Kay Höft, M.A. (BWL): Erweiterte Exportkontrolle – „Technische Unterstützung“ in der Kommunikationsaufklärung
Die Technik zur Überwachung des Internets und von Telekomverkehren ist schon seit Jahren im besonderen Fokus sowohl der Allgemeinheit als auch der Presse. In diesem Zusammenhang kündigte das BMWi im Mai 2014 an, bei der Exportkontrolle von bestimmten Gütern der Überwachungstechnik strenge Maßstäbe anzusetzen. Das Wassenaar Plenary (das Entscheidungsgremium des Wassenaar-Exportkontrollregimes) hatte hierzu zwar bereits im Dezember 2013 neue Listenpositionen beschlossen. Der Umsetzungsakt, der zur rechtsverbindlichen Aufnahme als kontrollpflichtige Güter in Anhang I der Dual-Use-VO (EG) Nr. 428/2009 erforderlich ist, erging jedoch erst zum 31.12.2014.
In der so entstandenen Übergangsphase zwischen Beginn und Ende des Jahres 2014 sah das BMWi eine Kontrolllücke und veröffentlichte ab Mitte des Jahres 2015 einen eigenen Verordnungsentwurf zur Änderung der AWV, der eine Überraschung offenbarte: Die AWV sollte um neue Genehmigungs- und Unterrichtungspflichten für das Erbringen „technischer Unterstützung“ ergänzt werden. Gleichzeitig wurden nationale Dual-Use-Güter aufgenommen, die zusätzlich den Ausfuhr- und Verbringungstatbeständen der AWV unterliegen.
Die Änderungsverordnung zur AWV trat schließlich am 18.7.2015 in nahezu unveränderter Fassung in Kraft. Die neuen Vorschriften dürften aufgrund ihres engen Anwendungsbereichs allerdings nur eine sehr kleine Gruppe von Unternehmen betreffen.
Die technische Unterstützung ist ein selbstständiger Tatbestand, der neben Ausfuhr, Verbringung und Vermittlung steht. Die neuen §§ 52 a und 52 b AWV folgen der komplizierten Systematik der kontrollierten Dienstleistungsverkehre. Dabei zeigen sich einige Besonderheiten:
Der Begriff der „technischen Unterstützung“ ist in § 2 Abs. 16 AWG legaldefiniert. Erfasst sind Unterstützungsleistungen in Drittländern, wobei Empfänger begünstigt werden, die in der EU oder in Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz oder den USA ansässig sind.
Neu sind die Kontrollgüter, auf die sich die Unterstützung beziehen muss. So adressiert § 52 a AWV die seit Januar dieses Jahres in Anhang I der Dual-Use-VO aufgenommene „Intrusion Software“ und bestimmte „Telekommunikationssysteme“. § 52 b AWV erfasst dagegen „Überwachungszentren“ sowie „Vorratsdatenspeicherungssysteme“ nach „Lawful Interception Standards“, die erst seit wenigen Wochen in Teil I Abschnitt B der Ausfuhrliste zu finden sind.
Es ist bemerkenswert, dass im Vergleich zu der bisherigen Regelung ein gewisser Wertungswiderspruch zu Tage tritt. Denn nach dem unverändert gebliebenen § 50 AWV ist eine technische Unterstützung im Zusammenhang mit einer militärischen Endverwendung und sonstigen Rüstungstechnologien zulässig, sofern sie nicht in einem Waffenembargoland nach Art. 4 Abs. 2 Dual-Use-VO erbracht wird. Das bedeutet, dass bestimmte nationale Dual-Use-Güter strenger kontrolliert werden als sonstige Rüstungsgüter.
Die Absätze 1 der §§ 52 a und 52 b AWV setzen weiterhin voraus, dass das BAFA den Normadressaten förmlich über den Verwendungszweck unterrichtet. Die Absätze 2 begründen einen anderen Mechanismus, wonach der Erbringer der Dienstleistung seinerseits das BAFA zu informieren hat, wenn ihm bekannt ist, dass eine geplante technische Unterstützung für einen in Absatz 1 genannten Zweck bestimmt ist. Diese eigenständige Informationspflicht ist dahingehend auszulegen, dass sich die Kenntnis auch auf die übrigen Voraussetzungen in Bezug auf Ort der Erfüllung und Empfänger der technischen Unterstützung beziehen muss.
Um eine Übergangsregel zu schaffen, gelten die jeweiligen Absätze 1 und 2 der §§ 52 a und 52 b AWV nicht, wenn die technische Unterstützung der Erfüllung eines Vertrages dient, der vor dem 13.5.2015 geschlossen und mit der Erbringung der technischen Unterstützung bereits begonnen wurde. Diese Regelung tritt allerdings ab dem 1.1.2016 außer Kraft.
Das BMWi hat bereits in Aussicht gestellt, die neuen Vorschriften nach Inkrafttreten einer entsprechend angepassten Dual-Use-VO der EU auf Grund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts wieder aufzuheben. Anpassungen in diesen Bereichen sind ab Ende 2016 zu erwarten. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Problematik findet sich demnächst in dem Beitrag von Höft/Kreuzer, RIW 2015, Heft 9 (September).
Kay Höft ist Rechtsanwalt und verfügt über mehrere Jahre Berufserfahrung als Syndikus in mittelständischen Konzernunternehmen, insbesondere in der Beratung zu exportkontrollrechtlichen Fragen (Kontakt@rechtsanwalt-hoeft.de).