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BB-Standpunkte
08.07.2016
BB-Standpunkte
Christian Schoppe: Zunehmende Doppelbesteuerung durch das Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)-Projekt

Unter dem Titel der Steuergerechtigkeit wurde vor einigen Jahren das BEPS-Projekt aufgelegt. Die Maßnahmen richten sich vor allem gegen schädlichen Steuerwettbewerb der Staaten und aggressive Steuerplanungen international tätiger Konzerne. Auslöser war vornehmlich eine industriepolitisch geförderte Steuervermeidungspolitik von US-Konzernen. Die verabschiedeten Maßnahmen treffen nun im Wesentlichen nicht wie geplant die US-Konzerne, sondern mit Billigung der Politik die deutsche Wirtschaft. So droht neben der Veröffentlichung wettbewerbsrelevanter Daten auch Doppelbesteuerung durch eine geänderte und heterogene Auslegung des Fremdvergleichs.

Denn zunehmend stellt sich heraus, dass die Grundannahme einer systematischen Gewinnverlagerung in das Ausland durch deutsche Konzerne und Familienunternehmen fehl geht: Zwar haben sich auch deutsche Unternehmen bemüht, ihre Steuerquote wettbewerbsfähig zu halten; doch in erster Linie wurden Verrechnungspreise betriebswirtschaftlich gesetzt, mit dem zumeist schlichten Zielsystem, möglichst hohe Preise im globalen Markt durchzusetzen und Geldmittel auf deutschen Bankkonten zu sichern. So fallen die operativen Konzerngewinne erst einmal in Deutschland an.

Nun wird klar, dass die verschiedenen BEPS-Maßnahmen Begehrlichkeiten im Ausland wecken und damit zu einer Verlagerung des Steuersubstrats von Deutschland in das Ausland führen können. Dies aber vielleicht nicht auf Kosten des Staates, sondern auf Kosten der betroffenen Unternehmen, da aktuelle Tendenzen darauf deuten, dass sich Deutschland vom Fremdvergleichsgrundsatz, wie er in anderen Staaten verstanden wird, abkoppeln will.

Die Verteilung der Lasten von BEPS erfordert eine politische Debatte.

Das BMF hat als Verordnungsgeber großen Einfluss auf die nationale Umsetzung der BEPS-Maßnahmen, weil die im Bereich der Verrechnungspreise vorherrschenden Rechtsverordnungen lediglich die Zustimmung des Bundesrates erfordern und nicht den vollen parlamentarischen Gesetzgebungsprozess durchlaufen müssen. Damit stehen die Aussichten gut, Verwaltungsmeinung in das nationale Recht einfließen zu lassen.

Überschießende Gesetzgebung unterliegt derzeit noch einer besonderen Kontrolle, da Doppelbesteuerungsabkommen mit ihrem Fremdvergleichsgrundsatz regelmäßig unmittelbar anwendbares Recht sind und das nationale Besteuerungsrecht einschränken. Nun drängt das BMF darauf festzulegen, dass der gesetzlich normierte „deutsche“ Fremdvergleichsmaßstab dem „internationalen“ Maßstab vorgeht und die Details der Anwendung dem Verordnungsgeber zu überlassen. Rückenwind kommt vom Bundesverfassungsgericht, das einen isolierten Vorrang eines späteren nationalen Gesetzes gegenüber einer im Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarten Einkünfteverteilung mit Urteil vom 15.12.2015 (2 BvL 1/12) am Fall des § 50d Abs. 8 EStG für zulässig erklärt hat.

Damit müssten die Gerichte dann den abweichenden deutschen Maßstab anwenden, womit es zur Doppelbesteuerung kommt, wenn die im Außensteuergesetz vorgesehene Auslegung von der Interpretation des Doppelbesteuerungsabkommens abweicht. Diese Absicht wird freilich durch die Schranken des Grundgesetzes und des Europarechtes begrenzt, was dem Steuerpflichtigen jedoch im ersten Zug nicht hilft.

Statt die Kosten einer sich ändernden und divergierenden Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes einseitig auf die Steuerpflichtigen abzuwälzen, sollte die deutsche Politik die durch ihr Handeln mit verursachte Doppelbesteuerung notfalls einseitig beseitigen. Unternehmen und ihre Verbände sind gut beraten, die derzeitigen Gesetzesänderungen sorgfältig zu beobachten und mit der Politik in eine Diskussion über eine angemessene Lastenverteilung einzutreten.


Christian Schoppe
, ist Steuerberater und Partner im Bereich Verrechnungspreise bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Frankfurt am Main. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen risikoorientierte Transfer Pricing Compliance und die Begleitung von Veränderungen der Wertschöpfungskette von international
agierenden Konzernen.

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