R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
13.11.2014
Arbeitsrecht
OLG München: Zur Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers einer GmbH

OLG München, Beschluss vom 27. Oktober 2014 – 7 W 2097/14 –, juris

Amtliche Leitsätze

1. Mit der Abberufung aus der Organschaft bzw. mit deren Eintragung in das Handelsregister entfällt die gesetzliche Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.

2. Nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ist anhand des Anstellungsverhältnisses zu prüfen, ob der abberufene Geschäftsführer einer GmbH deren Arbeitnehmer ist mit der Folge der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG.

§ 2 Abs 1 Nr 3 Buchst a ArbGG, § 5 Abs 1 S 3 ArbGG

Aus den Gründen

I.

Der Kläger war Geschäftsführer der Beklagten. Er macht mit seiner Klage die vertraglich vereinbarten Bezüge für die Monate Dezember 2013 und Januar 2014 geltend. Der Kläger hält die ordentlichen Gerichte für zuständig. Die Beklagte hält dagegen die Gerichte für Arbeitssachen für zuständig und hat deshalb die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten gerügt.

II.

Das angerufene Landgericht München I hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 02.09.2014 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt (Bl. 71 d.A.). Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 25.09.2014 (Bl. 84 d.A.), der das Landgericht mit Beschluss vom 22.10.2014 (Bl. 93 d.A.) nicht abgeholfen hat.

III.

Die form- und fristgerecht (§ 17 a IV 3 GVG, § 569 ZPO) eingelegte Beschwerde ist in der Sache begründet. Zuständig sind die Arbeitsgerichte.

1. Die Fiktion (Koch, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl., ArbGG, § 5 Rn. 6) des § 5 I 3 ArbGG, wonach gesetzliche Vertreter einer juristischen Person nicht Arbeitnehmer iSd ArbGG sind, greift nicht ein.

a) Denn nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien (Bl. 3 der Klageschrift; Bl. 30 des Schriftsatzes der Beklagtenseite vom 24.03.2014) war der Kläger in dem Zeitraum, für den er die streitigen Bezüge geltend macht (Dez. 2013/Jan. 2014), als Geschäftsführer bereits abberufen. Die Abberufung erfolgte mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 17.04.2013 zum 01.06.2013. Die Abberufung wurde am 26.11.2013 in das Handelsregister eingetragen (Anlage K 5).

Dies hat das Landgericht verkannt; streitig ist zwischen den Parteien nämlich lediglich, ob die Kündigung des Anstellungsvertrages (u.a. aus formellen Gründen) unwirksam ist (s. Schriftsatz der Klägerseite vom 23.04.14, Bl. 2 = Bl. 19 d.A.). Auf die Frage einer Doppelrelevanz von streitigen Tatsachen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.10.2009 - VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873, Rn. 16) kommt es daher nicht an.

b) Besteht zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag (was hier streitig ist, siehe dazu sogleich Ziff. 2), so entfällt mit „Abberufung aus der Organschaft“ (BAG, Beschluss vom 15.11.2013 - 10 AZB 28/13, Rn. 18) bzw. mit deren Eintragung in das Handelsregister (BAG, Beschluss vom 26.10.2012 - 10 AZB 55/12, Rn. 21), hier also jedenfalls für die Zeit nach dem 26.11.2013, die Fiktion des § 5 I 3 ArbGG (Koch a.a.O. Rn. 7).

2. Ausweislich des unstreitig der Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten zugrundeliegenden Vertrages vom 10.06.2010 (Anlage K 1) stand der Kläger bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis iSd § 2 I Nr. 3 a ArbGG.

a) Die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH kann auf einem Arbeitsvertrag beruhen (BAG v. 26.10.2012 a.a.O. Rn. 14).

b) Der Vertrag vom 10.06.2010 ist ein Arbeitsvertrag. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines Vertrages zur Arbeit im Dienst eines anderen verpflichtet ist.

Maßgeblich ist hierbei, dass die einverständliche konkrete Ausgestaltung des Vertrages als unselbständige, persönliche Abhängigkeit begründende Arbeitsleistung zur Anwendung des Arbeitsrechts führt, selbst wenn die Parteien dies nicht wollen (Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl., BGB, § 611 Rn. 41). Der Vertrag vom 10.06.2010 ist dadurch geprägt, dass der Kläger weisungsgebunden ist (§ 1 I 2). Er hat seine gesamte Arbeitskraft der Beklagten zur Verfügung zu stellen (§ 4 I 1). Er ist zwar nicht an bestimmte Arbeitszeiten gebunden, hat aber jederzeit der Beklagten zur Verfügung zu stehen (§ 4 I 2), was naturgemäß zur Folge hat, dass eine Tätigkeit für andere Auftraggeber praktisch ausscheidet, zumal die Übernahme jedweder anderweitigen Tätigkeit - selbst unentgeltlich - der Zustimmung der Beklagten bedarf (§ 5 I). Er hat Anspruch lediglich auf ein festes Gehalt (§ 6 I), wohingegen die Auszahlung einer variablen Vergütung (“Tantieme“) im - jedenfalls nach dem Vertragswortlaut - nicht kontrollierbaren, freien Ermessen der Beklagten steht (§ 6 II). Dem Kläger stehen 28 Tage - also eine fest bemessene Anzahl - Urlaub zu, wobei er den Urlaub nicht etwa frei bestimmen kann, sondern diesen in Abstimmung mit den übrigen Geschäftsführern und unter Wahrung der geschäftlichen Belange der Beklagten festzulegen hat (§ 11 I, II). Für Erfindungen gelten die Regelungen über Erfindungen eines Arbeitnehmers (§ 12). Insgesamt überwiegen die für ein weisungsgebundenes, von Abhängigkeit geprägtes Beschäftigungsverhältnis sprechenden Gesichtspunkte (s. dazu Preis a.a.O. Rn. 49) bei weitem, so dass vorliegend von einem Arbeitsverhältnis auszugehen ist.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerseite (Schriftsatz vom 02.06.2014, Bl. 2 = Bl. 41 d.A.) kommt es somit nicht auf eine „Umwandlung“ des Anstellungsvertrages an; vielmehr ist dieser Vertrag von Anfang an - aus den soeben genannten Gründen - als Arbeitsvertrag zu qualifizieren.

d) Auch die tatsächliche - also womöglich von der vertraglichen Regelung abweichende - Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte widerspricht dem obigen Befund nicht. Denn der Kläger hat vorgetragen (Schriftsatz vom 02.06.2014, Bl. 6 = Bl. 45 d.A.), nach seiner Abberufung überhaupt nicht mehr für die Beklagte tatsächlich tätig gewesen zu sein, so dass aus dem Tatsächlichen keinerlei Rückschlüsse auf die zutreffende rechtliche Wertung (vgl. BGH, Beschluss vom 27.10.2009, a.a.O. Rn. 12) gezogen werden können.

e) Es kann daher auch dahinstehen, ob aus der neueren Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11.11.2010 - C-232/90, NJW 2011, 2343, Rn. 46-51 - Danosa) zu folgern ist, dass für den Begriff des „Arbeitnehmers“ schon ausreicht, dass der Beschäftigte - wie hier - der Weisung eines anderen Organs unterliegt, und dass er - gleichfalls wie hier - für das Unternehmen Leistungen erbringt, für die er im Gegenzug ein Entgelt erhält.

IV.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 17 a IV 4 GVG) kommt nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 574 II ZPO); der Senat folgt der Rechtsprechung des BAG.

stats