Dr. Alexander Bissels, RA/FAArbR: BAG entscheidet zu Equal Pay – Obacht bei der Arbeitsvertragsgestaltung!
Aus diesen ergibt sich, dass der 4. Senat des BAG davon ausgeht, dass es zur Abbedingung des Gleichstellungsgrundsatzes erforderlich ist, dass ein Tarifwerk der Zeitarbeit aufgrund einer beidseitigen Tarifbindung von Personaldienstleister und Zeitarbeitnehmer (in der Praxis die Ausnahme) oder aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel (in der Praxis die Regel) grundsätzlich uneingeschränkt und in Gänze angewendet wird. Dies gilt grundsätzlich auch für im Tarifvertrag geregelte Arbeitsbedingungen, die an sich nicht zwingend vom gesetzlichen Gleichstellungsgrundsatz erfasst wären (vgl. BAG v. 23.3.2011 – 5 AZR 7/10), insbesondere für die in den Tarifverträgen vorgesehenen Ausschlussfristen (vgl. BAG v. 16.10.2019 – 4 AZR 66/18 Rn. 37).
Das BAG erkennt jedoch an, dass von dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifwerk der Zeitarbeit abgewichen werden kann, wenn arbeitsvertraglich Regelungen vereinbart werden, die entweder Gegenstände betreffen, die ihrerseits tariflich nicht geregelt sind, oder die zu Gunsten des Zeitarbeitnehmers von den tariflichen Bestimmungen abweichen. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, gilt bei arbeitsvertraglichen "Modifikationen" des Tarifvertrages ab dem ersten Tag der Überlassung der gesetzliche Gleichstellungs- und damit insbesondere der Equal Pay-Grundsatz. Eine Geringfügigkeitsschwelle sieht das BAG grundsätzlich nicht vor. Ein "Verschulden" des den Arbeitsvertrag in der Regel aufsetzenden Personaldienstleisters wird vom BAG ebenfalls nicht verlangt. Ob dabei tatsächlich jede auch noch so geringfügige arbeitsvertragliche, zu Lasten des Zeitarbeitnehmers wirkende Abweichung von den tariflichen Bestimmungen schadet, ist durchaus zweifelhaft. Letztlich dürfte eine differenzierte Betrachtung geboten sein, bei der insbesondere zu berücksichtigen ist, ob die von § 8 Abs. 1 AÜG erfassten Arbeitsbedingungen betroffen sind und in welchem Umfang Änderungen zu Lasten des Zeitarbeitnehmers vorgenommenen wurden. Für eine solche bestand aufgrund der in dem vom BAG entschiedenen Fall von dem Personaldienstleister vorgenommenen drastischen Modifikationen der tariflichen Regelungen im Arbeitsvertrag keine Notwendigkeit.
Dr. Alexander Bissels, RA/FAArbR, ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Er berät Unternehmen auf sämtlichen Gebieten des Individual- und Kollektivarbeitsrechts, insbesondere zu Fragen zum Fremdpersonaleinsatz (Arbeitnehmerüberlassung/Werkvertrag).