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BB-Standpunkte
17.03.2014
BB-Standpunkte
Christian Steinberger: Unternehmensstrafrecht: Ein unnötiges Gesetzesvorhaben!

In Deutschland soll schon bald ein Unternehmensstrafrecht eingeführt werden. Das sieht jedenfalls ein Gesetzentwurf "zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden" vor, den das Nordrhein-Westfälische Justizministerium vorgelegt hat und den auch die Mehrheit der Landesjustizminister bei ihrer Konferenz Ende letzten Jahres begrüßte. Danach können gegen das Unternehmen selbst Sanktionen bei Zuwiderhandlungen eines Entscheidungsträgers verhängt werden, wenn dieser für das Unternehmen tätig geworden ist. Als Sanktionen sind neben Geldstrafen (bis maximal 10 % des Jahresumsatzes) u. a. die öffentliche Bekanntmachung einer Verurteilung, der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und als Ultima Ratio die Auflösung des Unternehmens vorgesehen.

Nachdem auch die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag ankündigten, sie wollten "ein Unternehmensstrafrecht für multinationale Konzerne" prüfen, ist die Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Vorschlages voll entbrannt. Neben rechtsdogmatischen Erwägungen steht dabei vor allem die Frage im Mittelpunkt, inwieweit überhaupt eine Notwendigkeit für eine gesonderte Strafbarkeit von Unternehmen besteht.

Studiert man die Begründung des Gesetzentwurfs, so drängt sich der Eindruck eines erschreckenden Sanktionsdefizites für Zuwiderhandlungen auf, die in Deutschland aus Unternehmen heraus begangen werden: Dezentrale und komplexe Organisationsstrukturen in Unternehmen ließen "organisierte Unverantwortlichkeit" entstehen, bei der Unrecht entweder überhaupt niemandem zugeordnet werden könne oder lediglich einzelne Mitarbeiter als "Bauernopfer" vorgeschoben würden. Soweit überhaupt Bußgelder verhängt würden, stellten diese lediglich ein "kalkulierbares Risiko" für die Unternehmen dar. Im europäischen Vergleich hinke Deutschland zudem eindeutig hinterher, die meisten anderen Staaten hätten dagegen längst eine strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen implementiert.

Ist Deutschland also bezüglich des Unternehmensstrafrechts in Zugzwang? Nimmt man die derzeitige Gesetzeslage genauer unter die Lupe, so ergibt sich ein anderes Bild: Die bestehenden Regelungen für die Ahndung von Zuwiderhandlungen aus Unternehmen heraus sind absolut ausreichend - ja im internationalen Vergleich erscheinen sie sogar als besonders streng. So können nach deutschem Ordnungswidrigkeitenrecht bei Verfehlungen von Leitungspersonen bereits heute Geldbußen gegen das Unternehmen selbst verhängt werden - ebenso bei unterlassenen Aufsichtsmaßnahmen. Der Bußgeldrahmen beträgt 10 Mio. Euro für vorsätzliche und 5 Mio. Euro für fahrlässige Verstöße. Wenn hiergegen eingewandt wird, dass derlei Bußgelder von Großunternehmen "aus der Portokasse" gezahlt werden könnten und damit eben doch kalkulierbar seien, so sei darauf hingewiesen, dass das Ordnungswidrigkeitenrecht ganz andere Spielräume eröffnet. Nach § 17 OwiG soll die Geldbuße grundsätzlich den Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Um zu verhindern, dass sich der Verstoß für das Unternehmen am Ende doch auszahlt, kann der gesetzliche Höchstbetrag überschritten werden. Dies hat u. a. dazu geführt, dass auch in der Vergangenheit gegen Unternehmen hohe, zum Teil zwei- bis dreistellige Millionenbeträge als Geldbuße verhängt wurden. Außerdem steht den Behörden anstelle einer Geldbuße das Instrument des Verfalls zur Verfügung, wonach alles aus der Tat Erlangte abgeschöpft werden kann - also ohne dass Aufwendungen oder Gegenleistungen des Täters zu berücksichtigen wären (Bruttoprinzip)! Sehr wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Verfolgungspraxis in Deutschland durchaus effektiv ist: Anders als in anderen Ländern ist z. B. die steuerliche Betriebsprüfung hierzulande verpflichtet, den Anfangsverdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit der Staatsanwaltschaft mitzuteilen.

Abgesehen davon, dass demnach schon kein Bedarf für ein Unternehmensstrafrecht vorliegt, wäre mit seiner versuchten Einführung ein verfassungsrechtlicher Konflikt vorprogrammiert. Nach dem im Grundgesetz verankerten Schuldprinzip sind strafrechtliche Maßnahmen an persönliche Vorwerfbarkeit geknüpft. Adressat sind natürliche, nicht aber juristische Personen.

Bedacht werden sollte aber auch, dass die Bestrafung von Unternehmen die Falschen treffen kann: Insbesondere die Ultima Ratio der Unternehmensauflösung könnte bewirken, dass vor allem die Arbeitnehmer die Leidtragenden wären. Diese Befürchtung hat im Übrigen auch die Baden-Württembergische Landesregierung geäußert.

Aufgrund dieser Erwägungen ist zu wünschen, dass den Plänen für ein Unternehmensstrafrecht keine Realisierung beschieden ist. Der im Vorschlag angesprochene Aspekt, vom Unternehmen ergriffene Compliance-Maßnahmen bei der Sanktionsbemessung zu berücksichtigen, sollte allerdings durchaus weiter erörtert werden. Willkommen wäre in diesem Zusammenhang eine weitergehende Klarstellung der Anforderungen an Compliance-Management-Systeme, wobei aber unbedingt darauf zu achten ist, kleine und mittelständische Firmen nicht zu überfordern. Auch hierfür wäre kein neues Gesetz erforderlich. Es würde genügen, das Ordnungswidrigkeitenrecht entsprechend anzupassen.

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