LAG Berlin-Brandenburg: keine Wiedereinsetzung bei Faxversuch um zehn vor zwölf; Voice over IP (VoIP), sipgate
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.3.2015 — 15 Sa 11/15
Amtlicher Leitsatz
Ein vergeblicher Faxversuch um zehn Minuten vor zwölf ist jedenfalls dann nicht unentschuldbar, wenn es zuvor schon zu zeitlichen Unregelmäßigkeiten bei der Faxversendung mittels Voice over IP (VoIP) kam.
Aus den Gründen
1. Die Berufungsbegründungsfrist ist nicht eingehalten worden (§ 520 Abs. 2 ZPO; § 66 Abs. 1 ArbGG). Das Urteil war dem Beklagten am 4. Dezember 2014 zugestellt worden. Innerhalb der bis zum 18. Februar 2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ist eine Begründung nicht erfolgt. Die Berufungsbegründung (15 Seiten) ging vielmehr erst am 10. März 2015 beim Landesarbeitsgericht ein. Die Übertragung per Telefax dauerte von 21:37 Uhr bis 21:50 Uhr. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.
2. Dem Beklagten war auch nicht wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Beklagte war nicht ohne sein Verschulden verhindert (§ 233 ZPO), die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Er muss sich das Verschulden seines Prozessvertreters zurechnen lassen.
2.1. Der Beklagtenvertreter behauptet und versichert anwaltlich, er habe am 18. Februar 2015 die Berufungsbegründung erstellt, ausgedruckt, unterschrieben und ab 23:50 Uhr via Sipgate-Fax an das Landesarbeitsgericht gesendet. Ab diesem Zeitpunkt sei auf dem Computerbildschirm angezeigt worden: „Ihr Fax wird nun versendet. Bitte haben Sie etwas Geduld!“ Bei der Übertragung des Faxes von dem Webaccount von sipgate sei es zu einem Fehler in dem für die Verarbeitung der Faxe verantwortlichen Server (FaxD) bei sipgate gekommen. Insofern beruft er sich auf eine Auskunft des zuständigen Kundenbetreuers von sipgate, wonach in den Logfiles des DataD dieses Fax nicht aufzufinden sei.
Er behauptet ferner, dass innerhalb eines Zeitfensters von 9 Minuten bei normaler Übertragungsdauer der Schriftsatz den Speicher des Empfangsgerätes erreicht hätte. Die von der s. GmbH angebotene Dienstleistung biete einen höheren Schutz gegen technische Störungen als die Versendung mit einem herkömmlichen Faxgerät. Da er am 10. März 2015 bei Übersendung des Faxes anfangs kein Antwortsignal erhalten habe, gehe er davon aus, dass das gerichtliche Faxgerät am 18. Februar 2015 gegen 23.50 Uhr nicht empfangsbereit gewesen sei.
Auf Nachfrage des Gerichts bezieht er sich auf eine Antwortmail seines Administrators. Danach seien Logfiles angefordert worden. Das Dokument sei als PDF-Datei versandt worden. Nein, Probleme habe es vorher nicht gegeben. Da es jedoch seither sporadisch sowohl beim Versand als auch beim Empfang zu Problemen gekommen sei, werde der Dienstleister „nur noch in zeitlich weniger kritischen Tagesabschnitten genutzt“.
2.2. Es kann offen bleiben, ob der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 18. Februar 2015 tatsächlich um 23:50 Uhr versucht hat, eine schon fertiggestellte Berufungsbegründung an das hiesige LAG zu faxen. Hiergegen spricht, dass in den Logfiles von s. nach deren Auskunft keinerlei Daten hierzu gefunden wurden.
Doch auch wenn es diesen Versuch um diese Uhrzeit gegeben haben sollte, wäre dieses Verhalten nicht unverschuldet.
Das Versenden von Faxen mittels Voice over IP (VoIP) gilt nicht als so sicher wie es von den Anbietern oft angepriesen wird (Mansmann c’t 21/09). Das sogenannte Protokoll T.38 schaffe eine gute Grundlage für eine zuverlässige Faxübertragung. Manche Anbieter erlaubten aber nur die Übertragung einer bestimmten Datenmenge (ebenda).
S. verweist auf ihrer Homepage darauf, dass das T.38 Protokoll nicht unterstützt wird. Zur Übermittlung bei Einschaltung eines normalen Faxgerätes heißt es:
„Wichtiger Hinweis: Bevor Sie sich entschließen, ein eigenes Faxgerät zu verwenden, beachten Sie bitte:
•Falls Sie ein per Adapter angeschlossenes Faxgerät verwenden, können wir leider keine Angaben zur Zuverlässigkeit machen und entsprechend keine Garantie für eine zuverlässige Übertragung übernehmen.“
(http://www.s......de/faq/index.php?do=displayArticle&article=1088&id=220 )
Obwohl von gerichtlicher Seite zweimal nachgefragt wurde, welche Hardware (insbesondere Faxgerät, Adapter) am 18.2.2015 benutzt wurden, verhält sich der Vortrag des Bevollmächtigten hierzu nicht. Wenn die Möglichkeit eigenen Verschuldens offen gelassen wird, kann auch nicht festgestellt werden, dass eine Frist unverschuldet versäumt wurde (BVerfG 16.04.2007 – 2 BvR 359/07 – NJW 2007, 2838, Rn 3). Jedenfalls schon aus diesem Grunde ist hier keine Wiedereinsetzung zu gewähren.
Der vergebliche Faxversuch um zehn Minuten vor zwölf ist jedenfalls dann nicht unverschuldet, wenn es zuvor schon zu zeitlichen Unregelmäßigkeiten bei der Faxversendung mittels Voice over IP (VoIP) kam. Davon ist hier auszugehen. Der Beklagtenvertreter selbst hat hierzu keine Stellungnahme abgegeben. Der von ihm beauftragte Administrator hat in der Mail vom 20. März 2015 ausgeführt, dass es vorher keine Probleme gegeben habe (Bl. 603 d. A.). Dies trifft schon nach der hiesigen Aktenlage nicht zu. Der dreiseitige Schriftsatz vom 28. August 2014 wurde am gleichen Tag in der Zeit von 13:52 Uhr bis 14:13 Uhr gesendet. Angesichts solcher zeitlicher Verzögerungen hätte der Bevollmächtigte des Beklagten am 18.2.2015 nicht erst um 23:50 Uhr mit einem Versuch beginnen dürfen, einen 15-seitigen Berufungsbegründungsschriftsatz mit seiner Technik (VoIP, s.) zu faxen. Tatsächlich hat auch am 10. März 2015 die Übertragung dieses Textes 13 Minuten gedauert, also deutlich länger als die einkalkulierten 10 Minuten.
2.3. Soweit der Beklagtenvertreter mutmaßt, dass Faxgerät des Landesarbeitsgerichts mit der Endnummer -841 sei am 18. Februar 2015 nicht betriebsbereit gewesen, so dass sich ein möglicher Fehler seinerseits nicht habe auswirken können, kann dem nicht gefolgt werden. Aus den Protokollen der Poststelle ergibt sich, dass am 18. Februar 2015 das letzte Fax um 23:31 Uhr und das erste Fax am 19. Februar 2015 um 7:00 Uhr jeweils fehlerfrei eingingen.
1.4. Der verspätete Schriftsatz vom 30.3.2015 ändert an dieser Beurteilung nichts.
Der Bevollmächtigte trägt insofern vor, dass er mit der zusätzlichen Einführung von s. am 15.5.2014 vergeblich versucht habe, das Abschalten des ISDN-Anschluss der Telekom rückgängig zu machen. Das habe selbst über die Hotline nicht geklappt. Er habe dann den bei ihm beschäftigten Administrator und weitere externe IT Techniker beauftragt, dass Fax so einzurichten, „dass es so störungsfrei wie möglich funktioniert“. Nach einer Woche habe er die Auskunft erhalten, dass „es ähnlich zuverlässig funktioniere wie ein herkömmliches Fax“. Aus der Mail des Administrators ergibt sich, dass nach dem Vorfall vom 18.2.2015 Faxe mit dieser Technik nur noch bis 22.30 Uhr verschickt werden. Danach erfolge die Übermittlung auf anderem Wege. Vorher seien Probleme nicht erkennbar gewesen.
Angesichts der vom Prozessbevollmächtigten nunmehr geschilderten Umstellungsschwierigkeiten und der selbst entwickelten Lösungen hätte er schon am 18.2.2015 nicht erst auf den letzten Minuten einen Faxversuch starten dürfen, sondern genügend Zeit einplanen müssen. Auch die starke Verzögerung am 28.8.2014 hätte Anlass für größere Sorgfalt bieten müssen. Egal wer am 28.8.2014 die Faxversendung unternommen hat, hätte eine sorgfältige Büroorganisation sicherstellen müssen, dass diese aufgetretenen Probleme beachtet und rückgemeldet werden.
3. Die Berufung ist daher als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Hierüber ist durch den Vorsitzenden allein zu entscheiden (§ 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG).
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel für die Parteien nicht gegeben (§ 77 Satz 1 ArbGG).