R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
BB-Standpunkte
11.02.2016
BB-Standpunkte
Dr. Alexander Bissels: "Sein oder Nichtsein": Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit – Entscheidung des BAG vertagt

Immer wieder ist in der Vergangenheit die Frage aufgeworfen worden, ob die DGB-Gewerkschaften für die Arbeitnehmerüberlassung tarifzuständig sind (grundsätzlich zustimmend: LAG Nürnberg v. 11.10.2013 - 3 Sa 699/10; Hess. LAG v. 04.09.2014 - 9 TaBV 91/14; Hess. LAG v. 16.01.2014 - 9 TaBV 127/13; Bissels, jurisPR-ArbR 25/2014 Anm. 1; kritisch hingegen: Rieble, BB 2012, 2177; Fischer, RdA 2013, 326). Nur wenn diese bejaht wird, sind die von der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit, gegenwärtig bestehend aus IG Metall, IG Chemie, IG Bau, ver.di, NGG, GEW, EVG und GdP, mit den Arbeitgeberverbänden der Zeitarbeit (BAP bzw. dessen Rechtsvorgänger BZA und iGZ) jeweils geschlossenen Tarifverträge wirksam zu Stande gekommen - mit der Folge, dass durch deren Anwendung auf die Arbeitsverhältnisse mit den eingesetzten Zeitarbeitnehmern vom equal pay-Grundsatz abgewichen werden kann. Sollte die Frage für sämtliche oder einzelne DGB-Gewerkschaften verneint werden, hat dies Auswirkungen auf die vereinbarten Tarifverträge, die sodann ganz oder zumindest teilweise unwirksam sein können - mit der Folge, dass der equal pay-Grundsatz nicht wirksam abbedungen wurde und erhebliche Nachforderungen der Zeitarbeitnehmer und insbesondere der DRV drohen.

Das seinerzeit die Anwender der CGZP-Tarifverträge treffende "Schicksal" würde sich in diesem Fall in vergleichbarer Art und Weise auch auf Personaldienstleister erstrecken, die auf die "guten" Tarifverträge mit den DGB-Gewerkschaften gesetzt haben. Dies würde – mehr oder weniger – die gesamte Branche betreffen. Die Tarif(un)zuständigkeit ist folglich eine Schicksalsfrage für alle Personaldienstleister, deren Bejahung oder Verneinung über das Wohl und Wehe, das praktische Sein oder Nichtsein des Geschäftsmodells "Zeitarbeit" entscheidet.

Inzwischen ist die Angelegenheit beim BAG "angelandet", das sich am 26.01.2016 mit dieser befasst hat (Az. 1 ABR 13/14). Dem Verfahren liegt dabei – kurz zusammengefasst - folgender Sachverhalt zugrunde:

Zwischen dem antragstellenden Zeitarbeitnehmer und der DATEV e.G. ist vor dem ArbG Nürnberg eine Auskunftsklage nach § 13 AÜG anhängig. An diese war der Antragsteller vom 09.10.2006 bis zum 30.06.2009 von seiner damaligen Arbeitgeberin überlassen worden. Das ArbG Nürnberg hat den Rechtsstreit ausgesetzt, bis in einem gesonderten Verfahren über die Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung für die im Zeitraum vom 09.10.2006 bis zum 30.09.2009 geltenden Tarifverträge (MTV, ERTV und ETV) - abgeschlossen mit dem BZA - entschieden ist. Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass die DGB-Gewerkschaften für den Abschluss der betreffenden Zeitarbeitstarifverträge nicht tarifzuständig waren.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dies ergebe sich nicht – zumindest aber keinesfalls mit hinreichender Bestimmtheit - aus deren Satzungen. Keine der tarifschließenden Gewerkschaften habe in ihrer Satzung eine Tarifzuständigkeit für Zeitarbeitsunternehmen vorgesehen. Die Zuständigkeit nur für Zeitarbeitsbetriebe wäre zudem nicht ausreichend. Erforderlich sei eine kongruente Tarifzuständigkeit der tarifschließenden Gewerkschaften für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung.

Vor dem ArbG Frankfurt a.M. (Beschl. v. 06.06.2013 - 20 BV 78/13) und dem Hess. LAG (Beschl. v. 16.01.2014 - 9 TaBV 127/13) hatte der Arbeitnehmer mit dessen Anträgen keinen Erfolg. Das BAG hat am 26.01.2016 dessen Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Laut Pressemitteilung hat der 1. Senat keine Entscheidung in der Sache getroffen. Die Anträge hätten bereits aus prozessualen Gründen keinen Erfolg haben können. Der Aussetzungsbeschluss, der die Grundlage des beim BAG anhängigen Verfahrens nach § 97 Abs. 5 ArbGG bilde, sei zu unbestimmt gewesen.

Letztlich steht eine höchstrichterliche Klärung der Frage über die Befähigung der DGB-Tarifgemeinschaft, wirksam Tarifverträge für die Zeitarbeit abzuschließen, nach wie vor aus. Für die Branche zumindest keine schlechten Neuigkeiten, wenn man sich vergegenwärtigt, was passiert wäre, wenn das BAG eine Tarifzuständigkeit in Gänze oder teilweise abgelehnt hätte.

Nach dem Spiel ist bekanntermaßen aber immer auch vor dem Spiel: das BAG – diesmal vor dem 4. Senat – hat einen Termin für den 13.04.2016 anberaumt, in dem es auch um die Tariffähigkeit/-zuständigkeit der DGB-Gewerkschaften und die rechtliche Einordnung der von diesen geschlossenen Tarifverträge (mehrgliedrig/einheitlich) gehen könnte (Az. 4 AZR 995/13). Es handelt sich dabei zwar um ein "klassisches" equal pay-Verfahren; das LAG Nürnberg hat in der zweiten Instanz erklärt, dass es keine Zweifel an der Tariffähigkeit/-zuständigkeit habe und dass es auch die Bezugnahmeklausel auf die BZA/DGB-Tarifverträge als wirksam ansehe (vgl. Urt. v. 11.10.2013 - 3 Sa 699/10; dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 25/2014 Anm. 1).

Sollte das BAG über den Rechtsstreit tatsächlich entscheiden, bleibt zu hoffen, dass sich die vom LAG Nürnberg vertretenen Ansichten – zumindest im Ergebnis – als tragfähig erweisen. Eine vergleichsweise Verständigung erscheint zumindest unter Berücksichtigung der Klageforderung i.H.v. über 100.000,00 € ausgesprochen schwierig bzw. teuer zu werden. Die Blicke der Branche werden sich spätestens im April 2016 wieder nach Erfurt richten.

Dr. Alexander Bissels, RA/FAArbR, ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Er berät Unternehmen auf sämtlichen Gebieten des Individual- und Kollektivarbeitsrechts, insbesondere zu Fragen zum Fremdpersonaleinsatz (Arbeitnehmerüberlassung/Werkvertrag).

 

stats