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BB-Standpunkte
30.03.2017
BB-Standpunkte
Prof. Dr. Dieter Dziadkowski: Neuregelung für Sanierungsgewinne in Sicht

Gut 22 Jahre nach Übergabe der Thesen der Bareis-Kommission „zur Steuerfreistellung des Existenzminimums ab 1996 und zur Reform der Einkommensteuer“ an den damaligen Bundesfinanzminister hat der Bundesrat nunmehr am 10.3.2017 einen Gesetzentwurf zur Änderung ertragsteuerlicher Vorschriften vorgelegt, in dem u.a. ein Vorschlag zur „Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen“ unterbreitet wird. Mit § 3a EStG-E soll eine Regelung zur „Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen“ in das EStG eingefügt werden. In das GewStG soll eine Vorschrift eingefügt werden, die die „Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen“ vorsieht. Diese soll ebenfalls als § 3a GewStG verortet werden. 

Nachdem der Große Senat des BFH am 28.11.2016 einen Beschluss gefasst hatte, nach dem die bisherige Verwaltungspraxis durch den sog. „Sanierungserlass des BMF“ vom 27.3.2003 als Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eingestuft   wurde, war Teilen der gesetzgebenden Gremien offensichtlich bewusst geworden, dass die ersatzlose Streichung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. im Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996 (BStBl. I, S. 1523) mit Wirkung ab 1998 keine sachgerechte Lösung des Problemfeldes darstellte. Der Gesetzgeber hatte damals primär an Möglichkeiten der Gegenfinanzierung zur Neutralisierung der durch eine verfassungskonforme Ausgestaltung zur Steuerfreistellung des Existenzminimums gesucht. Aus dem Katalog der 86 nicht oder nur schwer zu rechtfertigenden Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen, die im EStG verankert waren, griff sich der Gesetzgeber § 3 Nr. 66 heraus und strich die Bestimmung ersatzlos, obwohl die Bareis-Kommission in These 6 zum Ausdruck gebracht hatte, dass Billigkeitsmaßnahmen bei Aufhebung der Steuerbefreiung erforderlich werden könnten und „diese nicht nur Großunternehmen zugutekommen“ dürften. Die im Rahmen dieser Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu erwartenden Mehreinnahmen wurden für die Jahre 1997 bis 1999 mit lediglich zwischen 25 bis 50 Mio. DM bei einem Mehreinnahmenpotenzial von 27.720 bis 35.305 Mio. DM angenommen. Dass ca. 10 Jahre später erhebliche Krisen eintreten könnten, war nicht vorhersehbar. 

Nachdem der Große Senat des BFH nun ein Machtwort gesprochen hat, ist zumindest der Bundesrat hellhörig geworden und hat eine gesetzliche Regelung als Ersatz für die frühere Regelung in § 3 Nr. 66 EStG in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. M.E. 22 Jahre zu spät. Jahrzehnte der Rechtsunsicherheit wären zu vermeiden gewesen. 

Es ist daher zu begrüßen, dass der Bundesrat so rasch nach der Entscheidung des BFH die Initiative ergriffen hat. Während die alte Regelung im EStG schlicht lautete: „Steuerfrei sind ....

66. Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen,
dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise er
lassen werden.“, 

hat der Bundesrat jetzt einen umfassenden Vorschlag in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Er heißt:

 „§ 3a - Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen

(1)        Betriebsvermögensmehrungen und Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung (Sanierungsgewinn) sind auf Antrag steuerfrei, wenn das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig ist, der Schuldenerlass als Sanierungsmaßnahme geeignet ist und aus betrieblichen Gründen und in Sanierungsabsicht der Gläubiger erfolgt..

(2)        Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Absatz 1 hat zur Folge, dass

a)         zum Ende des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellte Verlustvorträge (insbesondere § 2a, § 2b, § 10d, § 15 Absatz 4, § 15a, § 23 Absatz 3, § 8d KStG) zu Beginn des Veranlagungszeitraums der Entstehung des Sanierungsgewinns (Sanierungsjahr) entfallen und

b)         im Sanierungsjahr entstehende negative Einkünfte nicht mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen und nicht in anderen Veranlagungszeiträumen abgezogen werden können.“

In der Begründung weist der Bundesrat darauf hin, dass eine gesetzliche Normierung angezeigt ist, um „Zielkonflikte des Besteuerungsverfahrens mit der Insolvenzordnung zu beseitigen und den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 22.11.2016 (COM(2016) 723 final) steuerlich zu begleiten.“ Hierdurch soll Rechtssicherheit für die Unternehmen bei Sanierungsvorhaben hergestellt werden.

Nach Art. 3 Abs. 2 des Gesetzesvorschlags soll die Neuregelung an dem Tag in Kraft treten, „an dem die Europäische Kommission die hierzu erforderliche beihilferechtliche Genehmigung erteilt hat.“ (Beschluss des Bundesrats vom 10.3.2017 (Drs. 59/17), Stellungnahme zum „Entwurf eines Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“).

Es ist zu hoffen, dass das Gesetzgebungsvorhaben rasch abgeschlossen werden kann und somit Arbeitsplatzverluste infolge zögerlicher „Steuerverhandlungen“ vermieden werden können.

Der Autor ist erfreut, dass 22 Jahre nach den von ihm vorgetragenen Bedenken gegen die ersatzlose Streichung des § 3 Nr. 66 EStG a.F., dessen Wortlaut wohl kaum noch jemand in Erinnerung hat, der Bundesrat aktiv geworden ist.


Prof. Dr. Dieter Dziadkowski
war Universitätsprofessor für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung, sowie u. a. Mitglied der Ursprungslandkommission und Vorsitzender der Vereinigung zur wissenschaftlichen Pflege des Umsatzsteuerrechts.

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