Prof. Dr. Bettina Thormann: "Everlasting" Goodwill: Ist die bilanzierte Nachhaltigkeit des Firmenwerts glaubwürdig?
In den letzten Jahren gab es eine Vielzahl von Unternehmenserwerben, bei denen zum Teil hohe Kaufpreise gezahlt und hohe Firmenwerte bilanziert wurden. Eine Akquisitionsstrategie schafft eine Wachstumsstory und kann betriebswirtschaftlich sinnvoll sein; sie wird im Übrigen durch die internationalen Rechnungslegungsvorschriften begünstigt, da der Firmenwert keiner planmäßigen Abschreibung unterliegt und so das Ergebnis nicht belastet. Der jährlich geforderte Goodwill Impairment Test zwingt den Vorstand zwar regelmäßig, die Werthaltigkeit des Firmenwerts zu überprüfen; allerdings bestehen zahlreiche Ermessensspielräume, die das bilanzielle Risiko einer Wertminderung in der Folgezeit reduzieren:
• Eine präventive Maßnahme zur Vermeidung einer außerplanmäßigen Abschreibung ist eine möglichst hohe Ebene für den Impairment Test sowie die Allokation des erworbenen Goodwill auf eine oder bei entsprechender Nutzung der Synergien mehrere, möglichst große und ertragstarke zahlungsmittelgenerierende Einheiten (ZGE). Soweit sich diese Einheiten jeweils insgesamt gut entwickeln, wird i. d. R. in den Folgeperioden kein Impairment erforderlich, auch wenn eine konkrete Akquisition augenscheinlich kein Erfolg war.
• Sobald doch einmal ein Impairment in einem Unternehmensbereich droht, besteht die Möglichkeit, die Berichtsstruktur so zu ändern, dass wesentliche Impairment-gefährdete Firmenwerte und wesentliche Teile des Vermögens auf ertragstarke ZGE umverteilt werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Management tatsächlich auf diese Weise steuert und überwacht und dass die ZGE die Segmentgrenzen nicht überschreiten.
• Darüber hinaus bestehen große Ermessensspielräume bei der Berechnung des erzielbaren Betrags einer ZGE, insbesondere hinsichtlich der Höhe der Cashflows im Detailplanungszeitraum, der Wachstumsrate in der ewigen Rente sowie des Diskontierungszinssatzes (z. B. Betafaktor, Peer Group).
Während neu angetretene Vorstände mitunter die Gelegenheit ergreifen und Abschreibungen auf den Goodwill vornehmen, ist diese Neigung bei "Alt"-Vorständen eher gering. Die Berichterstattung über den Misserfolg einer Akquisition und die entsprechende Verschlechterung der finanziellen Kennzahlen durch ein Goodwill Impairment können negative Konsequenzen für die Reputation sowie die erfolgsabhängige und aktienbasierte Vergütung der Vorstände haben. Hinzu kommt, dass ein Goodwill Impairment auch einen Bruch von mit Fremdkapitalgebern vereinbarten "Covenants" und damit eine Erhöhung des Zinssatzes oder die sofortige Fällig-Stellung des Fremdkapitals bewirken kann, was weder im Interesse der Organe noch im Interesse des Unternehmens ist.
Der Abschlussprüfer und die DPR können nur dann Einwendungen gegen eine aktive Ausnutzung der durch den Standardsetzer eingeräumten Spielräume beim Impairment Test erheben, wenn ein Ermessensfehlgebrauch nachgewiesen werden kann, z. B. bei Verwendung inkonsistenter oder gänzlich unplausibler Annahmen. Anders ist es beim Aufsichtsrat, der darüber hinaus auch die Zweckmäßigkeit der Bilanzpolitik im Bereich Goodwill Accounting überwachen muss. Für seine Beurteilung sollte er neben den Informationen des Vorstands auch das vorhandene Knowhow der Abschlussprüfer sowie Erkenntnisse aus einem laufenden oder vergangenen DPR-Verfahren nutzen.
Zahlreiche empirische Studien belegen, dass die erfassten Goodwill Impairments in Europa seit 2005 sehr gering sind. Einige deutsche Emittenten weisen per 31.12.2012 eine Relation "Goodwill zu Eigenkapital" von über 100 % und "Goodwill zu Bilanzsumme" von über 30 % aus (Küting, DStR 2013, 1796). Zweifel sind angebracht, dass das beobachtete geringe Abschreibungsvolumen den tatsächlichen Werteverzehr des derivativen Goodwill verlässlich abbildet, zumal er im Zeitablauf systematisch und sukzessive durch einen originären und damit grundsätzlich nicht bilanzierungsfähigen Goodwill ersetzt wird. Bei aller berechtigten Kritik an der Unterstellung einer bestimmten Nutzungsdauer und eines planmäßigen Verbrauchs des Goodwill erscheint die Vorstellung, er unterliege gar keinem Werteverzehr und sei "everlasting" mindestens ebenso unglaubwürdig. Dass der Firmenwert das Bilanzbild vieler deutscher Konzerne zunehmend beherrscht, lässt diese konzeptionelle Schwäche des Impairment-only Approach immer deutlicher werden.
Die vom IASB im "Post Implementation Review" zu IFRS 3 geäußerte Erwartung, dass die Adressaten der Finanzberichterstattung mit den existierenden Regeln zum Goodwill Impairment eine angemessene Rechenschaftslegung des Managements zu dem in Akquisitionen investierten Kapital erhalten, erscheint daher optimistisch. Die Ersteller sind gut beraten, zukünftig die gewährten Ermessensspielräume in diesem Sinne verantwortungsbewusst auszuüben und transparent über die getroffenen Annahmen zu berichten, wenn sie das Impairment-only Modell nicht selbst ad absurdum führen und damit im Grundsatz gefährden wollen.
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