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BB-Standpunkte
25.01.2016
BB-Standpunkte
Dr. Norbert Lüdenbach: IFRS 16 „Leases“ – eine bittere Arznei

Am 13.1.2016 hat der International Accounting Standards Board (IASB) den ab 2019 anzuwendenden Standard IFRS 16 „Leases“ veröffentlicht und damit ein (Groß-)Projekt abgeschlossen, das bereits 2006 in das Arbeitsprogramm des IASB aufgenommen wurde. Zum Ziel des Projekts hatte Sir David Tweedie (ehemaliger Chairman des IASB) 2008 angemerkt: „One of my great ambitions before I die is to fly in an aircraft that is on an airline’s balance sheet.“ Dieser Zielsetzung entsprechend sind die meisten Leasingverhältnisse zukünftig in der Bilanz des Leasingnehmers zu erfassen. Die bisherige Unterscheidung zwischen Operating Lease (off balance) und Finance Lease (on balance) entfällt. Genauer: Sie entfällt nur für den Leasingnehmer. Die Regelungen für die Bilanzierung beim Leasinggeber bleiben (inkl. der vorgenannten Unterscheidung) weitgehend unverändert. Dies ist die erste bittere Pille, die der IASB verabreicht: Durfte man bisher zu Recht erwarten, dass Verbindlichkeiten in der Bilanz der einen Vertragsseite entsprechende Forderungen in der Bilanz der anderen Seite gegenüber stehen, gilt zukünftig für Leasingverhältnisse, die durch den Leasinggeber als Operating Lease klassifiziert werden: Der Leasingnehmer weist eine Verbindlichkeit aus, der Leasinggeber aber keine Forderung.

Eine zweite Pille folgt sogleich: Die programmatisch seit einigen Jahren vertretene Hinwendung des IASB zu einer „prinzipienorientierten“ statt kasuistischen (regelorientierten) Rechnungslegung wird (wieder einmal) geopfert. Der Bilanzierende erhält nach IFRS 16.5 ein Wahlrecht, kurzfristige Nutzungsüberlassungen und solche über „geringwertige“ Vermögenswerte nicht on balance zu behandeln, sondern die Leasingzahlungen als laufenden Aufwand zu erfassen.

In der Rechtsanwendung werden sich hier zahlreiche Abgrenzungsfragen ergeben. So ist etwa ein Leasingvertrag nicht schon dann als kurzfristig zu qualifizieren, wenn die unkündbare Laufzeit zwölf Monate nicht übersteigt, vielmehr beeinflussen etwaige Verlängerungs- oder Kündigungsoptionen je nach Ausstattung diese Qualifizierung. Hier müssen im Unternehmen Bilanzierungsrichtlinien fixiert und Verträge analysiert werden, um die gewünschte Bilanzpolitik zu implementieren.

Die zweite Ausnahme betrifft geringwertige Vermögenswerte (low-value assets). Als Anhaltspunkt für die Abgrenzung solcher Vermögenswerte verweist der IASB auf Vermögenswerte, die – nach den (fortzuschreibenden) Preisverhältnissen bei Erlass des Standards – einen (Neu)-Wert von ca. 5000 US-Dollar oder weniger vorweisen (IFRS 16.BC100). Die Inanspruchnahme dieser Erleichterungsvorschrift kann – um die Verwirrung komplett zu machen – für jedes Leasingverhältnis einzeln getroffen werden (IFRS 16.8), der für den Angestellten Müller geleaste PC also aktiviert werden, der für seinen Büronachbarn Meier geleaste hingen nicht

Die dritte Pille betrifft Bilanzanalyse und Bilanzpolitik: Alle Leasingvereinbarungen, die sich als Lease qualifizieren, führen beim Leasingnehmer zum Ansatz eines Nutzungsrechts an dem Leasinggegenstand. Die Aktivierung dieses Right-of-Use Asset erfolgt gegen die Passivierung einer Leasingverbindlichkeit. Das Ergebnis ist eine Bilanzverlängerung und somit bei tatsächlich unveränderten Verhältnissen eine rein technisch verursachte Reduktion der Eigenkapitalquote. Auch die Gewinn- und Verlustrechnung ist betroffen: Das Nutzungsrecht ist planmäßig (ggf. auch außerplanmäßig) abzuschreiben, der Zinsanteil der Leasingraten führt zu Zinsaufwand. Weil der Zinsanteil im Zeitablauf sinkt, reduziert sich auch der Gesamtaufwand aus dem Leasingverhältnis auf der Zeitachse. Anders als bisher ist ein konstanter Aufwandsverlauf nicht mehr darstellbar. Überdies führt die Anwendung von IFRS 16 zu einer Verschiebung zwischen den Aufwandsarten.  Wurde bisher im Gesamtkostenverfahren bei einem Operating Lease nur der sonstige betriebliche Aufwand angesprochen, sind die Leasingzahlungen zukünftige in eine Finanzierungs- und eine Abschreibungskomponente aufzuteilen. EBIT, EBITDA und andere Kennzahlen ändern sich, ebenso wie in der Kapitalflussrechnung der operative Cashflow, da der Zinsanteil der Leasingzahlungen diesen entlastet.

Allerdings gilt für die deutsche (also auch für diese) Kritik an IFRS 16 auch: „Wer neue Pillen scheut, muss alte Übel dulden.“ Wenn das deutsche Handelsrecht sich weiterhin jeglicher Reglung zum Leasing enthält, wird es auch zukünftig mit dem Übel der durch professionelle Gestaltungen weitgehend zahnlos gewordenen Leasingerlasse leben müssen.

Dr. Norbert Lüdenbach, WP/StB, ist Leiter der Zentralabteilung Rechnungslegung der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am Standort Düsseldorf, Ständiger Mitarbeiter des „Betriebs-Berater" und Mitglied des Arbeitskreises HGB-Rechnungslegung des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V.

 

 

 

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