Prof. Dr. Andreas Barckow: Non-GAAP Measures - Was ist die wahre Leistung eines Unternehmens?
Der Streit darüber, was Abbild der Leistung eines Unternehmens und wie hoch das von diesem in einer Periode erwirtschaftete Ergebnis ist, ist vermutlich so alt wie die Rechnungslegung an sich und wird uns sicherlich noch viele Jahr(zehnt)e beschäftigen. Im vergangenen Jahr hatte der International Accounting Standards Board (IASB) ein Diskussionspapier zum Rahmenkonzept herausgegeben. Darin widmete er sich u. a. der Frage, wo die Trennlinie zwischen Periodenergebnis und Other Comprehensive Income (OCI) verläuft und ob die im OCI ausgewiesenen Beträge Teil der Leistung eines Unternehmens sind oder nicht. Eine konkrete Antwort, was Performance umfasst, blieb der Standardsetzer indes schuldig – auch wenn er anführte, dass die meisten Nutzer das GuV-Ergebnis als solche ansähen.
Ein Blick in einen beliebigen Abschluss eines Unternehmens zeigt, dass dies auch nur bedingt der Fall ist: Zwar scheint Einigkeit zu herrschen, dass OCI-Posten aufgrund der fehlenden Realisation nicht Teil der Leistung sein können; das GuV-Ergebnis scheint allerdings häufig auch nicht die primäre Kenngröße zu sein – wie sonst ist zu erklären, dass Unternehmen verschiedenste Bereinigungen, Auf- und Untergliederungen desselben vorlegen? So werden dem geneigten Leser Zeilen wie „operatives Ergebnis“, „EBIT“, „EBITDA“ sowie zahllose anderweitige Ergebnisse „vor“/„nach Berücksichtigung von“ unterbreitet. Häufig gewinne ich dabei den Eindruck, dass deren Ziel v. a. in der Vermittlung der Aussage besteht, dass das Unternehmen eigentlich gar so schlecht nicht dastehe.
Diese sog. Non-GAAP Measures, also nicht auf Rechnungslegungskonventionen beruhende Kennzahlen, scheinen wie Pilze aus dem Boden zu schießen und häufig mit größerem Enthusiasmus an Adressaten berichtet zu werden als die eigentlichen Ergebniszeilen. Ihre Verbreitung zumindest an gewisse Grundregeln zu binden ist Gegenstand eines Konsultationspapiers der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA (dort als Alternative Performance Measures – APM – bezeichnet). ESMA schlägt darin einen Maßnahmenkatalog vor, wonach die Berichterstattung mittels APM bestimmten Regeln unterliegen solle. So werden bspw. ihre klaren Kennzeichnungen sowie Überleitungen auf GAAP-Zahlen gefordert. Dagegen wird man kaum etwas einwenden können; allerdings schüttet ESMA das Kind mit dem Bade aus, da die Berichtspflichten extrem weit gefasst werden und sich auf so ziemlich jede Form der Unternehmenskommunikation erstrecken (könnten) – angefangen bei Jahres- und Zwischenabschluss über Analystenpräsentationen bis hin zu Presseerklärungen und Ad-hoc-Mitteilungen.
Gibt es ein wahres Ergebnis? Gibt es ein wahres Ergebnis? Zugegeben: Wahrheit ist eine Sache des Betrachters. Gleichwohl scheint mir eine Normierung immer dann sachgerecht und geboten, wenn die Gefahr der Irreführung oder der Ablenkung vom eigentlich zu Berichtenden droht. Wann genau dies der Fall ist, stellt eine Ermessensfrage dar. Und genau hier hakt es im ESMA-Papier, weil Ermessen ausgeschlossen wird: Jede APM, so sinnvoll sie auch sein mag, scheint geeignet, Unheil zu stiften. Für den ordentlichen Kaufmann, für die Generalnorm, einen Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse zu vermitteln, ist kein Raum mehr. Hier scheint mir Widerspruch angebracht!
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