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BB-Standpunkte
18.02.2019
BB-Standpunkte
Karina Sander: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen tarifvertragliche Differenzierungsklauseln – Zwischen Anreiz und Zwang

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte über eine Verfassungsbeschwerde eines nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten zu entscheiden, der sich durch eine Differenzierungsklausel in einem Sozialtarifvertrag benachteiligt sah. Das BVerfG bestätigte in seinem Beschluss vom 14. November 2018 (Az.: 1 BvR 1278/16), dass sogenannte Differenzierungsklauseln in einem Tarifvertrag zulässig sind.

In dem streitgegenständlichen Sozialtarifvertrag sollten Überbrückungs- und Abfindungsleistungen nur diejenigen Arbeitnehmer erhalten, die zu einem in der Vergangenheit liegenden Stichtag Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft waren. Für nicht organisierte Beschäftigte galten die individualvertraglichen Regelungen und solche aus dem Sozialplan. Der nicht organisierte Beschäftigte klagte vor den Arbeitsgerichten erfolglos auf die Leistungen, die nach dem Tarifvertrag nur Gewerkschaftsmitglieder erhielten.

Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das BVerfG weist zutreffend darauf hin, dass Art. 9 Abs. 3 GG auch die Freiheit schütze, Vereinigungen zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen fernzubleiben. Eine Verletzung dieser negativen Koalitionsfreiheit aufgrund der tarifvertraglichen Differenzierungsklausel liege jedoch nicht vor. Zur Begründung führt das BVerfG aus, die unterschiedliche Behandlung von organisierten und nicht organisierten Arbeitnehmern bedeute noch keine Verletzung des Art. 9 Abs. 3 GG, solange sich daraus lediglich ein faktischer Anreiz zum Beitritt ergebe, aber weder Zwang noch Druck auf eine Mitgliedschaft ausgeübt werde. Auch mit der vorliegenden Differenzierungsklausel werde kein höherer Druck erzeugt, als derjenige, der sich stets ergebe, wenn die individual rechtlichen Vereinbarungen hinter den tarifvertraglichen Abreden zurückbleiben. Diesen Ausführungen ist zustimmen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass der Stichtag im vorliegenden Fall in der Vergangenheit lag.

Nach Ansicht des BVerfG sei auch das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG, einen Arbeitsvertrag frei zu schließen und aushandeln zu können, nicht verletzt. Das BVerfG führt aus, das von den Tarifvertragsparteien erzielte Verhandlungsergebnis bringe grundsätzlich die Interessen beider Seiten zu einem sachgerechten Ausgleich. Tarifverträgen komme eine Richtigkeitsvermutung zu. Die tarifvertraglichen Regelungen, die auf den Beschwerdeführer Anwendung fanden, waren – so das BVerfG – geeignet, die strukturelle Unterlegenheit aufzufangen. Nach der Auffassung des BVerfG liege es nicht nahe, dass generell davon ausgegangen werden müsse, dass den Grundgrundrechtspositionen von sog. "Außenseitern" bei tarifvertraglichen Differenzierungen nicht Rechnung getragen würde. Diese Argumentation kann nur bedingt überzeugen. Denn es könnte zumindest in Erwägung gezogen werden, dass die Gewerkschaft mit einer solchen Differenzierungsklausel zum Ausdruck bringt, dass sie die individualvertraglichen Abreden bzw. Regelungen in dem Sozialplan für ihre Mitglieder für nicht ausreichend hält.

Das BVerfG stellt weiter darauf ab, dass Gewerkschaften ohnehin nur befugt sind, Abreden für ihre Mitglieder zu treffen. Aufgrund der Tarifautonomie seien Gewerkschaften nicht verpflichtet, alle Beschäftigten gleichermaßen zu berücksichtigen. Schließlich könne auch nicht generell angenommen werden, dass Sozialplanvolumina im Wege tarifvertraglicher Vereinbarungen zugunsten von Mitgliedern der Gewerkschaften ausgezehrt werden. Es läge auch kein kollusives Zusammenwirken der Tarifvertragsparteien vor.

Durch die Entscheidung des BVerfG herrscht Rechtssicherheit, dass tarifvertragliche Differenzierungsklauseln zulässig sind. Es kann in Tarifverträgen geregelt werden, dass bestimmte Leistungen nur Gewerkschaftsmitgliedern zugutekommen. Es ist auch festzuhalten, dass die Schwelle vom zulässigen Anreiz zu unzulässigen Druck bzw. Zwang, sehr hoch ist und ein Entscheidungsspielraum besteht. Dennoch müssen die Tarifvertragsparteien diese Grenze bei der Ausgestaltung im Blick behalten.

Karina Sander, RA, ist Associate bei BEITEN BURKHARDT in Berlin und Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht.

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