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BB-Standpunkte
21.07.2014
BB-Standpunkte
Dr. Simone Evke de Groot: Wie alt ist zu jung? - Höchstaltersgrenzen für Betriebsrenten

Bereits seit einiger Zeit ist die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Höchstaltersgrenzen im Fluss. Dies betrifft Klauseln wie „Versorgungsberechtigt sind alle Mitarbeiter, die bei Aufnahme ihrer Tätigkeit für das Unternehmen das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben“ (sog. Höchstaltersgrenze) oder „Versorgungsleistungen erhält nur, wer ununterbrochen für das Unternehmen mindestens 10 Jahre tätig war“ (sog. Wartezeitregelung). Beide führen dazu, dass ab dem Eintritt mit einem gewissen Alter keine Anwartschaften mehr erworben werden können. „Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers, bis zur Willkür zulässig“, war verkürzt gesprochen die frühere BAG-Leitlinie. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat dies freilich in Fluss gebracht.

Sicher ist: leistungsbeschränkende oder –ausschließende Klauseln im Bereich der arbeitnehmerfinanzierten Versorgung werden gemeinhin als schwerlich begründbar betrachtet – trotz des auch in diesem Fall verbleibenden Risiko des Arbeitgebers (vgl. BAG, Urteil vom 19.06.2012 – 3 AZR 408/10 mit Anm. de Groot, BB 2012, S. 3148).

Im Bereich der arbeitgeberfinanzierten bAV eher möglich sind Wartezeitregelungen, das heißt solche, die allein an die mögliche Betriebszugehörigkeit bei Eintritt in das Unternehmen anknüpfen und damit nur mittelbar altersdiskriminierend sind. Das BAG hat eine Wartezeitgrenze von 15 Jahren gehalten (Urteil vom 12.02.2013 – 3 AZR 100/11, BB 2013, S. 436), nach früherer Rechtsprechung waren auch 20 Jahre zulässig (BAG, Urteil vom 07.07.1977 – 3 AZR 570/76, BB 1977, S. 1251).

Strikter sind die Anforderungen bei Höchstaltersgrenzen. In den beiden jüngst zu entschiedenen Sachverhalten (BAG, Urteil vom 12.11.2013 – 3 AZR 365/12, BB 2014, S. 1406; Urteil vom 18.03.2014 – 3 AZR 69/12, BB 2014, S. 819) trat zu einer zehnjährigen Wartezeit eine Altersgrenze hinzu, bis zu der die Wartezeit absolviert sein musste. Die Frage, die sich stellte, war: Wie alt dürfen Arbeitnehmer maximal sein, um sie von der Altersversorgung auf diese Weise ausschließen zu dürfen? Die Maßgabe aus Erfurt lautet: Jedenfalls keine 45 Jahre, denn wer 45-jährig in ein Unternehmen eintritt, der absolviert noch die Hälfte seines durchschnittlichen Erwerbslebens (dies dauert laut BAG 40 Jahre, statisch gesehen ca. 38 Jahre) in diesem Betrieb. Honoriert der Arbeitgeber diese Betriebstreue nicht, sondern enthält seine Versorgungszusage die beschriebene Klausel, dann ist dies unangemessen und die Klausel unwirksam. Anders, wenn der Ausschluss nur den erfasst, der erst mit 50 Jahren eintritt, –er habe vor Eintritt genug Zeit gehabt, sich eine Versorgung aufzubauen. Dass die Versorgungszusage ggfs. eine Limitierung dahingehend enthält, dass nur eine Maximalanzahl von Dienstjahren berücksichtigt wird, wurde zwar in der Begründung aufgeführt, scheint jedoch nur stützendes und nicht tragendes Argument.

Inwieweit verbleibt damit Gestaltungsspielraum? Arbeitgeber können zunächst sich im Grundsatz nach wie vor frei entscheiden, ob sie überhaupt Betriebsrentenleistungen anbieten möchten. Legitimes Ziel im Sinne von § 10 AGG ist bereits die Förderung, Sicherstellung und Verbreitung der (gemeint ist wohl nur: der arbeitgeberfinanzierten) Altersversorgung. Anerkannt ist ferner das Bedürfnis des Arbeitgebers, die finanziellen Risiken zu begrenzen; dieses taugt bei Leistungszusagen und insbesondere bei der Absicherung von Invaliditäts- und Todesfallrisiken – auf letztere bezogen sich die Entscheidungen des BAG nicht. In Betracht kommt ferner das Interesse, bestimmte Mitarbeitergruppen besonders an den Betrieb zu binden (so das LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2010 – 4 Sa 7/10 – in der Vorinstanz zum Verfahren 3 AZR 634/10, vom BAG nicht ausdrücklich aufgegeben). Die Versorgungsordnung muss das Ziel nicht benennen. Im zweiten Schritt stellt sich dann die Frage der Erforderlichkeit und Angemessenheit. Dies ist nach der Rechtsprechung nunmehr geklärt, wenn auch nicht unbedingt transparenter geworden. Das BAG hält die Nichtberücksichtigung von der Hälfte des typischen Erwerbslebens für unzulässig. Längere Erwerbsbiographien werden sich dahingehend auswirken müssen, dass die zulässige Altersgrenze „mitwächst“. Unklar ist, ob das BAG insoweit eine unmittelbare Verknüpfung zwischen (gesetzlicher) Regelaltersgrenze und Angemessenheitsgrenze aufgestellt hat (dann muss diese Grenze auf 42 Jahre erhöht werden nach Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre) oder sich eines Pauschwertes bedient hat. Die Frage der Angemessenheit ist stets einzelfallbezogen auf die jeweilige Zusage, das verfolgte legitime Ziel und die Härte des Eingriffs zu beantworten.

Arbeitnehmer können sich auf die geänderte Rechtsprechung ab sofort berufen. Es besteht ein Anspruch auf Anpassung nach oben in voller Höhe. Eine sinnvolle Praxisstrategie kann – neben der sorgfältigen Formulierung von Zusagen auf aktuellem Rechtsstand, die selbstverständlich sein sollte, und der fortwährenden Überprüfung von Altversorgungswerken auf ihre Gegenwarts- und Zukunftstauglichkeit – sein, Übergangsregelungen bzw. stufenweise Anhebungen vorzusehen. Diese können zur Angemessenheit wesentlich beitragen und das Risiko sinnvoll begrenzen. Arbeitgeber, die vor der neuen Rechtsprechung die Augen verschlössen, würden nicht nur wegen § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG, sondern vor allem auch wegen drohender Deckungslücken unsanft erwachen.


Dr. Simone Evke de Groot
, Rechtsanwältin, Geschäftsführerin und Gesellschafterin bei der RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Heidelberg, wurde promoviert zum deutschen Pensionsfonds und ist Autorin zahlreicher Fachbeiträge und Referentin zu Themen der betrieblichen Altersversorgung auf Fachanwaltslehrgängen und Tagungen. Sie berät mittelständische und größere Unternehmen in allen Belangen des Wirtschaftsrechts, schwerpunktmäßig in Themen der betrieblichen Altersversorgung unter Einschluss der gesellschaftsrechtlichen Belange. Zu den Schwerpunkten ihrer Tätigkeit rechnen u. a. die Neu- und Umgestaltung von Versorgungswerken, die Gestaltung von Geschäftsführerzusagen sowie die Planung und Begleitung von Umstrukturierungen und Auslagerungsvorhaben

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