Dr. Frank Hülsberg: Die VW Dieselaffäre – was heißt das jetzt für Compliance?
Nach den großen Compliance-Fällen der letzten Jahre von Siemens über Daimler bis zum Schienenkartell von ThyssenKrupp haben die deutschen Großunternehmen ihr Compliance Management aufgerüstet – oft bis zur Schmerzgrenze für Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden. Auf breiter Front wurden Anforderungen an die Compliance beleuchtet und durch diverse Studien be- und unterlegt. Das Institut der Wirtschaftsprüfer veröffentlichte einen Prüfungsstandard für die Prüfung der Angemessenheit und Wirksamkeit von Compliance-Management-Systemen, der zunehmend Anwendung fand. Mehr und mehr fanden die Compliance-Überlegungen schließlich auch in mittelständischen Unternehmen statt, oftmals initiiert von Beiräten und Aufsichtsräten aus größeren Unternehmen.
Trotz – oder gerade wegen – dieser intensiven Befassung mit dem Thema wurde bereits von einer „Compliance-Müdigkeit“ gesprochen. Augenrollen und „Jetzt ist es aber auch mal wieder gut“ waren oft gehörte Kommentare in den letzten 1-2 Jahren.
Nun hat es wieder eingeschlagen. Im Fall VW selbst verbietet sich jede Analyse – was genau passiert ist, werden die kommenden Untersuchungen zeigen müssen. Wichtiger ist: Was bedeutet das für andere Unternehmen? Welche Lehren sind zu ziehen?
1. Weckruf – Compliance gehört (wieder) auf die Agenda. Der leicht angenervte Unterton ist passé, der „Tone from the top“ muss wieder klar und eindeutig werden: Compliance-Verstöße können bis zur Existenzgefährdung des Unternehmens gehen und werden nicht toleriert!
2. Neue Gefahren – Compliance Risk Assessments sind mindestens jährlich durchzuführen; hier ist jetzt eine Aktualisierung zu prüfen. Wer Verstöße gegen öffentliche Auflagen noch nicht abgedeckt hatte (oftmals werden „nur“ Datenschutz, Korruption und Kartellrecht betrachtet), muss dies dringend nachholen.
3. Kultur – Anweisungen und Kontrollen können nicht lückenlos sein. Wichtig ist, dass ein (Un)Rechtsbewusstsein gefördert wird. Wem kann ich davon erzählen, was ich gerade tue? Verhaltensmaßstäbe sind wirkungsvoller als zu detaillierte Regelwerke, die in vielen Fällen mal wieder entschlackt werden müssen.
4. Ventil – Mit wem kann ich über Fehlentwicklungen im Unternehmen sprechen? Hier ist ein (vertraulicher und ggf. anonymer) Meldeweg zu schaffen, damit bei schweren Verfehlungen rechtzeitig eingegriffen werden kann.
Dr. Frank Hülsberg, WP/StB, leitet als Senior Partner den Bereich Governance, Risk & Compliance bei Warth & Klein Grant Thornton und ist Mitglied des Arbeitskreises Governance, Risk & Compliance beim Institut der Wirtschaftsprüfer.