EU-Kommission: Vorschläge zur Reform der Abschlussprüfung kapitalmarktorientierter Unternehmen
Die Finanzkrise des Jahres 2008 - so die EU-Kommission - hat die Schwächen des europäischen
Systems der Abschlussprüfungen deutlich zu Tage treten lassen. Einige große Finanzinstitute erhielten bei Abschlussprüfungen unmittelbar vor und während der Krise uneingeschränkte Bestätigungsvermerke, und das trotz der erheblichen immanenten Schwächen hinsichtlich ihrer finanziellen Solidität. Auch in aktuellen Kontrollberichten der nationalen Aufsichtsbehörden werde die Qualität der Abschlussprüfungen kritisiert.
Darüber hinaus würden auch Bedenken hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte sowie der Gefahr der Anhäufung von Systemrisiken geäußert, da der Markt de facto von vier großen Gesellschaften beherrscht werde, nämlich Deloitte, Ernst & Young, KPMG und PricewaterhouseCoopers („die großen Vier").
Dies soll sich laut EU-Kommission mit den am 30.11.2011 verabschiedeten Vorschlägen für die
Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse wie Banken, Versicherungsunternehmen und börsennotierten Gesellschaften ändern.
Sie sollen die Unabhängigkeit der Prüfer stärken und den Markt für Abschlussprüfungen
dynamischer machen. Kernpunkte sind:
Obligatorische Rotation der Prüfungsgesellschaften:
Die Prüfungsgesellschaften werden (mit einigen Ausnahmen) nach einer Beschäftigungszeit
von maximal sechs Jahren rotieren müssen. Danach soll eine Karenzzeit von vier Jahren gelten,
ehe die Prüfungsgesellschaft wieder beim gleichen Mandanten tätig werden darf. Der Zeitraum,
nach dessen Ablauf ein Wechsel erfolgen muss, kann auf neun Jahre erhöht werden, wenn
gemeinsame Abschlussprüfungen durchgeführt werden, d. h. wenn das geprüfte Unternehmen
für seine Abschlussprüfung mehr als eine Prüfungsgesellschaft bestellt, um die Qualität der
Abschlussprüfung durch Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips" potenziell zu erhöhen. Gemeinsame Abschlussprüfungen werden nicht verbindlich vorgeschrieben, damit aber gefördert.
Obligatorische Ausschreibung:
Unternehmen von öffentlichem Interesse sollen bei der Auswahl eines neuen Abschlussprüfers zu einem offenen und transparenten Ausschreibungsverfahren verpflichtet
werden. Der Prüfungsausschuss (des geprüften Unternehmens) sollte eng in das Auswahlverfahren einbezogen sein.
Prüfungsfremde Leistungen:
Prüfungsgesellschaften dürfen für ihre Mandanten keine prüfungsfremden Leistungen erbringen. Zudem müssen große Prüfungsgesellschaften ihre Prüfungstätigkeiten von den prüfungsfremden Leistungen trennen, umjede Gefahr von Interessenkonflikten auszuschließen.
Europäische Beaufsichtigung des Prüfungsgewerbes:
Angesichts des globalen Umfelds von Abschlussprüfungen sollte bei der Beaufsichtigung
von Prüfungsnetzen sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene Koordinierung
und Zusammenarbeit gewährleistet sein. Deshalb schlägt die Kommission eine Koordinierung
der Prüferaufsicht im Rahmen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtbehörde (ESMA)
vor.
Ausübung des Berufs des Abschlussprüfers in ganz
Europa:
Die Kommission plant die Schaffung eines Binnenmarkts für Abschlussprüfungen mittels
Einführung eines Europäischen Passes für Prüfungsgesellschaften und schlägt deshalb vor,
dass Prüfungsgesellschaften ihre Leistungen in der gesamten EU anbieten dürfen und sämtliche
Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften bei ihren Abschlussprüfungen die internationalen
Prüfungsstandards einhalten müssen.
Weniger Bürokratie für kleinere Prüfungsgesellschaften:
KMU sollen die Standards dem Vorschlag zufolge nach Maßgabe ihrer Größe anwenden
können.
Die Vorschläge sind unter ec.europa.eu/internal_market/auditing/reform/index_de.htm abrufbar.
(ec.europa.eu)
Stellungnahmen dazu:
BDO: http://www.bdo.de/fileadmin/user_upload/pdf_rtf_presse/pm_2011/Pressemitteilung_BDO_zu_EU_Vorschl%C3%A4ge_30112011.pdf
EGIAN:http://www.pkf-fasselt.de/media/public/db/media/1/2011/01/410/pmegian_11-11-30_rz.pdf
IDW:http://www.idw.de/idw/portal/d613828
WPK: http://www.wpk.de/aktuell/nachricht_30-11-2011.asp