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BB-Standpunkte
28.05.2014
BB-Standpunkte
Michael Sell: Die strafbefreiende Selbstanzeige bleibt – mit guten Gründen

Als der Reichsfinanzminister der Weimarer Republik Matthias Erzberger mit seiner großen Steuerreform 1919 auch die strafbefreiende Selbstanzeige einführte, ahnte er wohl nicht, welch langlebiges Rechtsinstitut er schuf. In fast 95 Jahren kam dieses  Rechtsinstitut immer wieder in die politische Diskussion, regelmäßig im Zusammenhang mit spektakulären Steuerfällen. Nach einer Versachlichung der jeweiligen Diskussion haben sich die Politiker immer wieder für eine Weitergeltung ausgesprochen, angepasst an die Gerechtigkeitsvorstellungen der jeweiligen Zeit. Im Steuerstrafrecht trifft das verfassungsrechtliche Gebot des Grundgesetzes, sich nicht selbst belasten zu müssen, auf das steuerrechtliche Gebot zur wahren und vollständigen Steuererklärung. Die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige löst diesen Konflikt verfassungsrechtlich unbedenklich auf und lässt daher auch nicht die Einführung einer Obergrenze für eine strafbefreiende Selbstanzeige zu.

Auf der Jahres –Finanzministerkonferenz in Schwerin haben sich die Finanzminister daher für eine Beibehaltung dieses Rechtsinstitutes unter verschärften Bedingungen ausgesprochen:

Der Berichtigungszeitraum, für den auch bei einfacher Steuerhinterziehung vollständige Angaben gemacht werden müssen, wurde von fünf auf zehn Jahre verlängert.

Die Schwelle, ab der nur noch von der Verfolgung abgesehen wird, wird von 50.000 € auf 25.000 € gesenkt und in folgenden Stufen mit einem Zuschlag versehen: 10 %  ab 25.000€;  15%  ab 100.000€; 20 % ab 1.000.000€.

Die sofortige Entrichtung der Hinterziehungszinsen von sechs Prozent pro Jahr ist künftig zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die Selbstanzeige.

Im Bereich der Anmeldesteuern gibt es eine gesetzliche Klarstellung zur Beseitigung bestehender praktischer und rechtlicher Verwerfungen, so dass nicht jede korrigierte Anmeldung als strafbefreiende Selbstanzeige zu werten ist.

Zusätzlich soll eine europarechtskonforme steuerliche Anlaufhemmung bei ausländischen Kapitalerträgen etabliert werden.

Das Bundesfinanzministerium wird hierzu bis zur parlamentarischen Sommerpause in Abstimmung mit den Ländern einen ersten Arbeitsentwurf entwickeln und am Ende der Sommerpause mit einem Referentenentwurf in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gehen. Die Neuregelung soll an 1.1.2015 gelten.

Dies dürfte zu einer nochmaligen Steigerung der Selbstanzeigen führen, sodass einige spezialisierte Anwaltskanzleien bereits eine Urlaubssperre verhängt haben.

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