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BB-Standpunkte
23.11.2015
BB-Standpunkte
Dr. Stefan Bischof: Enforcement-Prüfungsschwerpunkte sollten aus Unternehmenssicht früher veröffentlicht werden

Die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) hat am 27.10.2015 nunmehr zum vierten Mal die – in Abstimmung mit den nationalen europäischen Enforcementstellen erarbeiteten – gemeinsamen europäischen Prüfungsschwerpunkte veröffentlicht. Sie prüft die Einhaltung der Rechnungslegungsstandards durch europäische Unternehmen indes nicht selbst; dies ist den nationalen Aufsichtsbehörden – in Deutschland primär der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung e. V. (DPR) – vorbehalten. Am 19.11. 2015 hat diese ergänzend ihre nationalen Prüfungsschwerpunkte bekanntgegeben.  

Nachdem 2015 keine größeren Neuerungen in den Abschlüssen zu berücksichtigen waren, wenden sich die Enforcer mit den diesjährigen Prüfungsschwerpunkten inhaltlich altbekannten Dauerbrennern zu. So hat die DPR die Themen Umsatzrealisierung und Unternehmenserwerbe, die ESMA die Themen Einfluss der Finanzmarkt-Konditionen auf den Abschluss, Kapitalflussrechnung sowie Bemessung des beizulegenden Zeitwerts auf die Liste gesetzt. 

Die Veröffentlichung der Prüfungsschwerpunkte ist Teil der Präventionsmaßnahmen der Enforcer. Sie sollen es den Unternehmen ermöglichen, die bilanzielle Abbildung entsprechender Sachverhalte und der zugehörigen erläuternden Angaben im Rahmen der Abschlusserstellung nochmals einer (besonders) kritischen Würdigung zu unterziehen. Damit sollen Sanktionsmaßnahmen bzw. Fehlerfeststellungen der Enforcer von vornherein verhindert werden. Umgekehrt erwarten die Enforcer indes nachgerade die Beachtung der identifizierten Aspekte. 

Das nunmehr gefundene Zusammenspiel aus gemeinsamen europäischen und nationalen Prüfungsschwerpunkten hat sich bewährt. So wird einerseits enforcementseitig dem Ziel eines gemeinsamen europäischen Kapitalmarkts Rechnung getragen. Andererseits erlaubt es den nationalen Enforcern, nationale Besonderheiten, bspw. die Lageberichterstattung, oder von diesen als besonders kritisch empfundene Aspekte adressieren zu können.

Hinsichtlich des Zeitpunkts der Veröffentlichung der Prüfungsschwerpunkte sehen sich die Enforcer wohl einem Spagat ausgesetzt. Einerseits soll dieser Zeitpunkt so gewählt werden, dass auch aktuelle Entwicklungen berücksichtigt werden können. Anderseits sollte die Veröffentlichung der Prüfungsschwerpunkte frühzeitig erfolgen, um den Unternehmen und ihren Abschlussprüfern ausreichend Zeit zu geben, diese im Abschlusserstellungs- und -prüfungsprozess entsprechend berücksichtigen zu können. Stellt man vor allem auf die mit der Veröffentlichung der Prüfungsschwerpunkte intendierte Präventionsfunktion ab, sollte sogar überlegt werden, diese deutlich früher bekanntzugeben. Da die betroffenen Unternehmen regelmäßig Zwischenberichte veröffentlichen, schlagen sich die in den Prüfungsschwerpunkten adressierten Sachverhalte oftmals nicht nur im Konzernabschluss, sondern bereits in den Zwischenberichten nieder. Hier wäre es insbesondere aus Unternehmenssicht hilfreich, bereits bei der erstmaligen Berücksichtigung der entsprechenden Sachverhalte Kenntnis von den Prüfungsschwerpunkten zu haben. Dies kann indes freilich nur auf europäischer Ebene entschieden werden. 

Dr. Stefan Bischof, WP/StB, ist Partner bei Ernst & Young GmbH und Leiter Enforcement Services.

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