlrecht normiere. Selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter dürften daher gemäß § 5 Abs. 2 EStG in der steuerlichen Übertragungsbilanz nicht angesetzt werden. Eine anderweitige Beurteilung ergebe sich auch nicht aus den Ausführungen des BFH im Urteil vom 19.10.2002, denn diesem Urteil liege ein anderer Sachverhalt zugrunde, da dort nicht ein selbstgeschaffener Firmenwert, sondern ein Auftragsbestand aktiviert worden sei. Der BFH habe im Urteil vom 16.5.2002 - III R 45/98, BStBl. II 2003, 10 entschieden, dass nur ein derivativer Anteil am Firmenwert in der Schlussbilanz (steuerliche Übertragungsbilanz) angesetzt werden dürfe. Nach den Gewinnermittlungsvorschriften sei für den Firmenwert als immateriellem Wirtschaftsgut ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn er entgeltlich erworben worden sei.

Die Klägerin hat am 2.6.2010 Klage erhoben.

Zur Begründung der Klage beruft sich die Klägerin darauf, dass sie ein Rechtsschutzbedürfnis habe, weil die Bilanz der GmbH für die Bilanzierung bei der KG nach § 4 Abs. 1 UmwStG 1995 bindend gewesen sei. Daher erhöhe die Berücksichtigung eines zum Zwischenwert angesetzten Geschäfts- bzw. Firmenwerts im Zuge der Verschmelzung der GmbH auf die KG das steuerliche Abschreibungsvolumen der KG für die folgenden Jahre.

Ihre Auffassung, dass die GmbH gemäß § 3 Abs. 1 UmwStG 1995 den selbst geschaffenen Firmenwert aktivieren durfte, begründet die Klägerin u. a. damit, dass der Wortlaut des § 3 Abs. 1 UmwStG 1995 nicht erkennen lasse, dass irgendwelche Wirtschaftsgüter von der Aufstockungsmöglichkeit ausgenommen sein sollten. Bei dem Geschäfts- oder Firmenwert handele es sich unstreitig um ein Wirtschaftsgut. Durch Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister sei das gesamte Vermögen der GmbH gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Umwandlungsgesetz (UmwG) auf die KG übergegangen. Zum Vermögen der GmbH habe auch deren Geschäfts- oder Firmenwert i. S. der §§ 255 Abs. 4 HGB sowie § 266 Abs. 2 HGB gezählt. Das in § 3 UmwStG 1995 eingeräumte Wahlrecht werde nicht dadurch eingeschränkt, dass § 17 Abs. 2 S. 2 UmwG kein entsprechendes handelsrechtliches Wahlrecht vorsehe. Denn das in § 3 UmwStG 1995 normierte steuerrechtliche Wahlrecht werde nicht durch den Grundsatz der Maßgeblichkeit des Handelsrechts beschränkt (vgl. FG Hamburg vom 29.3.2007 - 1 K 155/06; BFH-Urteil vom 19.10.2005 - I R 38/04, BStBl. II 2006, 568 zu § 20 UmwStG i. V. mit § 25 UmwStG; FG München, Urteil vom 23.3.2004 - 7 K 4036/01, EFG 2004, 1334). Es handele sich bei § 3 UmwStG 1995 um ein autonomes steuerliches Ansatz- und Bewertungswahlrecht.

§ 5 Abs. 2 EStG, der regele, dass für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein Aktivposten nur anzusetzen sei, wenn diese entgeltlich erworben worden seien, sei auf die Verschmelzung der GmbH auf die KG nicht anwendbar. Eine Beschränkung des grundsätzlichen Ansatz- und Bewertungswahlrechts des § 3 UmwStG durch § 5 Abs. 2 EStG hätte einen diesbezüglichen Vorbehalt erfordert, wie ihn die frühere Regelung des § 3 UmwStG 1977 beinhaltet habe. Da § 3 UmwStG 1995 die Einschränkung des § 3 UmwStG 1977 nicht mehr aufweise, sei § 3 UmwStG 1995 lex spezialis zu § 5 Abs. 2 EStG und gehe dessen Anwendung vor. Dies entspreche auch der herrschenden Meinung in der Literatur (Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 3 UmwStG Rz. 41; Haritz/Benkert, UmwStG, § 3 Rz. 101, Widmann/Mayer, UmwStG, § 3 Rz. 307; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, 3. Aufl., UmwG und UmwStG, § 3 UmwStG Rz. 85).

Entgegen der Ansicht des Beklagten ergebe sich aus dem BFH-Urteil vom 16.5.2002 - III R 45/98, BStBl. II 2003, 10, nichts anderes. Die Entscheidung beziehe sich nicht auf § 3 UmwStG 1995, sondern auf § 3 UmwStG 1977, der wie oben bereits dargelegt, einen anderen Regelungsinhalt gehabt habe.

Ferner weist die Klägerin darauf hin, dass die Höhe des Zwischenwertes zwischen den Beteiligten unstreitig sei.

Die Klägerin beantragt,

1.) den Bescheid auf den 31.12.2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer vom 7.1.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.4.2010 insoweit zu ändern, wie dies bei Berücksichtigung eines Geschäfts- und Firmenwertes i. H. von 2 082 711,00 DM geboten ist,

2.) den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG und den Bescheid zum 31.12.2001 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1, 38 Abs. 1 KStG vom 7.1.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.4.2010 den steuerlichen Konsequenzen aus dem Antrag zu 1.) anzupassen,

3.) hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung seines Antrags beruft er sich auf die Einspruchsentscheidung.

Mit der Aufteilung der stillen Reserven seitens der Klägerin allein auf den Firmenwert ist der Beklagte einverstanden.

Aus den Gründen

  • Zulässigkeit und Begründetheit der Klage

Die Klage ist zulässig und begründet.

  • Zulässigkeit

Die Klage richtet sich gegen Bescheide der GmbH. Sie konnte von der Klägerin zwar nicht als Rechtsnachfolgerin der GmbH aber als Rechtsnachfolgerin der KG erhoben werden, da die KG als aufnehmende Gesellschaft gemäß § 4 Abs. 1 UmwStG die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz der GmbH als übertragender Körperschaft enthaltenen Wert zu bilanzieren hat. In der Rechtsprechung des BFH ist es anerkannt, dass im Wege der so genannten Drittanfechtung Steuerbescheide von demjenigen angefochten werden können, für den sie über eine Regelung wie § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG 1995 oder eine vergleichbare Regelung eine materielle Bindungswirkung entfalten (BFH-Urteil vom 8.6.2011 - I R 79/10, BFHE 234, 101, BStBl. II 2012, 421). § 4 Abs. 1 UmwStG 1995 ist eine dem § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG 1995 vergleichbare Regelung, so dass der KG ein eigenes Anfechtungsrecht gegen die Steuerfestsetzungen gegenüber der GmbH zustand, das von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der KG geltend gemacht werden kann.

Zwar ist die Klage als Klage der Gesamtrechtsnachfolgerin der GmbH und nicht als Gesamtrechtsnachfolgerin der KG formuliert, dies berührt aber nicht die Zulässigkeit der Klage. Denn die Klageschrift bezeichnet die Klägerin i. S. d. § 65 Abs. 1 S. 1 FGO zutreffend und vollständig. Die Bezeichnung der Klägerin ermöglicht ihre zweifelsfreie Identifizierung und durch die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift ist auch die Möglichkeit gegeben, das persönliche Erscheinen eines Vertreters der Klägerin anzuordnen. Damit sind alle Anforderungen erfüllt, die das Gesetz an die Bezeichnung der Klägerin stellt (vgl. BFH-Urteil vom 28.1.1997 - VII R 33/96, BFH/NV 1997, 585: Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Rz. 39 m. w. N.). Die Angabe auf welcher Rechtsnachfolge die Klagebefugnis der Klägerin beruht, ist nach Auffassung des Senates nur eine Rechtsansicht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, deren Richtigkeit ohne Bedeutung ist, wenn - wie im Streitfall - eine Klagebefugnis der Klägerin besteht.

Im Übrigen wäre die Klage auch zulässig, wenn man den Zusatz mit der Rechtsnachfolge - entgegen der Auffassung des Senates - als Teil der Klägerbezeichnung ansehen würde. Denn dann wäre die Klageschrift so auszulegen, dass für die Bestimmung des in der Klageschrift genannten Klägers alle dem Finanzgericht und dem FA bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen wären. Aus der Klageschrift ergibt sich der gesamte Sachverhalt, der die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der KG berechtigt, die Klage zu erheben. Nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung ist dann darauf abzustellen, welcher Sinn der von dem klagenden Beteiligten in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (vgl. BFH-Urteile vom 14.11.1986 - III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl. II 1987, 178, BB 1987, 398; vom 23.4.2009 - IV R 24/08, BFH/NV 2009, 1427; BFH-Beschluss vom 8.11.2005 - VIII B 3/96, BFH/NV 2006, 570).

Wenn man auch zu dieser Auslegung nicht bereit wäre, müsste man prüfen, ob nicht bis zur Veröffentlichung des Urteils des BFH vom 8.6.2011 (I R 79/10, BFHE 234, 101, BStBl. II 2012, 421, BB 2012, 879 m. BB-Komm. Frotscher) ein eigenes Feststellungsinteresse der GmbH bestand (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 7.12.2010 - 13 K 4432/08 AO, EFG 2011, 890, BB-Entscheidungsreport Gratz, BB 2011, 370; aufgehoben durch BFH-Urteil vom 25.4.2012 - I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649).

  • Begründetheit

Die Klage ist begründet.

  • GmbH durfte in ihrer steuerlichen Schlussbilanz zum 31.12.2000 den selbst geschaffenen Firmenwert aktivieren

Der Beklagte ist zu Unrecht der Auffassung, dass die GmbH in ihrer steuerlichen Schlussbilanz zum 31.12.2000 den selbst geschaffenen Firmenwert nicht aktivieren durfte.

  • Ansatz von Wirtschaftsgütern in der steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert oder einem höheren Wert

Gemäß § 14 UmwStG 1995 i. V. mit § 3 UmwStG 1995 können, wenn das Vermögen der übertragenden Körperschaft Betriebsvermögen einer übernehmenden Personengesellschaft wird, die Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert oder einem höheren Wert angesetzt werden. Gemäß § 3 S. 2 UmwStG 1995 ist der Ansatz mit dem Buchwert auch zulässig, wenn in der Handelsbilanz das eingebrachte Betriebsvermögen nach handelsrechtlichen Vorschriften mit einem höheren Wert angesetzt werden muss. Die Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter dürfen gemäß § 3 S. 4 UmwStG 1995 nicht überschritten werden.

  • § 3 S. 1 UmwStG 1995 bezieht sich auf alle von der übertragenden Körperschaft übernommenen Wirtschaftsgüter

Entgegen der Ansicht des Beklagten beschränkt § 3 S. 1 UmwStG 1995 nach Auffassung des Senates den Ansatz von Wirtschaftsgütern in der steuerlichen Schlussbilanz nicht auf die nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung auszuweisenden Wirtschaftsgüter, sondern bezieht sich auf alle von der übertragenden Körperschaft übernommenen Wirtschaftsgüter.

  • Keine Einschränkung durch den Grundsatz der Maßgeblichkeit

Die Ausübung des umwandlungssteuerrechtlichen Wahlrechts gemäß § 3 S. 1 UmwStG 1995 ist nicht durch den in § 5 Abs. 1 S. 2 EStG geregelten Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz eingeschränkt. Denn dieser Grundsatz gilt im Verhältnis zu § 3 S. 1 und § 11 Abs. 1 S. 2 UmwStG 1995 nicht. Da der Gesetzgeber gleichzeitig die steuerlichen Wahlrechte in § 3 S. 1 und § 11 Abs. 1 S. 2 UmwStG 1995 und ein Verbot der Aufdeckung der stillen Reserven bis auf den Ausnahmefall der Wertaufholung in der Handelsbilanz durch § 17 Abs. 2 S. 2 UmwG 1995 beschlossen hat, lässt dies nur den Schluss zu, dass ein steuerlicher Ansatz von Wirtschaftsgütern oberhalb der steuerlichen Buchwerte von handelsrechtlichen Vorgaben unbeeinflusst sein soll (BFH-Urteil vom 5.6.2007 - I R 97/06, BFHE 218, 226, BStBl. II 2008, 650, BB 2007, 2228; FG Münster, Urteil vom 6.10.2011 - 9 K 1308/10 K, Az. des BFH I R 5/12, EFG 2012, 990, BB-Entscheidungsreport von Glasenapp, BB 2012, 378).

  • Auch das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, gilt nicht

Entgegen der Ansicht des Beklagten gilt im Rahmen des Wahlrechts des § 3 S. 1 UmwStG 1995 auch nicht das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden.

Zwar lautet die Überschrift des § 3 UmwStG 1995 „Wertansätze in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft", daraus kann man jedoch nach Ansicht des Senates nicht schließen, dass sich § 3 UmwStG 1995 nur auf den Wertansatz solcher Wirtschaftsgüter bezieht, die nach steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung auszuweisen sind. Denn auch die Überschrift des § 3 UmwStG 2006, der ausdrücklich den Ansatz nicht entgeltlich erworbener und selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter zulässt, lautet „Wertansätze in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft". Außerdem heißt es in § 3 S. 1 UmwStG 1995 nur noch, dass die Wirtschaftsgüter (der übertragenden Körperschaft) in der steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert oder einem höheren Wert angesetzt werden können, während es in § 3 UmwStG 1977 hieß, dass die nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung auszuweisenden Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert anzusetzen seien. Nur der Begriff des Buchwertes ist in § 3 S. 3 UmwStG 1995 durch Bezugnahme auf die steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung definiert. Die Formulierung „angesetzt werden" bezieht sich ohne Einschränkung auf alle Wirtschaftsgüter der übertragenden Körperschaft. § 3 S. 1 UmwStG 1995 nimmt nicht nur nicht mehr auf die steuerlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung Bezug, sondern verknüpft die Begriffe „Vermögen der übertragenden Körperschaft" und „Wirtschaftsgüter" ohne Einschränkung. Der Wortlaut des § 3 S. 1 UmwStG 1995 spricht daher nach Auffassung des Senates für ein Ansatzwahlrecht (vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwG/UmwStG, 4. Aufl., § 3 UmwStG Rz. 38; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 3 UmwStG, Rz. 307; Brinkhaus in Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl., Rz. 99 ff.; FG Münster, Urteil vom 6.10.2011 - 9 K 1308/10 K, Az. des BFH I R 5/12, EFG 2012, 990, BB-Entscheidungsreport von Glasenapp, BB 2012, 378; a. A. Thiel, DB 1995, 1196, 1200; BMF-Schreiben vom 25.3.1998 VV DEU BMF 1998-03-25 IV B 7-S 1978-21/98, BStBl. I 1998, 268, Tz. 03.07). Wenn § 3 S. 1 UmwStG 1995 nur Wirtschaftsgüter hätte erfassen sollen, die nach steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung in der Steuerbilanz auszuweisen sind, hätte es im Übrigen genügt, zu regeln, dass diese auch mit einem höheren als dem bilanziellen Wert angesetzt werden können. Die Regelung des Ansatzes von Wirtschaftsgütern mit dem Buchwert macht nur Sinn, wenn sie sich auf Wirtschaftsgüter bezieht, die nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen sind (Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 3 UmwStG, Rz. 307).

  • Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nicht, dass nur ein Bewertungswahlrecht geregelt werden sollte

Aus der Begründung des Gesetzesentwurfes ergibt u. a., dass § 3 UmwStG 1995 im Gegensatz zu § 3 UmwStG 1977 die Fortführung der Buchwerte in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft zulasse. In Anbindung an die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes habe die übertragende Körperschaft das Wahlrecht, die Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem Teilwert anzusetzen (vgl. BT-Drs. 12/6885, 16). Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich damit nicht, dass nur ein Bewertungswahlrecht geregelt werden sollte (FG Münster, Urteil vom 6.10.2011 - 9 K 1308/10 K, Az. des BFH I R 5/12, EFG 2012, 990, BB-Entscheidungsreport von Glasenapp, BB 2012, 378).

  • Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus BFHE 199, 254

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 16.5.2002 - III R 45/98, BFHE 199, 254, BStBl. II 2003, 10, BB 2002, 2494, da sich dieses Urteil auf § 3 S. 1 UmwStG 1977 bezieht, in dem ausdrücklich geregelt war, dass in der Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft nur die nach steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung auszuweisenden Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert anzusetzen sind.

  • Rechtsnatur der Verschmelzung spricht nicht gegen die Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens

Die Rechtsnatur der Verschmelzung als einer Vereinigung des Vermögens mehrerer Rechtsträger durch Übertragung des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger bei liquidationsloser Vollbeendigung des übertragenden Rechtsträgers, wobei die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers durch die Gewährung von Anteilen an dem übernehmenden Rechtsträger abgefunden werden (Fronhöfer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 2 UmwG Rz. 21 m. w. N.), spricht nicht gegen die Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Dies ergibt sich schon daraus, dass in § 3 S. 1 UmwStG 2006 ausdrücklich geregelt ist, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter, einschließlich nicht entgeltlich erworbener und selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter, in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft anzusetzen sind.

  • Revision und Kosteentscheidung

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Die Übertragung der Berechnung der festzustellenden Beträge auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 S. 2 FGO.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

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