Dr. Peter Bömelburg, StB/WP, und Melanie Erhard, StB: Eine Grundsatzfrage: Beratungsbefugnis einer im europäischen Ausland niedergelassenen Steuerberatungsgesellschaft in Deutschland?
Einer Legende zufolge sind ca. 60 Prozent der weltweiten Steuerliteratur – oder gar noch mehr? - deutschsprachig. Nicht nur Politiker aller Couleur bedienten sich dieser steilen These, um zu belegen, wie komplex, nebulös und undurchschaubar das deutsche Steuersystem im weltweiten Vergleich sei – und wie dringend der deutsche Steuerdschungel entrümpelt werden müsse.
Der Forscher Albert Rädler hat versucht, den Mythos empirisch zu verifizieren. Ohne Erfolg. Auf die Frage, warum er sich trotz allem so hartnäckig halte, spricht er in seiner Studie vom „deutschen Steuermasochismus“ und von der Vorliebe der Deutschen, sich über alles, was mit dem Finanzamt zu tun hat, übermäßig schwarz zu ärgern. Oder hat die vermeintliche Überkomplexität des deutschen Steuerrechts politische Gründe? Jedenfalls pflegen die Deutschen eine besondere Beziehung zu ihrem Steuersystem. Wenn dann im Ausland ansässige Steuerberater deutschen Steuerpflichtigen ihre Dienste anbieten, ist dies ein Tiefschlag für das steuerliche Selbstwertgefühl des Deutschen - und des deutschen Steuerberaters. Genau das ist nun passiert.
Mit Beschluss vom 20.5.2014 (Az. II R 44/12, RIW 2014, 619) hat der Bundesfinanzhof den EuGH um Vorabentscheidung darüber ersucht, ob eine im europäischen Ausland niedergelassene Steuerberatungsgesellschaft aufgrund der unionsrechtlich gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit vom Ausland aus für in Deutschland steuerpflichtige Personen Steuererklärungen erstellen und diese an die deutschen Finanzbehörden übermitteln darf. Im vorliegenden Fall waren Finanzamt und Finanzgericht der Auffassung, dass die Klägerin aufgrund nationaler Vorschriften nicht befugt sei, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Diese dürfe nur von hierzu befugten Personen und Vereinigungen ausgeübt werden. Nach aktuellem Recht gilt: Solange eine ausländische Steuerberatungsgesellschaft in Deutschland nicht als solche anerkannt ist und für die Gesellschaft keine Meldung nach § 3a StBerG über vorübergehende und gelegentliche Hilfeleistung in Steuersachen vorliegt, darf sie keine geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen ausüben.
Nun muss geklärt werden, ob die Regelungen des StBerG mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit in Einklang stehen. Dürfen nationale Regelungen vorsehen, dass für die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen eine Anerkennung erforderlich ist? Ändert sich die Sachlage, wenn die Hilfeleistung von einem anderen Mitgliedstaat aus erbracht wird?
Bestehen zwingende Gründe des Allgemeininteresses, darf die Dienstleistungsfreiheit unter bestimmten Voraussetzungen durch nationale Normen eingeschränkt werden. Der BFH nennt in seiner Urteilsbegründung das öffentliche Interesse an der Einhaltung steuerrechtlicher Regelungen und an der Verhinderung von Steuerhinterziehung. Er beruft sich hier auf das BVerfG, das die Steuerrechtspflege als wichtiges Gemeinschaftsgut sieht. Das Beraterprivileg des § 3 StBerG soll gleichermaßen den Steuerpflichtigen vor unqualifizierter Beratung bewahren und ihm Verbraucherschutz bieten. Dem BFH scheinen die Regelungen des StBerG angesichts der Komplexität des deutschen Steuerrechts und der ständigen Änderungen der steuerlichen Vorschriften als geeignet und erforderlich, die vorgenannten nationalen Interessen zu wahren.
Falls der EuGH den Steuerberatermarkt für ausländische Dienstleister öffnet, hätte das erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Beratungslandschaft. Bis eine Entscheidung des EuGH vorliegt, dürfte wohl noch einige Zeit vergehen. Im Ergebnis bleibt zu hoffen, dass uns das deutsche Beratungsprivileg erhalten bleibt.
Dr. Peter Bömelburg ist Geschäftsführender Partner bei Rödl & Partner (E-Mail: peter.boemelburg@roedl.de)
Melanie Erhard ist als Steuerberaterin bei Rödl & Partner in Nürnberg tätig (E-Mail: melanie.erhard@roedl.de)