Dr. Bartosz Sujecki: EuZVO: Neues zum Annahmeverweigerungsrecht
Bei Zustellungen in grenzüberschreitenden Gerichtsverfahren müssen die Interessen aller Beteiligten in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden. Einerseits möchte der Kläger eine möglichst schnelle Durchführung der Zustellung und somit auch des gerichtlichen Verfahrens erreichen. Andererseits darf die schelle Durchführung der Zustellung und des Verfahrens nicht auf Kosten des Beklagten erfolgen. Gleichzeitig ist auch das verfahrensführende Gericht an einer möglichst effizienten Durchführung des Verfahrens interessiert.
Im Rahmen der EuZVO (Verordnung [EG] Nr. 1393/2007) nimmt das in Art. 8 EuZVO geregelte Annahmeverweigerungsrecht des Empfängers des zuzustellenden Schriftstücks in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle ein. Denn der Kläger hat zwar nach der EuZVO die Möglichkeit, von einer Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks abzusehen. Allerdings hat der Beklagte dann gemäß Art. 8 EuZVO das Recht, die Annahme des Schriftstücks zu verweigern, wenn es nicht in die Sprache des Empfangsmitgliedstaates oder in eine andere Sprache übersetzt wurde, die der Empfänger versteht. Dieses Annahmeverweigerungsrecht kann der Zustellungsempfänger aber nur ausüben, wenn er über diese Möglichkeit ausreichend belehrt wurde. Mit der Reform der Zustellungsverordnung hat der Europäische Gesetzgeber daher ein einheitliches Formblatt zur Belehrung des Empfängers in Anhang II der EuZVO eingeführt. Durch dieses Formblatt, das in allen Mitgliedsprachen verfügbar ist, wird der Zustellungsempfänger bei der Zustellung darüber informiert, dass er das Recht hat, die Annahme des Schriftstücks zu verweigern, wenn das Schriftstück den sprachlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 EuZVO nicht entspricht.
In einem derzeit beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahren (vgl. Rs. C-519/13, Alpha Bank) steht die Frage im Mittelpunkt, ob die Verwendung des Formblatts obligatorisch und somit auch dann erforderlich ist, wenn zum Beispiel das Schriftstück in der Sprache des Empfangsmitgliedstaates verfasst ist. In dem diesem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalt erfolgte die Zustellung in einem Gerichtsverfahren in Zypern an in England ansässige Empfänger, wobei allerdings nicht alle zugestellten Schriftstücke in englischer Sprache verfasst wurden. Darüber hinaus wurde auch das Formblatt über das Annahmeverweigerungsrecht nicht an die Empfänger zugestellt. Daher stellte sich in diesem Verfahren die Frage, ob die Verwendung des Formblatts zwingend ist und, wenn ja, auf welche Weise die Nichtverwendung des Formblatts geheilt werden kann.
In seinen Schlussanträgen hat sich Generalanwalt Wathelet für eine zwingende Verwendung des Formblatts ausgesprochen. Dieses ergebe sich insbesondere aus dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 EuZVO, der der Empfangsstelle keinen Ermessensspielraum über die Verwendung dieses Formblatts lasse. Aus diesem Grunde müsse, so der Generalanwalt, das Formblatt immer verwendet werden. Dieses gelte auch dann, wenn das Schriftstück den sprachlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 EuZVO entspricht, zumal es keine große Anforderung darstelle, dieses Formblatt zu verwenden. Nur durch die Verwendung dieses Formblatts könne nämlich gewährleistet werden, dass der Empfänger eindeutig über die Möglichkeit der Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts aufgeklärt werde. In Bezug auf die Heilungsmöglichkeiten betont Generalanwalt Wathelet unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH zunächst, dass die Nichtverwendung des Formblatts die Rechte des Empfängers nicht beeinträchtigen dürfe. Deshalb müsse das verfahrensführende Gericht zunächst untersuchen, ob die Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 EuZVO erfüllt sind. Sollte dies nicht der Fall sein und damit eine Verletzung der Rechte des Empfängers drohen, müssen diese Mängel umgehend geheilt werden, so dass die fehlende Übersetzung zusammen mit dem Formblatt erneut an den Empfänger zugestellt werden müsse. Diese erneute Zustellung müsse den Anforderungen der EuZVO entsprechen, so dass lediglich eine Zustellung des Formblatts an den Anwalt des Empfängers nicht ausreiche.
Die durch den Generalanwalt vorgeschriebene obligatorische Verwendung des Formblatts ist insbesondere in den Situationen problematisch, in denen das Annahmeverweigerungsrecht eindeutig nicht ausgeübt werden kann. Dieses gilt vor allem dann, wenn das zuzustellende Schriftstück den sprachlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 EuZVO entspricht. Aus diesem Grund erscheint es äußerst bedenklich, auch dann die Verwendung des Formblatts zu verlangen, wenn das Schriftstück zum Beispiel in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates verfasst ist. In diesem Fall kann nämlich die Annahme nicht verweigert werden. Der durch den Generalanwalt gewählte Ansatz, nach dem beim Fehlen des Formblatts untersucht werden muss, ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte des Empfängers tatsächlich vorliegt, führt im Ergebnis dazu, dass das Verfahren, das aufgrund seines grenzüberschreitenden Charakters sowieso langwierig ist, noch weiter verzögert werden kann.
Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH sich der Sichtweise des Generalanwalts nicht anschließen wird.
Dr. Bartosz Sujecki, Rechtsanwalt und advocaat, Partner, Bavelaar Rechtsanwälte, Amsterdam, Niederlande