BAG: Zulässigkeit einfacher Differenzierungsklauseln
BAG , Urteil vom 18.03.2009 - Aktenzeichen 4 AZR 64/08 (Vorinstanz: LAG Niedersachsen vom 11.12.2007 - Aktenzeichen 5 Sa 914/07; ) (Vorinstanz: ArbG Oldenburg - 4 Ca 9/07 - 24.5.2007 ) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: 1. Eine einfache Differenzierungsklausel, durch die in einem Tarifvertrag die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft zum Tatbestandsmerkmal eines Anspruchs auf eine jährliche Sonderzahlung von 535,00 Euro gemacht wird, begegnet keinen grundsätzlichen tarifrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Bedenken. 2. Der Große Senat hat in seinem Beschluss vom 29. November 1967 (- GS 1/67 - BAGE 20, 175) keine bindende Entscheidung über eine einfache Differenzierungsklausel getroffen. Soweit man dennoch die dort aufgestellten Rechtssätze auf § 3 TVAstD anwendet, hält diese Regelung den Anforderungen stand und ist insbesondere nicht sozial inadäquat. Orientierungssätze: 1. Die arbeitsvertragliche Verweisung auf einen Tarifvertrag ist im Regelfall darauf gerichtet, die Tarifnormen im Arbeitsverhältnis anzuwenden. Sie bezweckt hingegen nicht, dem Arbeitnehmer in Bezug auf den Tarifvertrag den Status eines Mitglieds der tarifschließenden Gewerkschaft einzuräumen. 2. § 3 TVAstD, der Mitgliedern der tarifschließenden Gewerkschaft einen eigenständigen Anspruch auf eine jährliche Ausgleichszahlung in Höhe von 535,00 Euro für die befristete Aussetzung eines anderweitig geregelten tariflichen Anspruchs auf eine Jahressonderzahlung einräumt, ist wirksam. a) § 3 TVAstD verstößt nicht gegen die negative Koalitionsfreiheit von Außenseitern, auch wenn diese in ihren Arbeitsverträgen eine den TVAstD erfassende Verweisungsklausel bezüglich der beim Arbeitgeber geltenden Tarifverträge haben. b) Der Senat musste nicht entscheiden, ob dies bereits aus einer den Tarifvertragsparteien zustehenden inhaltlich sehr weitgehenden, personell aber gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf Koalitionsmitglieder beschränkten Normsetzungsbefugnis folgt, oder ob an die Tarifvertragsparteien aus übergeordneten, letztlich verfassungsrechtlichen Erwägungen zur Funktion der Tarifautonomie hierbei höhere Anforderungen gestellt werden. Denn auch die sich aus einer möglichen engeren Normsetzungsbefugnis ergebenden Grenzen werden durch die konkrete Regelung in § 3 TVAstD nicht überschritten. 3. Einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 45 Abs. 3 ArbGG bedurfte es bei der Entscheidung über die einfache Differenzierungsklausel nicht, weil der Große Senat im Beschluss vom 29. November 1967 (- GS 1/67 - BAGE 20, 175) über eine solche keine bindende Entscheidung getroffen hat und - hilfsweise - weil die einfache Differenzierungsklausel des § 3 TVAstD auch nach den Maßstäben des Großen Senates nicht sozial inadäquat ist. 4. Rechtsfolge einer unwirksamen Differenzierungsklausel ist nicht deren Umdeutung in eine Klausel ohne die vorgesehene tarifliche Differenzierung, sondern allein die Unwirksamkeit der vereinbarten Klausel; dies gilt jedenfalls, soweit der Tarifvertrag ohne die unwirksame Klausel noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: TVG § 3 Abs. 1; TVG § 4 Abs. 1; BGB § 133; BGB § 157; GG Art. 9 Abs. 3; GG Art. 2 Abs. 1; Tarifvertrag zum Ausgleich des strukturellen Defizits der Unternehmensgruppe des ehemaligen AWO-Bezirksverbandes Weser-Ems (TVAstD) §§ 1 ff.; ArbGG § 45 Abs. 3; NJW 2010, 170 NZA 2009, 1028
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