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BB-Standpunkte
26.02.2018
BB-Standpunkte
Prof. Dr. Dieter Dziadkowski: Reform des Einkommensteuer-Tarifs ist überfällig!

Das Jahr 2017 hat dem Fiskus wieder ein Milliarden-Plus bei den Steuern beschert. Sie beliefen sich auf ca. 675 Mrd. Euro, was eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von mehr als 4 % bedeutet. Allein das Aufkommen der Lohnsteuer stieg auf ca. 239 Mrd. (+ 5 %). Die neue Bundesregierung ist in Sicht. Sie wird bald wieder ihre weltweit ausgerichteten Aufgaben aufnehmen können. Die Mittel hierfür stellen die Steuerzahler zur Verfügung.

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist gut. Viele Unternehmen sind in Jubelstimmung (FAZ vom 21.1.2018, S. 17). Der ifo-Geschäftsklimaindex steigt auf den höchsten Wert seit Jahrzehnten (117,6 am 25.1.2018). Die Folgen sind steigende Löhne, mehr verfügbare Einkommen und somit Grundlagen für ein erfolgreiches „Konjunkturjahr“. Für 2018 wird mit einem Wachstum von 2,5 % gerechnet.

Horcherfreut werden die Politiker registrieren, dass insbesondere die beiden großen Haushaltssäulen Mehrwertsteuer und Lohnsteuer weiter sprudeln werden. Gefahr droht lediglich von nachlassender Haushaltsdisziplin, wenn das Füllhorn der Wohltaten überregional ausgeschüttet wird. Infolge historischer Ahnungslosigkeit ist die Bundesrepublik Deutschland weiterhin bereit, die Spätfolgen verfehlter Kolonialpolitik als Zahlmeister „für alle“ zu schultern. Wurde doch vor ca. 100 Jahren nach Auflösung des Osmanischen Reiches der Grundstein für die derzeitigen Verwerfungen gelegt (vgl. Tim Marshall, Die Macht der Geographie, München 2017, 162 f.).

Die Situation der deutschen Steuerzahler ist allerdings bislang in Vergessenheit geraten. Die Ankündigungen von Steuerentlastungen für die Erwerbstätigen sind immer leiser geworden. Wurde im Sommer 2017 noch ein steuerpolitisches Konzept der Bundesregierung (BT-Drs. 18/13456, 29) vorgestellt, dass ein leistungsgerechtes Steuerrecht schaffen und „zugleich die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in den Mittelpunkt“ stellen sollte, vermisst man dieses hehre Ziel in den jüngeren Verlautbarungen. Die Entlastung der Steuerzahler in 2018 tendiert gegen Null, unter Berücksichtigung der Preissteigerungen reicht sie in den negativen Bereich.

Einige Politiker diskutieren hingegen die Höhe des Spitzensteuersatzes. An die Höhe des Eingangssteuersatzes und die Berechnung des Existenzminimums (Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 EStG9') verschwendet kaum jemand einen Gedanken. Bekanntlich sind beide Werte inzwischen weit entfernt von einer Realitätsnähe. Die Tarifstruktur ist wieder wie bis 1995 so realitätsfern, dass ihre Verfassungskonformität äußerst fraglich erscheint.

 

Prof. Dr. Dieter Dziadkowski war Universitätsprofessor für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung, sowie u. a. Mitglied der Ursprungslandkommission und Vorsitzender der Vereinigung zur wissenschaftlichen Pflege des Umsatzsteuerrechts.

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