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BB-Standpunkte
01.04.2019
BB-Standpunkte
Jens Berger: ESEF – Corporate Reporting goes Digital

Die Digitalisierung macht auch vor der externen Berichterstattung nicht halt. Längst sind die meisten Geschäftsberichte als Online-Version oder als Datei auf den unternehmenseigenen Websites verfügbar. Viele Unternehmen drucken den Geschäftsbericht, bis auf Pflichtexemplare, überhaupt nicht mehr. Dieser Trend hat auch dazu geführt, dass der Gesetzgeber einen Ruf nach Verfügbarkeit digitalisierter strukturierter Daten vernommen hat. Und prima facie liegen die Vorteile auf der Hand: höhere Transparenz, besser Vergleichbarkeit, Ermöglichung maschineller Analysen. 

Somit hat die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde European Securities and Markets Authority (ESMA) den Auftrag erhalten, ein Berichtswerk zu entwickeln, welches es Unternehmen ermöglicht, strukturierte Informationen verfügbar zu machen. Dies firmiert unter der Bezeichnung „Europäisches elektronisches Berichtsformat“ oder „European Single Electronic Format“, kurz ESEF. Die entsprechende Verordnung der Europäischen Kommission wurde im Dezember 2018 verabschiedet. Unter der Verordnung werden Emittenten, deren Wertpapiere auf regulierten Märkten innerhalb der EU gehandelt werden, verpflichtet, ihre (IFRS-)Jahresberichte ab 2020 in strukturiertem Format vorzulegen. Dabei geht die ESMA zweistufig vor: In einem ersten Schritt ist die Information nur für die primären Abschlussbestandteile zu strukturieren, also alle dort enthaltenen Posten sind zu markieren: Bilanz, Gesamtergebnisrechnung, EK-Veränderungsrechnung, Kapitalflussrechnung sowie einige weitere Informationen. In einem zweiten Schritt wird später der Anhang hinzugenommen, bei dem die Strukturierung weniger granular, nämlich nur blockweise, erfolgen muss. 

Um die Strukturierung zu erreichen, ist die Information zu markieren (sog. Tagging). Dies erfolgt beim ESEF unter der Nutzung von XBRL (eXtensible Business Reporting Language). Damit diese Information für den Menschen (verständlich) lesbar wird, wird dies für einen Browser lesbar gemacht mittels iXBRL (Inline-XBRL). Um die angestrebte Vereinheitlichung zu erreichen, ist daneben ein Klassifikationsschema, eine sog. Taxonomie, notwendig. Hier wird auf eine durch die ESMA erweiterte IFRS-Taxonomie zurückgegriffen, da diese für die Markierung von IFRS-Abschlüssen entwickelt wurde. Weiter will ich an dieser Stelle in die technologischen Aspekte nicht einsteigen. Fakt ist, dieser Prozess muss nun relativ zeitnah implementiert werden. Ein Unternehmen kann sich der Sache auf drei Wegen nähern: 

  1. Vollständige Integration des Tagging in den Abschlusserstellungsprozess (built-in approach),

  2. Markierung am Ende des Abschlusserstellungsprozesses (bolt-on approach),

  3. Auslagerung des Markierungsprozesses an externe Dienstleister 

Der erste Ansatz ist natürlich der ideale, jedoch mit hohen Kosten verbunden und nur dann sinnvoll, wenn man sich auch anderen Mehrwert aus der Implementierung verspricht. Die beiden letzten Ansätze sind inhaltlich vergleichbar, aber mehr eine Make-or-buy-Entscheidung. Für welchen Ansatz man sich letztendlich entscheidet, hängt auch mit der jeweiligen Einstellung zum Thema ESEF und strukturierte Daten ab: ist es eine reine Compliance-Übung, oder wird hier ein breiterer Mehrwert gestiftet? 

Dazu gesellt sich eine Frage, die bislang unbeantwortet ist: Sind die ESEF-Informationen prüfungspflichtig? Bislang hat die Europäische Kommission sich formal nicht geäußert, jedoch nimmt man allgemein wahr, dass die ESEF-Informationen geprüft werden sollten. Hier will sich die Kommission „zeitnah“ positionieren. 

Man muss sich die Frage stellen, wer eigentlich Abnehmer des neuen Berichtsformats ist: Sind es wirklich die Abschlussnutzer oder doch eher die üblicherweise datenhungrigen Aufsichtsbehörden? Ob die so generierten Daten dem Unternehmen selbst nützlich sind, ist fraglich – es wird andere Wege/Tools der Business Intelligence haben. Und reicht dem Abschlussleser die Granularität, die ESEF vorgibt? Aktuell kann man hier Zweifel anmelden. Daneben hängt die Akzeptanz auch von der verwendeten Technologie und Taxonomie ab – und hier läuft die ESMA Gefahr, von den Realitäten überholt zu werden. Die Taxonomie unterliegt ständigen Änderungen, die erst durch Rechtsakt in EU-Recht übernommen werden müssen. Daneben ist unklar, ob nicht andere Technologien die XML-Technologie, den Kern von XBRL, irgendwann ablösen. Beispielsweise ist JavaScript Object Notation (JSON) bereits für viele Anwendungen die „Sprache“ der Wahl. Oftmals wird der Gesetzgeber von der technologischen Realität überholt (siehe Kryptowährungen) – auch im Falle von ESEF steht dies zu befürchten. 

Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr, dass die meisten Unternehmen ob dieser Zweifel und Unsicherheiten die Implementierung von ESEF als Compliance-Übung betrachten werden – und so war es eigentlich nicht gedacht. 

Dipl.-Kfm. Jens Berger, CPA, ist Partner beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte in Frankfurt a. M. und Leiter des deutschen IFRS Centre of Excellence.

 

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