Dr. Jens Freiberg: Kein Problem mit dem Impairment-only – Beweis des Unmöglichen?
An keiner Bilanzierungsfrage entzündet sich in der internationalen Rechnungslegung nach wie vor eine so große Kontroverse wie an der Folgebewertung eines derivativ erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts. Nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) liegt zwar – anders als im deutschen Handelsrecht – ein emanzipierter Vermögenswert vor, eine separate planmäßige Folgebewertung wird aber ausgeschlossen. Der Goodwill ist nur außerplanmäßig abzuwerten, eine Zuschreibung scheidet aus. Die Werthaltigkeit ist mindestens einmal im Jahr durch eine (Discounted-Cashflow-)Bewertung einer Vermögensgesamtheit, der im Erwerbszeitpunkt aufgrund subjektiver Synergieerwartungen Geschäfts- oder Firmenwert zugerechnet wurde, zu belegen. Gegenübergestellt werden eine Cashflow-Größe und ein buchhalterischer Betrag, somit also zwei Maßstäbe, die nicht zusammenpassen. Da der Goodwill residual als Differenz von Kaufpreis und Nettovermögen bestimmt wird, steht er unter dem (General-)Verdacht, neben tatsächlichen Mehrerlöspotentialen auch gezahlte „Mondpreise“ auszudrücken. Eine eigentlich erforderliche – durch europäische Enforcement-Stellen auch gewollte – Abschreibung kann mutmaßlich nur unterbleiben, weil derivativer und originärer (selbst erstellter) Geschäfts- oder Firmenwert miteinander verschmelzen oder vermischt werden.
Die anhaltende Kritik und Ablehnung gegenüber dem Impairment-only Approach führte zu einer Aufnahme der Bewertungskonzeption in das aktuelle Arbeitsprogramm des International Accounting Standards Board (IASB). Besonderen Enthusiasmus für eine Anpassung des Regelwerks lässt der Standardsetzer aber nicht erkennen. Sich überhaupt mit dem – als überlegen angesehenen – Konzept zu befassen ist wohl nur ein Akt der Höflichkeit zur Beschwichtigung der „lautesten“ Kritiker. Aus unerwarteter Richtung bekommt der IASB nun Schützenhilfe. Gerade innerhalb Europas werden die fehlende planmäßige Abschreibung und das hohe subjektive Element des Impairment-only als notwendige Verbesserung des Regelwerks angesehen. Die harmonisierte Bilanzrichtlinie (2013/34/EU) schließt eine nur außerplanmäßige Folgebewertung aus. Nach einer aktuell veröffentlichten empirischen Studie der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG, What do we really know about goodwill and impairment?, Oktober 2016), die für die Beurteilung einer Übernahme der IFRS in europäisches Recht berufen ist, führt die aktuelle Bewertungskonzeption aber nicht zu der mutmaßlich negativen Rückwirkung auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Ausgehend von einer Grundgesamtheit von 328 europäischen Unternehmen ergeben sich für den – auch durch die Finanzkrise geprägten – Zeitraum von 2006 bis 2014 die folgenden, aus Perspektive des IASB erfreulichen Erkenntnisse:
– Das Gesamtvolumen des bilanziell erfassten (also irgendwann einmal derivativ erworbenen) Geschäfts- oder Firmenwerts stieg ausgehend von 2005 über den Betrachtungszeitraum und für die ausgewählte Grundgesamtheit um ca. 43 % auf insgesamt 1 341 Mrd. Euro an.
– Im Verhältnis zum bilanziellen Gesamtvermögen ist der Anteil des Goodwill mit ca. 3,7 % – allerdings unter Einbezug von Unternehmen des Finanzsektors – relativ stabil geblieben.
– Das Verhältnis des Geschäfts- oder Firmenwerts zum Nettovermögen (Eigenkapital) ist hingegen seit 2008 rückläufig und beträgt 2014 noch ungefähr 29 %.
– In den Kalenderjahren 2008 und 2011, den maßgeblich durch die Finanzkrise geprägten Jahren, waren die Abschreibungen auf den Goodwill betragsmäßig am bedeutsamsten. Auch 2012 wurden noch umfangreiche Wertberichtigungen erfasst.
Die Ergebnisse der Studie sind geeignet, Zweifel an der (unbelegten) Kritik am Impairment-only Approach zu nähren. Zumindest liegen nun empirische Erkenntnisse vor, die den normativen Disput noch einmal beleben dürften. Allerdings lässt sich empirisch vieles beweisen und noch mehr widerlegen – die Gegenstudie kommt bestimmt.
Dr. Jens Freiberg WP, ist Leiter der Zentralabteilung Rechnungslegung der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am Standort Düsseldorf, Mitglied der Arbeitskreise IFRS-Rechnungslegung und Finanzinstrumente des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V. sowie Mitglied des IFRS-Fachausschusses des DRSC e. V. und des IASB Advisory Council.