Susanne Kleiner: Medienstatements in der Kanzlei- und Litigation-PR: Starke Botschaften gewinnen
Pressevertreter kontaktieren Kanzleien, um ad hoc Stellungnahmen einzuholen. Themen rund um Recht und Gerechtigkeit kommen bei Lesern, Zuhörern und Zuschauern genauso gut an wie im Social Web. Quote macht, wer nützliche und bewegende Inhalte liefert. Einerseits sind das griffige Rechtstipps mit praktischem Nutzen. Andererseits lassen sich laufende Verfahren reißerisch hochstilisieren und hervorragend vermarkten. Vor allem dann, wenn es um große Geldsummen und moralische Fehltritte geht. Je prominenter oder bedeutender die Akteure sind, desto verkaufsstärker sind große Schlagzeilen. Streitparteien, Gerichte, Staatsanwaltschaften und allen voran Rechtsanwälte kommen nicht umhin, O-Töne zu liefern. Es sei denn, sie nehmen bereitwillig in Kauf, Spekulationen Raum zu geben und sich angreifbar zu machen. So tickt die Mediengesellschaft. Unstrittig ist: Advokaten, die professionell mit Journalisten umgehen und Statements gekonnt platzieren, fahren die Ernte doppelt ein. Erstens: Sie positionieren sich als Experten und stärken ihre Kanzleimarke. Zweitens: Sie schützen die Reputation ihrer Mandanten in Krisen und Konflikten.
Klarheit schafft Vertrauen
Souveräne Interviewpartner formulieren in ein bis drei Sätzen einen echten Informationskern. Das entspricht einer Redezeit von zwanzig bis dreißig Sekunden. Wer gehaltvolle Botschaften kurz und bündig kundtut, verhindert, dass Sequenzen geschnitten werden. Andernfalls erscheinen womöglich Teile der Originalaussage, die nur Randaspekte beleuchten und das Zitat verfälschen. Medienaffine Anwälte sprechen klar, einfach, verständlich und strukturieren sinnfällig: Ein Gedanke, ein Satz. Juristendeutsch, Fremdwörter und Fachausdrücke sind tabu. Bildhafte Ausdrücke und Zahlen oder Fakten stützen Erklärungen. Und: Die Stimme führt am Satzende nach unten und mündet in einer Pause. Erfolgreiche Sprecher üben das und stärken damit ihre Autorität.
Improvisieren funktioniert nicht
Die Denkwelt, in der Juristen zu Hause sind, hat mit einer medientauglichen Sprache ungefähr soviel zu tun wie ein Schneemann mit einer Südseeinsel. Genau deshalb ist es so essenziell, sich präzise vorzubereiten. Auch weil Interviews Nervosität fördern, setzen stringente und stichhaltige Statements eine saubere Vorarbeit voraus. Klarheit stärkt. Die Interviewten bewahren Ruhe und behalten das Heft in der Hand. Das wirkt sich überdies auf das „Wie“ aus: Sie sprechen im Brustton der Überzeugung und setzen ihre Körperspräche selbstsicher ein. Außerdem verhindern fertige Botschaften, dass Antworten entweichen, die nicht gewollt sind. Ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen, wirbelt die Medienwelt das Thema unwiderruflich auf. Die gute Nachricht ist: In den seltensten Fällen überraschen Presseanfragen. Entweder lancieren Kanzleien ihre PR-Arbeit aktiv und lenken gezielt Aufmerksamkeit auf sich. Oder sie betreuen Mandate, deren medialer Zündstoff absehbar ist; etwa bei „heißen“ Gerichtsverfahren. Sollten telefonische Anfragen doch einmal aus dem Nichts hereinflattern, ist es vollkommen in Ordnung zurückzurufen; am besten innerhalb einer Stunde.
Auf den Punkt
Redakteure haben ihr Storyboard im Kopf. Kluge Anwälte gestalten diese Gedankenskizze zu ihren Gunsten mit. Sie denken in Schlagzeilen. Was soll in der Öffentlichkeit ankommen? Wie kann ich mein Anliegen verdichten und geschickt zuspitzen? Für welche Werte stehe ich? Sie begegnen Medienvertretern partnerschaftlich, respektvoll und professionell und plaudern nicht kumpelhaft. Das, was sie zu sagen haben, pointieren beliebte Juristen nicht von oben herab, sondern bodenständig auf Augenhöhe. Profis verzichten auf Ausflüchte wie Jein-Antworten oder Intros wie „Lassen Sie mich zuerst einmal erläutern ...“. Denn damit outen sie sich entweder als unprofessionell oder unsicher. Ironie, Sarkasmus, fragwürdige Scherze und Sticheleien über Wettbewerber gehen gar nicht. Gegenfragen können eine Strategie sein, um Zeit zu gewinnen. Doch Vorsicht: Konter gehen leicht nach hinten los, wenn sie aus Verzweiflung eingesteuert werden. Menschen überzeugen dann, wenn sie ihre Position auf den Punkt bringen und sogar die Essenz komplexer Fälle in einem Satz zusammenfassen. Starke Statements sind kompakt, stimmig und positiv. Das impliziert auch die Kunst, Negatives aus Fragen nicht zu übernehmen und die eigene Überzeugung konstruktiv zu transportieren. Übrigens: Statements müssen nicht unbedingt auf die Fragen der Journalisten eingehen: Kernbotschaften wirken trotzdem.
Zwischen Angriff und Verteidigung
Kriminalität oder heftige Streitigkeiten ziehen immer. Denn Strafverfahren polarisieren und heizen Emotionen an. So unbequem Presseanfragen für die Beklagten und ihre Anwälte auch sind, so desaströs wirken sich Abwehrmechanismen oder Attacken aus. „Kein Kommentar“ ist definitiv keine Lösung: Wer blockt hat offenbar Dreck am Stecken. Erfahrene Kommunikatoren beziehen frühzeitig Position anstatt sich einer medialen Hetzjagd auszuliefern. Die Berichterstattung wird kurzfristig zwar trotzdem aufflackern, beruhigt sich danach jedoch wesentlich schneller. Und sie sprechen in sensiblen Fällen niemals „off the records“. Primär geht es darum, Medienberichte ganz zu vermeiden oder eine chancengleiche Berichterstattung zu begünstigen. Medienkompetente Sprecher verteidigen sich nicht, provozieren nicht und sprechen keine Schuldzuweisungen aus. Und sie verwickeln sich nicht in Widersprüche. Klug ist es, Verdachtsmomente aufzugreifen, jedoch nicht ausdrücklich darauf einzugehen. Profis vermeiden Vokabular wie Staatsanwaltschaft, Klage, Ermittlungsverfahren, Vorwurf oder Gerichtsprozess. Denn damit haften sie sich selbst die negativ konnotierten Reizwörter ans Revers und begeben sich in explosives Gelände. Nach dem ersten Statement heißt es: Zurückhaltung inszenieren, nicht überall mitmischen und womöglich neue Wendungen in die eigenen Aussagen bringen. Das ist brandgefährlich.
Susanne Kleiner ist freie PR-Beraterin, Texterin, Journalistin und Mediatorin in München und kooperiert mit Rechtsanwälten als Expertin für Litigation-PR. Außerdem berät sie in allen Fragen rund um die Kanzlei-PR und Markenstrategie und entwickelt Image- und Werbetexte für Online- und Printmedien. Als Dozentin, Trainerin (dvct) und Coach (dvct) vermittelt sie mediale und persönliche Kommunikationskompetenz für Rechtsanwälte.