Daniel Dehghanian, LL.M., RA & Jens Uhlendorf, RA: Joint Ventures: Das „russische Roulette“ geht weiter
Paritätisch ausgestaltete Joint Ventures bergen naturgemäß das Risiko von Pattsituationen im Fall von Meinungsverschiedenheiten der Partner. Zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft in derartigen Konstellationen haben sich auch in Deutschland ursprünglich anglo-amerikanische Vertragsmechanismen durchgesetzt. Diese tragen Namen wie „Russian Roulette“ oder „Texan Shoot-Out“ und haben eines gemeinsam: Sie sind schnell und lösen die Pattsituation in der radikalsten Form, nämlich durch den Verkauf der Joint-Venture-Beteiligung des einen Partners an den anderen. Hierbei ist in den gängigen Spielarten typischerweise der finanzstärkere Partner strukturell im Vorteil.
Das OLG Nürnberg hat sich nun als erstes deutsches Obergericht zur rechtlichen Zulässigkeit solcher Vertragsregelungen geäußert und diese bestätigt (BB-online BBL2014-467-1). Ausgangspunkt für die Erwägungen des Gerichts waren die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Unzulässigkeit sog. „Hinauskündigungsklauseln“. Regelungen in Gesellschaftsverträgen, die den Ausschluss eines Gesellschafters ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes in das freie Ermessen des/der Mitgesellschafter(s) stellen, werden aufgrund des dauerhaft über dem betroffenen Gesellschafter schwebenden „Damoklesschwerts“ des Ausschlusses und den hiermit verbundenen Einschränkungen in der freien Ausübung seiner Gesellschafterrechte im Grundsatz für sittenwidrig und damit für nichtig (§ 138 BGB) gehalten. Nach dem OLG Nürnberg greifen diese Bedenken jedoch im Fall von „Russian-Roulette“-Klauseln nicht durch. Der hiermit verfolgte Zweck (Auflösung von Blockadesituationen in paritätischen Joint Ventures) stellt nach Auffassung des Gerichts einen sachlichen Grund dar. Ein grundsätzlich bestehendes Missbrauchsrisiko durch den finanzstärkeren Partner führe nicht per se zur Sittenwidrigkeit. Diese könne lediglich dann vorliegen, wenn von Anfang an feststehe, dass einer der Partner nicht in der Lage sein wird, den Erwerb von ihm angedienten Anteilen zu finanzieren.
Das Urteil bestätigt erstmalig die gängige Vertragspraxis und beseitigt damit Unsicherheiten bei der Gestaltung von Joint Venture-Verträgen. Es ist daher zu begrüßen, auch wenn die vom Gericht offengelassene „Hintertür“ nicht restlos überzeugt. Insbesondere wenn der finanzschwächere Partner das zentrale Know-How in die Kooperation einbringt, erscheint das Kräfteverhältnis zwischen den Partnern auch bei anfänglichem finanziellem Ungleichgewicht in der Gesamtschau hinreichend ausbalanciert. Ein Schutz des finanzschwächeren Partners durch die „Keule“ der Sittenwidrigkeit ist hier nicht erforderlich.
Daniel Dehghanian, LL.M., RA & Jens Uhlendorf, RA
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