Dr. Patrick Flockenhaus, LL.M.: Spätehenklausel = Altersdiskriminierung?
Die betriebliche Altersversorgung und die Altersdiskriminierung – wie passt das zusammen? Vor dieser Frage stehen die Arbeitsgerichte nicht erst seit Inkrafttreten des AGG sehr häufig. Der Grund dafür liegt auf der Hand, stellen Systeme der betrieblichen Altersversorgung doch oft (zumindest mittelbar) in irgendeiner Form auf das Alter der Versorgungsberechtigten ab. Erneut hatte das BAG (Urteil vom 4.8.2013 – 3 AZR 137/13) nun die Möglichkeit, das Verhältnis von Betriebsrenten- und Antidiskriminierungsrecht zu präzisieren. Es entschied, dass eine Klausel, die einen Anspruch auf Witwen-/Witwerrente nur bei einer Eheschließung vor dem 60. Lebensjahr des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers vorsieht, aufgrund einer sachlich nicht gerechtfertigten Diskriminierung wegen des Alters unwirksam ist. Der Fall ist insbesondere, aber nicht nur, für diejenigen von Interesse, die nach dem Erreichen des 60. Lebensjahres über eine Eheschließung nachdenken.
Die Parteien stritten über einen Anspruch auf die Zahlung von Hinterbliebenenrente. Die dem Ehemann der Klägerin von der Beklagten erteilte Versorgungszusage enthielt eine sog. Spätehenklausel, nach der zusätzliche Voraussetzung für die Zahlung einer Witwen-/Witwerrente war, dass der versorgungsberechtigte Mitarbeiter (hier der Ehemann) die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat. Wie das Leben so spielt, wurde die Ehe jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt geschlossen. Nach dem Tod ihres Ehemannes verlangte die Klägerin von der Beklagten gleichwohl die Zahlung einer Witwenrente.
Das BAG hielt die Spätehenklausel wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung gemäß § 7 Abs. 2 AGG für unwirksam. Der verstorbene Ehemann der Klägerin – so die Pressemitteilung des BAG – werde durch die Klausel unmittelbar wegen des Alters benachteiligt. Die Benachteiligung könne nicht gemäß § 10 S. 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt werden, wonach bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Unterscheidungen nach dem Alter unter erleichterten Voraussetzungen zulässig sind. Die Vorschrift erfasse, soweit es um Altersgrenzen als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gehe, nur die Alters- und Invaliditätsversorgung und nicht die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwen-/Witwerversorgung. Die Klausel im konkreten Fall sei ferner wegen einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen des Versorgungsberechtigten auch nicht nach § 10 S. 1, 2 AGG gerechtfertigt und damit unwirksam.
Was bedeutet diese Entscheidung für Arbeitgeber und Versorgungsberechtigte? Mit dem Urteil verschärft das BAG die Anforderungen an die Wirksamkeit von Spätehenklauseln. Bisher hatte es solche Klauseln, die in unterschiedlichen Gestaltungsformen verbreitet sind, unter Hinweis auf die Freiheit des Arbeitgebers bei der Festlegung der Kreises der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen für wirksam gehalten (vgl. etwa BAG 28.7.2005 – 3 AZR 457/04). Nunmehr – so scheint es angesichts der Pressemitteilung – rückt das BAG die Interessen des Versorgungsberechtigten mehr in den Fokus. Ob dies jedoch zu einem generellen Paradigmenwechsel im Hinblick auf Spätehenklauseln führt, bleibt abzuwarten, hat das BAG doch noch in jüngerer Zeit Späteheklauseln, die an eine Eheschließung vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. vor dem Eintritt des Versorgungsfalls anknüpfen, für zulässig gehalten. Hierin lägen wesentliche Zäsuren und damit sachgerechte Anknüpfungspunkte für Regelungen der Hinterbliebenenversorgung (vgl. BAG, 15.10.2013 – 3 AZR 653/11 und 3 AZR 294/11).
Dr. Patrick Flockenhaus, LL.M., RA, Allen & Overy LLP, Düsseldorf