Mathias Becker: Der Brexit als Prüfstein für Nachfolgeplanung?
Harter oder weicher Brexit, aye or nay? Aus der öffentlichen Diskussion ist der Brexit schon seit mittlerweile drei Jahren nicht mehr wegzudenken. Gefühlt täglich brachten die Medien von Zank und Zwist auf der Regierungsbank, zahlreichen Aufschüben und Fristverlängerungen oder fehlenden Mehrheiten im Unterhaus. Ob die Neuwahlen des Unterhauses für Klarheit sorgen werden, ist alles andere als ausgemacht. Auch jetzt haben Rechtsanwälte und Steuerberater etwaige steuer- und gesellschaftsrechtliche Implikationen des anstehenden Austritts genau im Auge zu behalten. Das betrifft nicht nur all diejenigen Sozietäten, die als englische Partnership (LLP) organisiert sind, sondern sämtliche Berater, die Mandantenbelange mit Blick auf Nachfolgeplanung und Übertragungen von (Immobiliar-)Assets betreuen.
Denn unabhängig von den Modalitäten des EU-Austritts wird der Brexit sich auf die Vererbung von Betriebs- und Grundvermögen auswirken, wobei verschiedene Gestaltungsvarianten unter Umständen erhebliche Diskrepanzen in der jeweiligen Steuerbelastung mit sich bringen. Aktuell bestehen erbschaft- und schenkungssteuerliche Begünstigungen bei der Übertragung von Unternehmen mit Betriebsvermögen in Großbritannien und Anteilen an Kapitalgesellschaften mit Sitz in Großbritannien. Derzeit können diese noch unter bestimmten Voraussetzungen durch die Regelverschonung zu 85 Prozent des begünstigten Vermögens steuerfrei gestellt werden, per Optionsverschonung sogar bis zu 100 Prozent davon.
Ferner existieren weitere im Erbschaftsteuergesetz verankerte Möglichkeiten von steueroptimierten Nachfolgegestaltungen: So trifft man in der Praxis häufig auf die Steuerbefreiung für selbst zu Wohnzwecken genutzte Familienheime (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 a bis c ErbStG) oder den verminderten Wertansatz für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13 d ErbStG). Beide Fälle setzen eine Belegenheit der betroffenen Grundstücke in Deutschland, der EU oder im Europäischen Wirtschaftsraum voraus. Mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU werden sowohl dort belegene Immobilien als auch dort ansässige Gesellschaften künftig in einem Drittstaat liegen, was zum Wegfall dieser Begünstigungen führt.
Zwar hat der Gesetzgeber insbesondere die Auswirkungen des Brexit im Rahmen des am 29. März 2019 in Kraft getretenen Steuerbegleitgesetzes berücksichtigt. § 37 ErbStG wurde um eine Regelung erweitert, nach welcher die eben genannten Begünstigungen weiterhin Übertragungen von in Großbritannien belegenen Assets erfassen. Indes setzt dies aber voraus, dass Übertragungen zeitlich noch vor dem endgültigen Austritt Großbritanniens aus der EU vollzogen werden. So soll der Status quo im Bereich der Erbschaft- und Schenkungssteuer gewahrt werden. Wer diesen Zeitpunkt jedoch verpasst, wird vom Damoklesschwert der Erbschaftsteuer begleitet. Denn für Erwerbe ab dem Zeitpunkt, ab dem das Vereinigte Königreich weder Mitgliedstaat der EU noch wie ein solcher zu behandeln ist, gilt dieses als Drittstaat. In der Konsequenz hat der Verlust dieser Begünstigungen eine prohibitive Wirkung auf die künftige Übertragung von Familienheimen, Anteilen an Kapitalgesellschaften oder anderen betrieblichen Assets.
Derzeit gilt die Fristverlängerung des Austritts bis zum 31. Januar 2020. Es empfiehlt sich für Betroffene eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile von Assetübertragungen vor dem Brexit. Weiterhin erscheint auch eine Überprüfung bereits existierender Nachfolgegestaltungen und -konzepte im Lichte der jüngsten Entwicklungen ratsam. Andernfalls riskieren Betroffene, selbst bei einem politisch weichen Brexit hart getroffen zu werden.
Mathias Becker ist Partner von THEOPARK Rechtsanwälte & Steuerberater und als Rechtsanwalt schwerpunktmäßig in den Bereichen Erbrecht, Unternehmens- und Vermögensnachfolge, Gesellschaftsrecht sowie Konfliktlösung tätig.