BB vor Ort - Pressekonferenz von Deutscher Bundesbank und BaFin: Ergebnisse des EU-weiten Banken-Stresstests für Deutschland
Die Staats- und Regierungschefs der EU haben am 17.6.2010 beschlossen, Ergebnisse der vom Europäischen Ausschuss der Bankenaufsichtsbehörden (CEBS) in Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsehern und der EZB durchgeführten EU-weiten Stresstests zu veröffentlichen. Auf diese Weise soll Transparenz über die Widerstandsfähigkeit des europäischen Bankensystems für den Fall eines konjunkturellen Abschwungs und einer negativen Entwicklung der Finanzmärkte (insbesondere eines Wertverlusts europäischer Staatsanleihen) geschaffen werden.
Teilnehmer und zeitlicher Ablauf
Der Kreis der teilnehmenden Länder und Banken wurde gegenüber dem im vergangenen Jahr erstmals durchgeführten Stresstest auf CEBS-Ebene merklich erweitert. Insgesamt nahmen an diesem EU-weiten Stresstest 91 Kreditinstitute aus 20 Mitgliedstaaten teil, die damit gemessen an der Bilanzsumme 65% des EU-Bankensystems repräsentieren (CEBS-Pressemitteilung vom 7.7.2010). Mit den 14 teilnehmenden Banken aus Deutschland sind mehr als 60% der Bilanzsumme des deutschen Bankensystems – inklusive der UniCredit Bank AG, die in den konsolidierten Stresstest der italienischen Mutter eingeht – abgedeckt.
Der Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, Prof. Dr. Franz-Christoph Zeitler, betonte, die Tatsache, dass die beteiligten 20 Staaten dieses Projekt innerhalb des angesetzten Zeitkorsetts von nur fünf Wochen zum Abschluss gebracht hätten, zeige die Kooperations- und Handlungsfähigkeit in der EU.
Szenarien
Bei der Durchführung des EU-Stresstests wurde zwischen einem Benchmark-Szenario und zwei Stress-Szenarien unterschieden.
In den EU-Stress-Szenarien wird u. a. für die Jahre 2010 und 2011 eine Abkühlung der Konjunktur für die Eurozone um insgesamt 3,0 Prozentpunkte und für Deutschland sogar um 3,3 Prozentpunkte unterstellt (gemessen als Abweichung zum Benchmark-Szenario). Diese restriktive Annahme der EU-Stresstests – so die Pressemitteilung von BaFin und Bundesbank – wird ferner dadurch unterstrichen, dass die Stress-Szenarien für die Eurozone insgesamt in beiden Jahren und für Deutschland im Jahr 2011 negative Wachstumsraten und damit den aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlichen Fall eines „double dip“ unterstellen.
Im ersten Stress-Szenario wird darüber hinaus ein merklicher Anstieg der Zinsstrukturkurve bei gleichzeitiger Verflachung angenommen. Für Verbriefungen wurde eine deutliche Verschlechterung von vier Kreditqualitätsstufen, kumuliert über zwei Jahre, simuliert. In einem ergänzenden Stress-Szenario wird zusätzlich ein Anstieg der Risikoprämien für europäische Staatsanleihen unterstellt.
Detailinformationen zu den Szenarien sind unter www.c-ebs.org und www.ecb.int abrufbar.
Die Annahmen für den makroökonomischen Schock in den EU-Stress-Szenarien sind insgesamt schärfer als bei den im ersten Halbjahr 2009 in den USA durchgeführten Stresstests.
Bei der Auswertung der Ergebnisse der Stresstests sei jedoch zu berücksichtigen, so der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Jochen Sanio, dass die Wirklichkeit immer sehr viel komplexer sei als der Ablauf eines Stresstests. Stresstests stellten lediglich hypothetische Analysen („was wäre wenn“) negativer Entwicklungen dar und dürften nicht mit Prognosen für künftigen Kapitalbedarf verwechselt werden. Auch die Erwartung der Märkte, dass die Banken – differenziert nach ihrer Geschäftsstruktur – höhere Kernkapitalquoten ausweisen als regulatorisch gefordert, beziehe sich auf die tatsächlich gegebene Kernkapitalausstattung und nicht auf rechnerische Kapitalquoten nach den Stresstests.
Sanio wies darüber hinaus darauf hin, dass aus Aufsichtsperspektive seit Jahren bei jeder der beteiligten Banken eine Betrachtung der individuellen Stressfaktoren erfolgt. Die Banken machten selbst Stresstests, die die BaFin dann prüfe. Insofern seien die Urteile der BaFin tiefer fundiert als die Ergebnisse des EU-weiten Stresstests. Auf die Nachfrage, ob er nach den Ergebnissen dieses Stresstests beruhigter sei, antwortete Sanio denn auch: „Ich war schon vorher beruhigt, dies war eine Operation zur Beruhigung der Märkte“.
Ergebnisse
Der Test gilt als bestanden, wenn die Kernkapitalquote eines Instituts auch im strengsten Stress-Szenario nicht unter 6% fällt. 13 der 14 deutschen Banken weisen auch in diesem Extremszenario eine Kernkapitalquote von über 6% aus; neun der am Stresstest beteiligten Banken weisen in diesem besonders strengen Stress-Szenario eine Kernkapitalquote von über 8% auf und liegen damit mehr als doppelt so hoch wie das regulatorische Minimum.
Die durchschnittliche Kernkapitalquote der 14 teilnehmenden Banken beläuft sich nach dem ersten Stress-Szenario zum Jahresende 2011 auf 8,9%, unter zusätzlicher Einbeziehung des Risikoprämienanstiegs bei europäischen Staatsanleihen auf 8,5%. Gegenüber der Ausgangssituation Ende 2009 beträgt der Rückgang 1,6 bzw. 2,0 Prozentpunkte. Die Einzelergebnisse sind abrufbar unter www.bafin.de.
Lediglich eine Bank, dieHypo Real Estate HoldingAG,weist imergänzenden Stress-Szenario in einem von zwei betrachteten Jahren eine Kernkapitalquote von unter 6% aus. Auch hier gilt nach Aussage von Bundesbank und BaFin, dass ein unmittelbarer Kapitalbedarf nur dann entstünde, wenn sich das hypothetische Stress-Szenario materialisieren würde; die regulatorische Mindestkernkapitalquote werde auch im schärfsten Stressszenario eingehalten. Die Hypo Real Estate Holding AG befindet sich – so Sanio – in einem tief greifenden Umstrukturierungsprozess, der von ihrem Alleineigentümer, dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin), eng begleitet wird. Mit der bereits erfolgten Errichtung einer Abwicklungsanstalt nach § 8a Finanzmarktstabilisierungsgesetz, die im Rahmen der Stresstestanalyse noch nicht berücksichtigtwerden konnte und auf die in Kürze Risikopositionen in Höhe von rund 210 Mrd. Euro übertragen werden sollen, werde ein wesentlicher Schritt zu einer zukunftsfähigen Bank unternommen. Auf die Frage, ob weitere derartige Stresstests geplant seien, meinte Zeitler, diese Maßnahme sei für außerordentliche Situationen gedacht und sollte nicht dadurch abgestumpft werden, dass man sie zum Dauerinstrument mache.
(PK und PM Deutsche Bundesbank/BaFin vom 23.7.2010)
-->Zur Bekanntgabe der Ergebnisse vgl. auch die Presseerklärungen der CEBS (hier), der Bundesregierung (hier), des Bundesfinanzministeriums (hier) und des Bundesverbands deutscher Banken (hier).