Joerg Brammsen und Simon Apel: Das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) ist in Kraft getreten
Am 25.4.2019 wurde das neue Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2019, S. 466). Am 26.4.2019 trat es in Kraft. Damit endet gut neun Monate nach Ablauf der Umsetzungsfrist (9.6.2018) für die Geschäftsgeheimnis-RL (EU) 2016/943 auch in Deutschland die Unsicherheitsphase für den nationalen Rechtsschutz der wirtschaftlich sehr bedeutsamen Geschäftsgeheimnisse.
Verschärfte Schutzvoraussetzungen
Das neue GeschGehG verlagert den Schwerpunkt des Geschäftsgeheimnisschutzes endgültig aus dem Strafrecht (§§ 17 ff. UWG a.F.) in das Zivilrecht. Hiermit einher geht insbesondere eine Verschärfung der Schutzvoraussetzungen: DasGeschGehG (§ 1 Abs. 1 lit. b) schützt Geschäftsgeheimnisse nur, wenn diese geheim, von kommerzieller Bedeutung und außerdem durch angemessene Schutzmaßnahmen technischer, organisatorischer oder rechtlicher Art geschützt sind.Ob dies der Fall ist, kann nur im Einzelfall bestimmt werden. Allerdings bleiben die anzuwenden Maßstäbe vollkommen unklar. Für Unternehmen ist es deshalb extrem wichtig, die zum Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse getroffenen Maßnahmen zu systematisieren, konkretisieren, kontrollieren und dokumentieren.
Weitreichende Privilegien für Hinweisgeber („Whistleblower“)
Besondere Risiken schafft das GeschGehG für Unternehmen durch die erstmalige Anerkennung weitreichender Privilegien für Hinweisgeber („Whistleblower“). § 5 Nr. 2 GeschGehG stellt deren Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen generell straflos, wenn dies „zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens [!]“ erfolgt und „geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen.“ Diese Freistellung ist ebenso weitgehend wie konturenlos.
„Reverse Engineering“ – Chance und Risiko
Zweischneidig ist die grundsätzliche Erlaubnis des sog. „Reverse Engineering“. Nunmehr ist das Aufdecken von Geheimnissen mittels Beobachtens oder Dekonstruierens von Produkten (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG) rein „sachbezogen“ grundsätzlich erlaubt. Je nach Situation eröffnet dies neue Perspektiven oder erfordert einen verstärkten technischen Schutz im Produktdesign, um Reverse Engineering zu erschweren. Zwar kann es vorab vertraglich ausgeschlossen werden, aber nicht in AGB, da seine Gestattung ein Leitbild des GeschGehG ist. Offensichtlich bricht der einfache „Sachkauf“ immaterielles Eigentum.
Weitgehende zivilrechtliche Ansprüche bei Geschäftsgeheimnisverletzung
Im Falle der Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses steht dem Geheimnisinhaber ansonsten das volle Arsenal immaterialgüterrechtlicher Ansprüche zur Verfügung, insbesondere auf Unterlassung (§ 6 GeschGehG) und Schadensersatz (wie sonst mittels dreifacher Schadensberechnung, § 10 GeschGehG).
Verbesserter prozessualer Geheimnisschutz
§§ 15 ff. GeschGehG enthalten neue Bestimmungen zum Geheimnisschutz im Zivilprozess. Auch wenn der Gesetzgeber sich noch nicht zu einem in camera-Verfahren durchringen konnte, sind diese ein erster Schritt in eine zu erwägende Richtung. Die Länder werden hoffentlich von der Konzentrationsermächtigung (§ 15 Abs. 3 GeschGehG) für „Geschäftsgeheimnissachen“ (§ 16 Abs. 1 GeschGehG) regen Gebrauch machen.
Fazit
Das GeschGehG wirft viele klärungsbedürftige Fragen auf, die die Praxis zu klären hat. Es bietet aber auch einen ersten präzisierten Rahmen für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, den Bedürfnissen der Wirtschaft entsprechend, nun primär im Zivilrecht.
PD Dr. Joerg Brammsen ist PPC und Privatdozent an der Universität Bayreuth. Seine Schwerpunkte liegen im Gesellschafts-, Straf- und Wirtschaftsrecht, insbesondere im Geheimnisschutz, Kapitalmarkt-, Werbe- und Wirtschaftsstrafrecht. Er ist Mitherausgeber des vss. im Dezember 2019 im dfv, Fachbereich Recht und Wirtschaft, erscheinenden Kommentars zum GeschGehG. |
Dr. Simon Apel ist Rechtsanwalt im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz, IT-Recht und Litigation bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz, Mannheim, und Lehrbeauftragter an der Universität Mannheim. Er ist Mitherausgeber des vvs. im Dezember 2019 im dfv, Fachbereich Recht und Wirtschaft, erscheinenden Kommentars zum GeschGehG. |