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BB-Standpunkte
23.08.2018
BB-Standpunkte
Dr. Dimitri Slobodenjuk: Erster Präzedenzfall – die Bundesregierung untersagt den Erwerb von Leifeld durch einen chinesischen Investor

Mit dem Untersagungsvotum vom 1. August 2018 hat die Bundesregierung einen Präzedenzfall geschaffen: Zum ersten Mal wurde der Erwerb eines deutschen Unternehmens durch einen ausländischen Investor auf Grundlage der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) verhindert.

Dem Untersagungsvotum ist eine sog. sektorübergreifende Prüfung nach § 55 AWV vorausgegangen. Nach dieser Vorschrift kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) prüfen, ob die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet wird, wenn ein sog. Unionsfremder mindestens 25 % der Stimmrechte an einem deutschen Unternehmen erwirbt. Eine solche Gefährdung kann insbesondere vorliegen, wenn das inländische Unternehmen Betreiber einer sog. „kritischen Infrastruktur“ ist. Dieser Begriff wird sowohl in der AWV als auch in der Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz näher konkretisiert.

Leifeld Metal Spinning ist ein deutscher Hersteller von besonders festen Materialien, die in der Luft- und Raumfahrt, aber auch im Nuklearbereich eingesetzt werden können. Aus Sicht des BMWi war diese Tätigkeit wohl im Bereich der "kritischen Infrastruktur" anzusiedeln. Aus diesem Grund bat das BMWi die Bundesregierung um Zustimmung, den Erwerb von Leifeld Metal Spinning durch den chinesischen Investor Yantai Taihai zu untersagen. Mit dem Untersagungsvotum wurde diese Zustimmung erteilt. Allerdings hatte das BMWi keine Gelegenheit mehr, das Untersagungsvotum umzusetzen, da der chinesische Investor seine Erwerbsabsicht kurz zuvor aufgegeben hatte.

Auch wenn über die Einzelheiten der Erwägungen der Bundesregierung wenig bekannt ist, stellt das Untersagungsvotum im Ergebnis keine große Überraschung dar. Es war eine absehbare Folge der politischen Entwicklungen in jüngerer Zeit, in der insbesondere Investitionen von chinesischen Unternehmen immer kritischer beäugt wurden.

Zu diesen Entwicklungen passt auch die Ankündigung des Bundeswirtschaftsministers Altmaier, die AWV weiter zu verschärfen. So soll die Eingriffsschwelle nach der AWV von aktuell 25 % auf 15 % der Stimmrechte herabgesenkt werden. Des Weiteren soll die Bundesregierung in besonders problematischen Fällen, die möglicherweise mit einer Untersagung enden, deutlich mehr Zeit für die entsprechende Entscheidung erhalten. In einem Worst-case-Szenario kann sich damit das Verfahren über zehn Monate hinziehen. Die entsprechenden Änderungen sollen noch dieses Jahr in Kraft treten.

Auch wenn der Schutz strategischer Technologien grundsätzlich einen legitimen Zweck darstellt, scheinen die oben aufgezeigten Entwicklungen für den Investitionsstandort Deutschland – zumindest auf den ersten Blick – keine guten Nachrichten zu sein. Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, welchen Kurs die Bundesregierung im Rahmen der Investitionsprüfungen nach der AWV künftig einschlagen wird. Nach der AWV genießt sie jedenfalls einen recht weiten Ermessensspielraum. Im Hinblick auf das Investitionsklima in Deutschland ist daher zu hoffen, dass sie diesen Spielraum mit Augenmaß einsetzt, um die Durchführung von Transaktionen nicht unnötig zu erschweren oder gar zu verhindern.  

Dr. Dimitri Slobodenjuk, LL.M., ist Counsel im Düsseldorfer Büro der Rechtsanwaltskanzlei Clifford Chance. Er berät Unternehmen aus verschiedenen Industriesektoren zum europäischen bzw. deutschen Kartellrecht, insbesondere im Hinblick auf Fusionskontrolle, Kartell- und Missbrauchsverfahren, Compliance sowie Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen. Er ist außerdem auf außenwirtschaftsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen spezialisiert.

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