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BB-Standpunkte
27.06.2014
BB-Standpunkte
Dr. Alexander Bissels: Arbeitsrecht und die Fußball-WM in Brasilien

Die Fußball-WM als Gemeinschafts-Event mit Freunden, Familie oder Kollegen im Fernsehen zu verfolgen, ist längst Volkssport geworden. Doch obwohl mit dem Austragungsland recht "arbeitnehmerfreundliche" abendliche Anstoßzeiten gewährleistet sind, werden auch viele Fans während der Spiele im Betrieb arbeiten müssen. Zwar dürften viele Arbeitgeber das Fußball-Fieber ihrer Arbeitnehmer teilen und regelmäßig ein "Auge zudrücken", dennoch kann ein insoweit arbeitsrechtlich relevantes Kollisionsverhältnis zwischen (ordnungsgemäßer) Erbringung der Arbeitsleistung und dem Bedürfnis, sich Fußballspiele z.B. im TV ansehen zu können, entstehen. Nachfolgend werden die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien im Zusammenhang mit der Fußball-WM zusammenfassend dargestellt.

Urlaub, Überstunden und Schichtdienst

Arbeitnehmer, die regulären Urlaub genehmigt bekommen haben, können sich auf die Fußball-WM freuen, da einmal gewährter Urlaub - bis auf seltene Notfälle im Betrieb - nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann.

Hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit der Mitarbeiter gilt, dass der Arbeitgeber diese regelmäßig einseitig nach billigem Ermessen bestimmt. Beschäftigte, die in zugewiesenen Schichten arbeiten, haben daher keinen Anspruch auf einen Wechsel in eine andere Schicht, um sich ein Fußballspiel anzusehen. In flexiblen Arbeitszeitsystemen besteht die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer Arbeitszeitguthaben einsetzen, um sich die Zeit während eines Fußballspiels frei zu nehmen. Außer in Notsituationen ist der Arbeitgeber auch nicht befugt, ausschließlich über die Ausübung seines Direktionsrechts Mitarbeiter zu Überstunden oder Mehrarbeit zu verpflichten, deren Ableistung dazu führen kann, dass diese ein Fußballspiel nicht ansehen können.

Radio/Fernsehen/Live-Ticker am Arbeitsplatz

Wird die Arbeit der Arbeitnehmer sowie das Befinden anderer Kollegen und Kunden nicht gestört, ist das Radiohören auch während der Fußball-WM statthaft, denn grundsätzlich kann die geschuldete Arbeitsleistung ordnungsgemäß erbracht werden, wenn im Hintergrund ein Radio läuft. Dies gilt hingegen nicht für die Übertragung von Spielen mit eingeblendetem TV-Bild. Hier kann grundsätzlich nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine konzentrierte und sorgsame Erfüllung der Arbeitsleistung möglich ist.

Ein Fußballspiel kann auch über das Internet über einen Live-Ticker verfolgt werden. Die Zulässigkeit dieses Verhaltens ist differenziert zu betrachten. Die private Internetnutzung am Arbeitsplatz kann nämlich verboten sein. Ist die Internetnutzung zu privaten Zwecken hingegen (eingeschränkt) erlaubt, findet diese ihre Grenzen im exzessiven Gebrauch (z.B. 90 Min. Liveticker am Stück).

Alkohol am Arbeitsplatz

Arbeitnehmer sind verpflichtet, am Arbeitsplatz in einem arbeitsfähigen Zustand zu erscheinen und ihre Arbeitsleistung sorgsam und fehlerfrei zu erbringen. Sofern diese oder die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt werden kann, muss es der Arbeitgeber folglich nicht hinnehmen, dass der Arbeitnehmer mit entsprechendem Restalkohol aufgrund einer Feier anlässlich eines Fußballspiels am Vorabend zur Arbeit erscheint.

Ein absolutes einseitig vom Arbeitgeber angeordnetes oder durch eine Betriebsvereinbarung vorgesehenes Alkoholverbot im Betrieb ist nach überwiegender Auffassung unzulässig. Davon ausgenommen sind bestimmte Arbeitnehmergruppen, z.B. Piloten, Chirurgen oder Berufskraftfahrer. Ein relatives Alkoholverbot besteht in sicherheitsrelevanten Bereichen, z.B. beim Wachdienst.

Wenn ein Mitarbeiter wegen zu hohen Alkoholkonsums am Vorabend nicht zur Arbeit erscheinen kann, ist eine Entgeltfortzahlung ausgeschlossen. Ist ein Arbeitnehmer während der WM-Spiele arbeitsunfähig erkrankt, ist er verpflichtet, Handlungen zu unterlassen, die die Genesung verzögern oder gar vereiteln könnten ("Public Viewing" im Biergarten bei einem grippalen Infekt).

Fankleidung

Im Grundsatz bestehen keine arbeitsrechtlichen Bedenken, wenn sich ein Arbeitnehmer während der Arbeit z.B. ein Deutschlandtrikot trägt. Eine abweichende Bewertung ist aber insbesondere dann geboten, wenn nach der Verkehrssitte ein gewisses Erscheinungsbild erwartet wird oder dazu ausdrückliche Regelungen bestehen. Ebenso darf die "Fanaufmachung" den Betriebsablauf nicht gefährden.

Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Sollte der Arbeitnehmer gegen seine bereits dargestellten Pflichten verstoßen, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zunächst abmahnen und im Wiederholungsfall kündigen. Bei schweren Verfehlungen, z.B. einer angedrohten Arbeitsunfähigkeit, kann im Einzelfall auch eine fristlose Kündigung in Betracht kommen.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates

Gem. § 87 Abs. 1 BetrVG stehen dem Betriebsrat rund um die vorgenannten "WM-Themen" Mitbestimmungsrechte zu, z.B. hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit oder der Ordnung des Betriebs. Um Streitigkeiten zu vermeiden, ist es ratsam, den Betriebsrat möglichst früh einzubinden, um eine einvernehmliche Lösung für alle arbeitenden Fußball-Fans herbeizuführen. Sonderregelungen sollten klar normieren, was erlaubt ist und was nicht. Grundsätzlich ist die Zeit der Weltmeisterschaft eine Zeit wie jede andere auch – die arbeitsrechtlichen Grundsätze sind selbstverständlich während dieser sportlichen Großveranstaltung nicht suspendiert. Im Sinne eines guten Betriebsklimas dürfte es allerdings nicht schaden, wenn sich der Arbeitgeber zumindest bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft einer fußballfanfreundlichen Lösung zugänglich zeigt, die es der Belegschaft ermöglicht, diese mit Herz und Seele zu verfolgen.


Dr. Alexander Bissels
ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Er berät Unternehmen auf sämtlichen Gebieten des Individual- und Kollektivarbeitsrechts, insbesondere zu Fragen im Bereich von Social Media sowie zum Fremdpersonaleinsatz (Arbeitnehmerüberlassung/Werkvertrag).

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