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BB-Standpunkte
29.02.2016
BB-Standpunkte
Prof. Dr. Swen Bäuml: Unternehmensnachfolge – Handlungsbedarf aufgrund des neuen Erbschaftsteuerrechts ab 1.7.2016

Die mit Urteil vom 17.12.2014 gesetzte Frist des BVerfG, bis zu der eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Betriebsvermögensbegünstigungen in den §§ 13, 13b ErbStG vorliegen muss, läuft am 30.6.2016 ab. Da die 16 Bundesländer sich bislang nicht auf einen mehrheitsfähigen Gesetzentwurf einigen konnten, steht weiterhin der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7.9.2915 (ErbStG-E) alternativlos im Raum. Aufgrund des fortgeschrittenen Gesetzgebungsverfahrens ist aus heutiger Sicht auch nicht mehr mit der Vorlage eines grundlegenden Alternativkonzepts zu rechnen. Stattdessen suchen die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU und der SPD auf Grundlage des Regierungsentwurfs vom 7.9.2015 kompromissfähige Lösungen für strittige Detailfragen.

1.         Vorgaben des BVerfG

Nach dem BVerfG ist die erbschaftsteuerliche Begünstigung einer Übertragung von Unternehmensvermögen grundsätzlich möglich. Dem Gesetzgeber wird insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, ein weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt, diese steuerlich zu begünstigen. Geschützt werden sollen in erster Linie „kleine und mittlere Betriebe“ mit „personalem Bezug“ der Unternehmer- zur Unternehmensebene. Verfassungsrechtlichen Korrekturbedarf sieht das BVerfG

  • bei der Begünstigung von großen Unternehmensvermögen
  • beim Verwaltungsvermögen bzw. dessen Gestaltungsanfälligkeit (Kaskadeneffekt)
  • und bei der Lohnsummenregel, die bei weniger als 10% der Betriebe greift.

2.         Lösung des Regierungsentwurfs

Der Regierungsentwurf vom 7.9.2015 sieht vor, die §§ 13a, 13b ErbStG in ihrer Grundstruktur inklusive der 5- bzw. 7-jährigen Behaltensfristen im Rahmen der Regel- bzw. Optionsverschonung zu erhalten. Um einen verfassungsgemäßen Zustand zu schaffen, sollen lediglich die beanstandeten Regelungen angepasst werden:

  • Abgrenzung des begünstigten vom nicht begünstigten Vermögen anhand des Hauptzwecks jedes Wirtschaftsguts, das, sofern es mehr als 50% dem betrieblichen Hauptzweck dient, begünstigt sein soll. Anderes Betriebsvermögen wird ohne Verschonung nach § 13a ErbStG-E besteuert.
  • Einführung einer Verschonungsbedarfsprüfung für den Erwerb großer Betriebsvermögen ab 26 Mio. Euro (erwerbsbezogen) unter Einbeziehung des nicht begünstigten Betriebs- sowie des vorhandenen und des mit übertragenen Privatvermögens.
  • Einführung eines Abschmelzmodells als Wahlrecht für den Erwerb großer Betriebsvermögen ab 26 Mio. Euro (erwerbsbezogen).
  • Freistellung von Kleinstbetrieben mit bis zu 3 Arbeitnehmern von den Lohnsummenregelungen und Staffelregelung für Betriebe zwischen 4 und max. 15 Arbeitnehmern; bei mehr als 15 Arbeitnehmern gilt die bisherige Lohnsummenklausel.

3.         Ausblick

Die wesentlichen Merkmale des neuen Rechts stehen fest. Gerungen wird noch um die Einführung einer zusätzlichen Investitionsklausel, die vorhandene Finanzmittel als begünstigt behandeln soll, wenn diese innerhalb einer bestimmten, nur wenige Monate umfassenden Frist nach dem Übertragungsstichtag in begünstigte Vermögensgegenstände investiert werden. Ebenfalls möglich erscheint die Streichung der sog. Sockelsteuerbefreiung beim Abschmelzmodell, so dass bei sehr großen Unternehmensvermögen nicht mindestens 20% bzw. 35% freigestellt blieben, sondern die Abschmelzung auf null erfolgen könnte.

Die Praxis der Unternehmensnachfolgeplanung muss sich rechtzeitig auf die neue Gesetzesfassung einstellen. Gegebenenfalls sollte das Zeitfenster bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts noch für Übertragungen genutzt werden, wenn auch gegenüber Rückwirkungen abgesichert durch entsprechende Widerrufsvorbehalte.

Einen weiteren Beitrag des Autors zu diesem Thema, finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Betriebs-Beraters: BB 2016, 535.

 

Prof. Dr. Swen O. Bäuml, StB/Wirtschaftsjurist , ist Professor für Steuerrecht an der Hochschule Mainz / Frankfurt School of Finance & Management sowie Partner of Counsel der WTS Group. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die Besteuerung von Familienunternehmen, Umstrukturierungen sowie das Investmentsteuerrecht. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen, Wissenschaftlicher Beirat des Instituts der Steuerberater in Hessen und Mitherausgeber der Kommentierung Kanzler/Kraft/Bäuml zum Einkommensteuergesetz.

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