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BB-Standpunkte
18.04.2017
BB-Standpunkte
Jens Berger: Neue Pfade im Corporate Reporting – CSR als Vorgeschmack auf „Mehr“?

Corporate Social Responsibility (CSR) ist, neben so vielen anderen „Trends“ in der Unternehmensberichterstattung, aktuell in aller Munde. Ob diese Trends immer so neu sind, mag dahin gestellt bleiben, schließlich ist gab es schon in der Vergangenheit Bemühungen, die Unternehmensberichterstattung holistischer zu gestalten und nicht auf die reinen Finanzzahlen zu reduzieren. Hier sind wir aber nun und können – der EU sei Dank – nicht anders. Denn sie hat Ende 2014 die CSR-Richtlinie verabschiedet. Zielsetzung der Richtlinie war eine Verbesserung der Informationslage für Investoren und Verbraucher/Verbraucherinnen hinsichtlich nicht-finanziellen Elementen sowie der Diversität. Umzusetzen war die Richtlinie in nationales Recht bis Ende 2016, dies ist der Bundesregierung jedoch nicht fristgerecht gelungen – zu unterschiedlich scheint die Interessenslage der einzelnen Stakeholder-Gruppen für eine zügige Konsensfindung gewesen zu sein.

Nun hat aber der Bundestag das entsprechende Umsetzungsgesetz am 9.3.2017 verabschiedet, der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 31.3.2017 von einer Einberufung des Vermittlungsausschusses abgesehen. Aber worum geht es eigentlich?

Betroffene Unternehmen müssen nach dem Willen des Gesetzgebers zukünftig eine sog. Nicht-finanzielle Erklärung (NfE) abgeben. Diese umfasst einen illustren Blumenstrauß an Themen, ob ein Unternehmen auch ein gutes Unternehmen ist – und hier ist „gut“ durchaus auch in einem moralischen Kontext zu verstehen:

–   Umwelt (z. B. Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch, Luftverschmutzung),

–   Arbeitnehmerbelange (z. B. Geschlechtergleichstellung/Diversity, Arbeitsbedingungen, Achtung der Rechte von Gewerkschaften),

–   Soziales (z. B. Involvierung auf kommunaler und regionaler Ebene, Schutz und Entwicklung lokaler Gemeinschaften),

–   Menschenrechte (z. B. Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen),

–   Korruption und Bestechung (z. B. Instrumente zu deren Vermeidung und Bekämpfung).

„Betroffen“ von den neuen Vorschriften sind i. W. große Kapitalgesellschaften sowie Kreditinstitute und Versicherungen.

Kurz zusammengefasst soll ein Unternehmen darstellen, wie es mit diesen gesellschaftlichen Themen umgeht und welche Risiken ihm daraus erwachsen. Dabei gilt der „Comply or explain“-Ansatz – wer in einem dieser Themen nichts vorweisen kann, muss sich erklären. Ebenfalls ist offenzulegen, ob sich das Unternehmen für die Erstellung der NfE eines nationalen, europäischen oder internationalen Rahmenwerks (wie z. B. dem der Global Reporting Initiative) bedient bzw. warum ein solches eben nicht zur Anwendung kommt. Große AG bzw. SE sowie KGaA haben darüber hinaus, sofern sie börsennotiert sind oder andere Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt ausgegeben haben, Erläuterungen über das Diversitätskonzept in den vertretungsberechtigten Organen (z. B. Vorstand) sowie dem Aufsichtsrat zu machen. Unschwer zu erkennen ist die Zielsetzung, durch eine solche Berichterstattung den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen, hier ihre eigenen Absichtsbekundungen zu erfüllen.

Auch wenn die NfE als Teil des Lageberichts veröffentlicht wird (es gibt mehrere Varianten der Darstellung), unterliegt sie keiner zwingenden inhaltlichen Prüfung durch den Abschlussprüfer. Jedoch ist durch diesen deren Vorlage (m. a. W. deren Existenz) zu prüfen. Die eigentliche inhaltliche Überprüfung obliegt dem Aufsichtsrat. Wenn man sich die o.g. Themenaspekte der NfE noch einmal vor Augen führt, ist diese Anforderung für einen Aufsichtsrat keine ganz einfache Aufgabe. Ausdrücklich wird daher dem Aufsichtsrat das Recht eingeräumt, eine externe inhaltliche Prüfung der NfE zu beauftragen, z. B. durch den Abschlussprüfer. Es ist davon auszugehen, dass dies gerne genutzt wird.

Anzuwenden sind die Vorschriften zur Abgabe einer NfE für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2016 beginnen – also ist bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr bereits das Berichtsjahr 2017 betroffen.

Die Frage darf gestellt werden: Wie viel kann die Unternehmensberichterstattung leisten? Die CSR-Richtlinie gibt einen Vorgeschmack darauf, wo sie manche Politiker und andere Stakeholder gerne sehen würden. Wer sich mit den aktuellen Entwicklungen wie Integrated Reporting o.ä. beschäftigt, der kann mögliche Sollobjekte erahnen. Ob dies eine auf Finanzinformationen basierende Berichterstattung leisten kann und soll muss sicherlich kritisch hinterfragt werden. Zumal mit steigender Ferne zu harten Zahlen und Zahlungsströmen immer unklarer wird, wie dies Entscheidungen und Wahrnehmungen der Stakeholder beeinflusst.

 

Dipl.-Kfm. Jens Berger, CPA, ist Partner beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte in Frankfurt a. M. und Leiter des deutschen IFRS Centre of Excellence. 

Hinweis der Redaktion: Zur Prüfung der CSR-Berichterstattung durch den Aufsichtsrat s. auch den Aufsatz von Lanfermann, BB 2017, 747 ff.

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