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BB-Standpunkte
22.07.2019
BB-Standpunkte
Dr. Jens Freiberg: Braucht es ein neues Kapitel für die unbestimmte (nicht unendliche) Geschichte des Goodwill?

Im Nachgang zum Post Implementation Review der Vorgaben zur bilanziellen Abbildung eines Unternehmenserwerbs (IFRS 3) wurde 2015, somit noch in der Hochphase der Erweiterung des „House of IFRS“ (IFRS 9, IFRS 15, IFRS 16 und IFRS 17) auch ein Forschungsprojekt zur Folgebewertung des derivativ erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts angestoßen. Wer nach Umsetzung der Großprojekte eine Auszeit (period of calm) erwartet hat, wird eines Besseren belehrt. Noch vor Ende des Kalenderjahres soll ein Diskussionspapier zur Goodwill-Bilanzierung veröffentlicht werden. Aktuell ist für die International Financial Reporting Standards (IFRS) von einem Festhalten an dem bisherigen Bewertungsmodell, somit dem Ausschluss einer planmäßigen Abschreibung, auszugehen. Bereits im Dezember 2017 hat der International Accounting Standards Board (IASB) einer Abkehr vom Impairment-only-Modell eine Absage erteilt. Im Juni 2019 kam es zu einer Neuauflage, nur mit einer knappen Mehrheit von acht zu sechs Stimmen wurde an der bisherigen Auffassung festgehalten. Heftiger Gegenwind kommt von den – im Rennen um internationale Akzeptanz mittlerweile weit abgeschlagenen, bezogen auf die Bedeutung des Kapitalmarkts aber weiterhin relevanten – US-GAAP. Nachdem am 30.5.2019 für Not-for-profit-Unternehmen ein Wahlrecht zur planmäßigen Goodwill-Abschreibung über einen typisierten Horizont von zehn Jahren eingeführt wurde (ASU 2019-06), hat der FASB am 9.7.2019 eine Rückmeldung zum künftigen Vorgehen für alle Gesellschaften eingefordert, läßt also einen Hoffnungsschimmer für alle, die das Impairment-only-Modell ablehnen.

Beim IASB ist die Tür trotz des zunehmenden Drucks zunächst noch zu. Es wird aber (noch) keine bessere Alternative gesehen, gegen eine planmäßige Abschreibung spricht insbesondere der fehlende Informations(mehr)wert. In Anerkennung der bestehenden Kritik sollen in dem Diskussionspapier aber folgende Anpassungsmöglichkeiten präsentiert werden:

  • Zusätzliche Angaben sollen Informationen über die Entscheidung zur Akqusition und die Entwicklung der erworbenen „Synergiepotentiale“ vermitteln. Es droht allerdings die Gefahr des Boiler-plate-Texts, denn was soll geschrieben werden, wenn keine Abschreibung erfolgt? Es kann alles nur prima sein.

  • Erwogen wird eine Befreiung von der Pflicht zum jährlichen Impairment-Test für den Goodwill und andere immaterielle Vermögenswerte, deren Nutzungsdauer unbestimmt ist.

  • Wenn überhaupt an dem Nutzungswert (value in use) als Bewertungsmaßstab festgehalten wird, stellt sich die Frage nach den Bewertungsannahmen, insbesondere bezogen auf künftige Restrukturierungen und Erweiterungen sowie die Vor- oder Nachsteuer-Ermittlung.

Selbst bei objektiver Betrachtung kann man sich des Gefühls nicht verwehren, dass der IASB selbst gar keinen Appetit hat, eine Änderung zu beschließen. Das Agieren des FASB nötigt aber zu einer Reaktion, die minimalintensiv gehalten werden soll. Die Vor- und Nachteile von Impairment only und Amortisation sind ausdiskutiert, ein Umfallen des IASB ohne Gesichtsverlust ist – zumindest solange kein Austausch der aktuellen Mitglieder erfolgt – nicht vorstellbar. Im Hinblick auf das angekündigte Diskussionspapier sind Klarstellungen zur Bewertung am relevantesten. Der Nutzungswert ist ein Fremdkörper im House of IFRS, die Verpflichtung auf eine Vorsteuerberechnung artifiziell. Überdies leiden die Vorschriften des Impairment-Tests an der konzeptionellen Schwäche einer Gegenüberstellung eines Buchwerts mit dem Barwert künftiger Zahlungsströme (book value vs. cashflow measure). An dem Grundgerüst des Impairment only ist festzuhalten, es spricht allerdings nichts gegen ein paar zusätzliche Sicherungsmaßnahmen, die garantieren, dass unbestimmt (indefinite) nicht unendlich (infinite) ist. Eine Alternative liegt in der Adjustierung der Bemessungsgrundlage für den Test.

  • Im Zugangszeitpunkt des derivativ erworbenen Goodwill, kann der gesamte Headroom (Differenz zwischen beizulegendem Substanz- und Ertragswert) einer Cash Generating Unit (CGU), die zum Tragen von Goodwill auserkoren ist, bestimmt werden.

  • Der durch Zuordnung eines Goodwill bilanziell noch nicht ausgeschöpfte Headroom wird in einem offbalance-Nebenbuch fortgeführt.

  • Der Carrying Amount der Goodwill-tragenden CGU wird um den nicht bilanzierten Headroom erhöht, ein Unterschreiten des erzielbaren Betrags aber vorrangig gegen den Goodwill verrechnet.

Ohne den Puffer ist der bilanzierte Goodwillnur sicher, wenn der Ertragswert in jeder Periode stärker steigt als der Buchwert der CGU. Ein Impairment droht zu einem früheren Zeitpunkt und nicht erst in einer Verlustphase. Ohne zusätzliche Sicherungen ist eines garantiert: Der bilanzierte Goodwill wird weiterwachsen, sein Ende kommt, wenn überhaupt, mit einem Knall.

Dr. Jens Freiberg, WP, ist Leiter der Zentralabteilung Rechnungslegung der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am Standort Düsseldorf und Mitglied im Beirat des „Betriebs-Berater“.

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