Prof. Dr. Christian Zwirner: Neubewertung von Pensionsrückstellungen im Jahresabschluss 2016 – misslungene Regelung und nur Problemverlagerung
Um den negativen Effekten der seit Jahren sinkenden Zinssätze im Rahmen der Rückstellungsbewertung (die mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz eingeführt wurde) entgegenzuwirken hat der Gesetzgeber im Zuge des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.3.2016 (BGBl. I, 396) die Bewertung von Pensionsrückstellungen neu geregelt. Pensionsrückstellungen sind nicht mehr, wie bisher, mit dem durchschnittlichen Zinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre, sondern mit dem durchschnittlichen Zinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre abzuzinsen. Diese in § 253 Abs. 6 HGB verankerte Änderung in der Bewertung ist gem. Art. 75 Abs. 6 EGHGB erstmals auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2015 enden. Eine vorzeitige freiwillige Anwendung der geänderten Bewertung auf Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2014 enden, war nach Art. 75 Abs. 6 EGHGB möglich. Die Praxis hat von einer vorzeitigen Anwendung aber nur sehr vereinzelt Gebrauch gemacht, so dass die mit der Neuregelung einhergehenden Effekte ihren Niederschlag im Jahresabschluss 2016 finden.
Im Zuge der Neubewertung der Pensionsrückstellungen ergibt sich bei den die Pensionsverpflichtungen bilanzierenden Unternehmen regelmäßig ein geringerer Aufwand aus der Abzinsung, im Einzelfall sogar ein Ertrag. Während der Zinssatz auf Basis der alten Regelung zum 31.12.2015 noch 3,89% betragen hat und zum 31.12.2016 3,24% beträgt, liegt der für Pensionsrückstellungen zum 31.12.2016 anzuwendende Zinssatz bei 4,01%. Die unmittelbaren Effekte aus dem gegenüber dem Vorjahr geringeren Zinssatz sind regelmäßig eine geringere Höhe der Pensionsrückstellungen respektive höhere Gewinne. Diese höheren Gewinne stehen allerdings nicht zur Ausschüttung oder Entnahme zur Verfügung, sondern sind mit einer Ausschüttungssperre belegt (§ 253 Abs. 6 HGB). Demnach darf der Unterschiedsbetrag aus der Bewertung auf Basis des Sieben-Jahres-Durchschnittszinssatzes und auf Basis des Zehn-Jahres-Durchschnittszinssatzes nicht ausgeschüttet werden, sofern die frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich Gewinnvortrag und abzüglich Verlustvortrag dem Unterschiedsbetrag nicht mindestens entspricht.
Abweichend von der ansonsten in § 268 Abs. 8 HGB befindlichen Regelung hat der Gesetzgeber die Ausschüttungssperre betreffend Pensionsrückstellungen in § 253 Abs. 6 HGB geregelt. Diese Vorgehensweise führt zu Zweifelsfragen im Zusammenhang mit den Verweisen von § 172 Abs. 4 HGB (Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung) sowie von § 301 AktG Höchstbetrag der Gewinnabführung bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrags, weil beide Vorschriften zwar Bezug auf § 268 Abs. 8 HGB, nicht aber auf § 253 Abs. 6 HGB nehmen. Mit Schreiben vom 23.12.2016 stellt das BMF klar, dass die vom Gesetzgeber gewählte Regelung der Ausschüttungssperre betreffend Pensionsrückstellungen bewusst in § 253 Abs. 6 HGB integriert wurde und nicht in § 268 Abs. 8 HGB. D.h. grds. nach § 253 Abs. 6 HGB ausschüttungsgesperrte Beträge sind bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrags auch weiterhin vollständig an den Organträger abzuführen. Obwohl sich das BMF mit Schreiben eindeutig positioniert und darauf hinweist, dass die Ausschüttungssperre nach § 253 Abs. 6 HGB bewusst nicht dem Vollzug bestehender Gewinnabführungsverträge entgegensteht, ist die Behandlung der auf Ebene der Organgesellschaft grds. ausschüttungsgesperrten Beträge auf Ebene des Organträgers vor dem Hintergrund gesellschaftsrechtlicher Risiken kritisch zu beurteilen.
Im Ergebnis führt die gesetzliche Neuregelung dazu, dass buchhalterische Gewinne auf Grund des höheren Zinssatzes im Jahresabschluss 2016 ausgewiesen werden müssen, die dann nicht ausgeschüttet, aber abgeführt werden müssen. Den Erträgen im Jahr 2016 stehen höhere Aufwendungen in den Jahren ab 2018 gegenüber. Schon heute ist bekannt, dass das Problem damit nur zeitlich verlagert und nicht gelöst wurde. Im Gegenteil: Wenn die Zinsen wieder ansteigen, wird es zudem länger dauern, bis sich der Zehnjahreszinssatz spürbar nach oben bewegt. Und im Ergebnis führt die neue Regelung zu einem Auseinanderfallen von Ausschüttungs- und Abführungsbeträgen und einer zunehmenden Inkonsistenz von handelsrechtlichen, steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen. Hier wären eine „Reparatur“ durch den Gesetzgeber und eine langfristige Problemlösung ebenso angebracht wie eine korrespondierende steuerliche Regelung und ein Überdenken des nach wie vor zu hohen steuerlichen Zinssatzes nach § 6a EStG (6%). Ein konsistentes, in sich schlüssiges Konzept zum Umgang mit Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersversorgung in Handels- und Steuerbilanz hilft dem Bilanzierenden mehr als kurzfristiger Aktionismus.
Prof. Dr. Christian Zwirner, WP/StB, ist Geschäftsführer der Dr. Kleeberg & Partner GmbH, München und Honorarprofessor an der Universität Ulm