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BB-Standpunkte
10.07.2019
BB-Standpunkte
Dr. Erik Schmid: 369 zu 257: Beschluss der Neuerungen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Delegierte aus fast allen der 193 Staaten der Vereinten Nationen trafen sich Ende 2018 in Marrakesch/Marokko, um einen „Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ zu beschließen. Der „UN-Migrationspakt“. Es bestanden Befürchtung, dass mit dem UN-Migrationspakt ein Verlust nationaler bzw. deutscher Souveränität in der Einwanderungspolitik entstehen könnte. Der UN-Migrationspakt war rechtlich nicht bindend und das Recht der Staaten auf die selbstständige Gestaltung ihrer Migrationspolitik blieb unberührt. Mit 369 zu 257 Stimmen hat der Bundestag am 7.6.2019 nun einen eigenen Migrationspakt beschlossen. Ein Teil des – nicht unumstrittenen – Migrationspakts ist das neue „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“, das insbesondere für qualifizierte Fachkräfte aus nicht EU-Ländern Neuerungen enthält. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll voraussichtlich Anfang 2020 in Kraft treten.

Wer ist Fachkraft im Sinne des Gesetzes?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz regelt – wie es der Name des Gesetzes schon besagt

  • die Einwanderung von Fachkräften. Kernfrage ist damit, wer Fachkraft im Sinne des Gesetzes ist. Fachkräfte nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz sind drittstaatsangehörige Ausländer, die

  • eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder eine mit einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung gleichwertige ausländische Berufsqualifikation besitzen oder

  • einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss haben.

Mit der Definition der Fachkraft soll gewährleistet werden, dass kein Zuzug von Un- oder Niedrigqualifizierten erfolgt. Eine Ausnahme besteht für IT-Spezialisten, soweit diese mindestens drei Jahre Berufserfahrung und über eine Vergütung von derzeit mindestens EUR 4 020,00 brutto im Monat verfügen sowie die Vorgaben aus den Vermittlungsabsprachen mit der Bundesagentur für Arbeit erfüllen.

Was wurde genau beschlossen?

Kurz zusammengefasst wurde folgendes beschlossen, das auch Arbeitgeber tangieren kann:

Die Einreisebestimmungen für qualifizierte Arbeitskräfte aus nicht EU-Staaten sollen generell erleichtert werden. Die bisher geltende Beschränkung auf Mangelberufe entfällt.

Insbesondere für die besonders begehrten IT-Spezialisten existiert die Sonderregelung, dass diese auch ohne Ausbildung – und damit nicht als Fachkraft im Sinne des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes – einreisen dürfen, sofern die Voraussetzungen (drei Jahre Berufserfahrung, Gehalt von mindestens EUR 4 020,00, Überprüfung des Kenntnisstands durch die Bundesagentur für Arbeit) erfüllen.

Außerdem können qualifizierte Arbeitskräfte aus nicht EU-Staaten für eine kurze Zeit nach Deutschland kommen, um einen Arbeitsplatz zu suchen. Voraussetzung ist, dass die qualifizierten Arbeitskräfte über deutsche Sprachkenntnisse verfügen und deren Lebensunterhalt gesichert ist. Bisher war für eine Einreise ein Arbeitsvertrag Voraussetzung. Dies fällt weg.

Für Arbeitgeber gibt es die Neuerung, dass die sog. Vorrangprüfung entfällt. Vorrangprüfung bedeutet, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass er keinen Deutschen oder EU-Bürger gefunden hat, der die gesuchte Tätigkeit ausüben könnte. Für den Zugang zur Berufsausbildung soll die Vorrangprüfung aber weiterhin bestehen.

Daneben soll es eine „Beschäftigungsduldung“ geben für alle „Flüchtlinge“, die einen festen Arbeitsplatz haben, ihren Lebensunterhalt über einen längeren Zeitraum selbst bestreiten und Deutsch sprechen. Eine Beschäftigungsduldung besteht auch dann,  wenn eine Ablehnung des Asylantrags erfolgte. Dies betrifft allerdings nur Altfälle vor dem 1.8.2018.

Umsetzung in der Praxis

Bundesinnenminister Horst Seehofer sprach von einer „historischen Weichenstellung“ hin zu einer modernen Migrationspolitik und meinte hiermit auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Ob sich dieses in der Praxis wirklich als solche herausstellt, wird sich zeigen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurde kritisiert mit „kein Einwanderungsrecht aus einem Guss“, „Nicht der große Wurf, den wir brauchen“, „Neuregelung hebt gerade einmal den Fuß, es ist nicht einmal ein erster Schritt“, „Mogelpackung“ oder „Halbherzig“.

In der Praxis wird es Umsetzungsschwierigkeiten geben, da es für Menschen außerhalb der EU sehr schwierig sein kann, die hohen Standards einer deutschen Ausbildung zu erfüllen und somit als Fachkraft zu gelten. Eine solche Umsetzungsschwierigkeit besteht insbesondere für Menschen aus Ländern, in denen keine Ausbildungen in Betrieb und Berufsschule zur Verfügung steht. Aufgrund des hohen Schulniveaus in Deutschland mit z. B. zentralen Prüfungsaufgaben im Abitur gilt dies entsprechend auch für Menschen, die sich ihren ausländischen Schulabschluss als gleichwertig zu einem deutschen Abitur anerkennen lassen wollen.

Diese „hohen Voraussetzungen“ sind aber wichtig, um ein Zuzug in die Sozialsysteme zu verhindern. Auch ein Visum zur Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche setzt immer voraus, dass nachgewiesen wird, während des Aufenthalts in Deutschland den Lebensunterhalt für sich und gegebenenfalls seiner Familie selbst sichern zu können.

 

Dr. Erik Schmid ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Er berät nationale und internationale Unternehmen in allen arbeitsrechtlichen Themen, insbesondere in dem Bereich der Unternehmensmitbestimmung und bei der Restrukturierung.

 

 

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