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BB-Standpunkte
07.07.2014
BB-Standpunkte
Isabel Oest: EuGH bestätigt mögliche Haftung von Kartellanten für das sog. Umbrella-Pricing

Unternehmen prüfen heutzutage routinemäßig die Bußgeldentscheidungen der Kartellbehörden darauf hin, ob sie durch die bebußten Kartelle geschädigt worden sind und von wem sie diese Schäden gegebenenfalls ersetzt verlangen können. In einem wegweisenden Urteil vom 5. 6. 2014 – Rs. C-557/12, Kone ist der EuGH den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott gefolgt und hat nun entschieden, dass Geschädigte von den Kartellanten auch solche Schäden ersetzt verlangen können, die durch Preiserhöhungen von Kartellaußenseitern unter dem Preisschirm des Kartells entstanden sind. Das bedeutet grundsätzlich höhere Belastungen für Kartellanten, mehr Geld für Geschädigte und zusätzliche Arbeit für Gerichte und Anwälte.

Ausgangspunkt des EuGH-Urteils ist eine von einer Tochtergesellschaft der österreichischen Bundesbahn angestrengte Schadenersatzklage gegen die Beteiligten des Aufzugs- und Fahrtreppenkartells. Das geschädigte Unternehmen macht in diesem Verfahren vor den österreichischen Zivilgerichten nicht nur den Schaden geltend, der sich auf die von den Kartellanten abgenommenen Produkte bezieht, sondern verlangt zudem Ersatz des Schadens, der beim Kauf nicht kartellierter Produkte dadurch entstanden ist, dass die nicht am Kartell beteiligten Unternehmen im Gefolge des Kartells ebenfalls ihre Preise angehoben haben (sog. „Umbrella-Pricing“). Da nach der österreichischen Rechtsprechung  die Geltendmachung eines durch Umbrella-Pricing entstandenen Schadens am fehlenden Kausalzusammenhang scheitert, stellte sich in dem Verfahren die Frage, ob nicht das Unionsrecht einen solchen Anspruch gebietet.

Nach dem Unionsrecht muss jeder, der durch ein Kartell geschädigt wurde, von den Kartellbeteiligten Schadensersatz verlangen können. Der EuGH hat nun festgestellt, dass zu diesem Schaden auch "Zuvielzahlungen" gehören, die daraus herrühren, dass ein Dritter seine Preise höher ansetzt, als er dies ohne Kartell getan hätte.  Ein Gericht muss deshalb prüfen, ob ein Kartell nach den Umständen des konkreten Falls und den Besonderheiten des betreffenden Marktes ein Umbrella-Pricing durch eigenständig handelnde Dritte zur Folge haben konnte, ob dem Abnehmer dadurch ein Schaden entstanden ist und ob diese Umstände den Kartellbeteiligten auch nicht verborgen bleiben konnten.

Aus Klägersicht ist der mögliche Ersatz von durch Umbrella-Pricing entstandenen Schäden ein nettes "Add-on" für Vergleichsverhandlungen, angesichts der Beweispflicht für das Umbrella-Pricing im Prozess vielleicht aber auch nur ein Danaer-Geschenk. Beklagte werden sich darauf einzustellen haben, dass bei Betrachtung eines worst case scenario die möglichen Schadensersatzverpflichtungen viel höher als bisher ausfallen werden.

 

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