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BB-Standpunkte
14.07.2014
BB-Standpunkte
Dr. Klaus Moosmayer: Gesetzesvorschlag des BUJ – positive Anreize statt Unternehmensstrafrecht

Es besteht kein Zweifel daran, dass das bisher bestehende Regelinstrumentarium zur Ahndung von Wirtschaftskriminalität auf Unternehmensebene in Deutschland unzureichend ist. Spektakuläre Bußgeldentscheidungen der letzten Jahre gegen einzelne Unternehmen wie Siemens, MAN oder Ferrostaal sollten nicht den Blick darauf verstellen, dass es sich dabei um – vorwiegend außerhalb eines Gerichtsverfahrens – ausgehandelte „Vergleiche“ zwischen den Unternehmen und einzelnen Strafverfolgungsbehörden handelt.

Die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD hat entsprechenden Handlungsbedarf erkannt. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, die bestehenden Regelungen für Unternehmenssanktionen zu überprüfen. Ein fertiger Gesetzesentwurf liegt bereits in der Schublade, denn der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) hatte schon im September 2013 seinen „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden“ – kurz: Verbandsstrafgesetzbuch – vorgestellt. Dessen Einführung in den Bundesrat ist dem Vernehmen nach für Ende des Jahres geplant.

Das Verbandsstrafgesetzbuch schreibt u. a. den Amtsermittlungsgrundsatz gegenüber Unternehmen fest und regelt darüber hinaus eine Reihe von teilweise drastischen Sanktionsmöglichkeiten bis hin zur Auflösung eines „kriminellen“ Unternehmens.

Wenngleich die Überlegungen des Gesetzesentwurfs zu einer Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen bei der Strafbemessung wegweisend und richtig sind, verfehlen sie dennoch ihr Ziel. Neben den nach wie vor rechtsdogmatischen Bedenken im Hinblick auf den Schuldgrundsatz besteht für ein eigenes Unternehmensstrafrecht schlicht keine Notwendigkeit. Statt sich auf verfassungsrechtlich dünnes Eis zu begeben, sollten lieber die bestehenden Möglichkeiten des OWiG vollständig genutzt und ggf. ergänzt werden. Einen entsprechenden Vorschlag hat die Fachgruppe Compliance im Bundesverband der Unternehmensjuristen e.V. (BUJ) mit der wissenschaftlichen Unterstützung von Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Werner Beulke bereits erarbeitet und vorgelegt: Dieser sieht vor, die Paragrafen 30 und 130 OWiG zu ändern bzw. zu ergänzen. Demnach sollen Compliance-Vorkehrungen seitens der Unternehmen bei Verstößen künftig bußgeldmindernd Berücksichtigung finden, im Falle einer vollständigen Wiedergutmachung gegenüber den Geschädigten oder einer umfassenden Selbstanzeige sollen die Bußgelder sogar ganz entfallen können. Damit geht keinesfalls eine Belohnung von Fehlverhalten einher, wie dies von Kritikern bereits moniert wird, sondern es sollen vielmehr positive Anreize gesetzt werden, durch die es erst gar nicht zu Gesetzesverstößen kommt. Die Bußgeldminderung bzw. der Bußgelderlass sind an Bedingungen geknüpft, die ein klares Bekenntnis zur Compliance erfordern.

Auch das beste Compliance-System wird Fehlverhalten nie ganz verhindern. Unternehmen, die im Rahmen guter Compliance Gesetzesverstöße intern aufklären und selbst anzeigen, brauchen daher Rechtssicherheit, dass sie für ihr redliches Verhalten nicht auch noch bestraft werden. Rechtssicherheit wird durch klare Vorgaben geschaffen, weswegen der vom BUJ vorgelegte Gesetzgebungsvorschlag erstmals auch die Aufsichts- und Organisationspflichten inhaltlich konkretisiert. Sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur haben über Jahre hinweg eine Auslegung dieser Pflichten vorgenommen, ohne den Unternehmen klare Leitlinien für eine effektive Compliance an die Hand zu geben. Weltweit erfolgreiche „Standards“ wie die US Sentencing Guidelines oder der UK Bribery Act zeigen jedoch, dass dies auch anders geht.

Gemeinsames Ziel von Politik, Wirtschaft wie auch der Gesellschaft sollte es sein, die von Unternehmen ausgehenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zulasten Dritter zu unterbinden. Anzusetzen ist daher primär bei der Prävention. Den Verantwortlichen in den Unternehmen muss klar gemacht werden, dass sich Compliance lohnt. Hier gibt es bisher keine ausreichenden Anreize. Regelungen im Kartell-, Steuer- und neuerdings auch dem Außenwirtschaftsrecht zeigen, dass die Behörden und der Gesetzgeber bereit sind, eigene Aufklärung zu honorieren. Daran knüpft der Gesetzgebungsvorschlag des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen an, ohne in die dogmatische Struktur des Rechts der Unternehmenssanktionen über Gebühr einzugreifen.

 

 

 

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