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Arbeitsrecht
21.04.2022
Arbeitsrecht
LAG Hamm: Zeiten einer Quarantäne sind auf den Urlaub anzurechnen

LAG Hamm, 27.1.2022 – 5 Sa 1030/21

ECLI:DE:LAGHAM:2022:0127.5SA1030.21.00

Volltext: BB-Online BBL2022-953-1

Leitsatz der Redaktion

Im Rahmen einer angeordneten Quarantäne ist eine Vergleichbarkeit mit der Situation eines arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers gegeben.

BUrlG § 9; IfSG § 56

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Gutschrift von acht Urlaubstagen für das Jahr 2020.

Der Kläger ist seit dem 24.11.1993 als Schlosser zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.000,00 € bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung.

In der Zeit vom 12.10.2020 bis 21.10.2020 gewährte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß Urlaub im Umfang von acht Tagen.

Unter dem 14.10.2020 erließ die Stadt Hagen eine Ordnungsverfügung, mit welcher sie die Absonderung des Klägers in häusliche Quarantäne für die Zeit vom 09.10.2020 bis 21.10.2020 anordnete (Bl. 26 ff. der Akte), da er zuvor mit einem bestätigten COVID-19-Fall in Kontakt gekommen war.

In der Quarantäneanordnung (Bl. 26 - 29 d.A.), auf die im Übrigen Bezug genommen wird, heißt es unter anderem:

„Es ist in dieser Zeit untersagt, ihre Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes zu verlassen. Ferner ist es ihnen in dieser Zeit untersagt, Besuch von Personen zu empfangen, die nicht Ihrem Haushalt angehören.“

Der Kläger informierte die Beklagte unverzüglich über die Quarantäne.

Das Zeitkonto des Klägers (Bl. 30 ff. der Akte) wurde nach dem 21.10.2020 mit acht Urlaubstagen belastet.

Mit Schreiben vom 17.11.2020 sowie 30.11.2020 forderte der Kläger die Beklagte auf, seinem Urlaubskonto acht Tage gutzuschreiben (Bl. 33 ff. der Akte). Eine Reaktion seitens der Beklagten erfolgte nicht.

Mit der am 07.12.2020 beim Arbeitsgericht Hagen eingegangenen Klageschrift begehrte der Kläger die Gutschrift von acht Urlaubstagen auf seinem Urlaubskonto.

Er hat die Ansicht vertreten, die Quarantäneanordnungen hätten dem Erholungszweck entgegengestanden. Im Falle einer Quarantäneanordnung während eines geplanten Urlaubs erlösche der Urlaubsanspruch ähnlich einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht. Allein die Bewilligung eines Urlaubsantrags führe nicht zum Erlöschen des Anspruchs. Dieser würde nur dann erlöschen, wenn der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub auch antrete. Der Urlaubsanspruch diene der Erholung des Arbeitnehmers, was im Fall der Quarantäneanordnung ebenso wie im Fall der Erkrankung nicht möglich sei und eine Anrechnung ebenso wie im Fall der Erkrankung gem. § 9 BurlG nicht dem Jahresurlaub angerechnet werde und der Urlaub für diese Zeit nicht als erfüllt gelte.

Gewährter Urlaub bedeute, der Arbeitnehmer sei für die Bewilligungsdauer von der ansonsten vertraglich bestehenden Arbeitspflicht suspendiert. Im vorliegenden Fall sei er jedoch nicht aufgrund seines geplanten Urlaubs, sondern aufgrund der behördlichen Quarantäneanordnung von seiner Arbeitspflicht suspendiert gewesen. Aus diesem Grund habe eine weitere Suspendierung von der Arbeitspflicht nicht mehr folgen können.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Urlaubskonto des Klägers 8 Urlaubstage hinzuzufügen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Erholungszweck sei auch während der angeordneten Quarantäne gegeben. Sie sei bereits mit der Festlegung des Urlaubszeitraums, unter Berücksichtigung des gestellten Urlaubsantrags und der vorbehaltlosen Zusage und Leistung des Urlaubsentgelts als Schuldnerin des Urlaubsanspruchs von diesem frei geworden, da alles nach § 7 Abs. 1 BUrlG Erforderliche getan sei. Über diese Erfüllungshandlung hinaus schulde sie keinen „Urlaubserfolg“.  Die Tarifvertragsparteien hätten keine besonderen Regelungen zur Nichtanrechnung von Urlaub, insbesondere bezüglich des hier streitigen Falls, geregelt, wonach eine Umverteilung des Risikos zugunsten des Arbeitnehmers stattfinde.

Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 BUrlG stellten nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschriften dar.  Für eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG bestehe kein Rechtsraum, da die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vorlägen. Mit § 9 BUrlG habe der Gesetzgeber einen „hergebrachten Grundsatz des Urlaubsrechts“ kodifiziert. Es seien weitere Ausnahmevorschriften geschaffen worden, ohne den Anwendungsbereich von § 9 BUrlG zu berühren. Das Bundesurlaubsgesetz sei zeitlich nach dem Bundesseuchengesetz erlassen worden. Gleichwohl sei keine ausdrückliche Regelung für die Zeit behördlich angeordneter Quarantäne in Bezug auf gewährten Urlaub enthalten. Dies lasse den Rückschluss zu, der Gesetzgeber habe keine Regelung zur Nichtanrechnung von Urlaubstagen getroffen, obwohl er das Bundesseuchengesetz vor Augen gehabt haben könne. Auch im Zuge der „Corona-Gesetzgebung“ und insbesondere im Zuge der Anpassung des § 56 Infektionsschutzgesetz (kurz: IfSG) durch Einführung des Abs. 1a habe der Gesetzgeber eine über den Verdienstausfall hinausgehende und dem bekannten § 24 Abs. 2 MuSchG entsprechenden Regelung schaffen können. Allerdings habe er keine dem § 9 BUrlG entsprechende Regelung getroffen. Daher könne nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden.

Überdies fehle es an einer vergleichbaren Interessenlage. Eine behördlich angeordnete Quarantäne müsse nicht mit einer solchen Beeinträchtigung, wie einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit einhergehen. Zwar sei eine Quarantäne für den Arbeitnehmer kein schöner Umstand, da dieser nicht gänzlich frei in seiner Freizeitgestaltung sei, dennoch könne der Erholungszweck durch die Nichterbringung Leistung der Arbeit eintreten. Nicht jede Absonderung führe dazu, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung objektiv nicht erbringen könne. Einzelnen Mitarbeitern sei es möglich im „Home-Office“ zu arbeiten. Die Absonderung auf Basis einer Quarantäneanordnung sei nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbar.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt, für die vorliegende Entscheidung könne  offenbleiben, ob der Urlaubsanspruch des Klägers durch die Gewährung des Urlaubs in der Zeit vom 12.10.2020 bis 21.10.2020 durch die Beklagte erfüllt worden sei.

Durch die Bewilligung für den Zeitraum 12.10.2020 bis 21.10.2020 hätten die Parteien den Urlaubsanspruch über acht Tage auf diesen Zeitraum konkretisiert und die Beklagte die erforderliche Leistungshandlung gemäß § 243 Abs. 2 BGB vorgenommen. Werde die Freistellung im Rahmen des Urlaubs nachträglich unmöglich, ohne dass der Arbeitgeber die Unmöglichkeit zu vertreten habe, werde er gemäß § 275 Abs. 1 BGB von der Verpflichtung zur Freistellung frei. Durch die Quarantäneanordnung der Stadt Hagen vom 14.10.2020 sei die Bewilligung des Urlaubs auf einen bestimmten Zeitraum ersatzlos untergegangen, ohne dass die Beklagte dies zu vertreten habe.

Eine Verpflichtung zur Gutschrift von Urlaubstagen folge weder aus einer direkten noch einer analogen Anwendung des § 9 BUrlG. Eine Arbeitsunfähigkeit habe nicht vorgelegen.

Eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht, da  eine vergleichbare Interessenslage nicht ersichtlich sei. Die analoge Gesetzesanwendung setze voraus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlange wie die erfassten Fälle. Es müsse allerdings eine positiv festzustellende Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegen.

Es könne dahinstehen, ob die Regelung des § 9 BUrlG als Ausnahmevorschrift einer analogen Anwendung nicht zugänglich ist und mithin keine planwidrige Regelungslücke bestehe. Es mangele an einer vergleichbaren Interessenlage, da keine typische Vergleichbarkeit der Beeinträchtigung durch die Quarantäneanordnungen ersichtlich sei. Dies sei nur dann gegeben, wenn typischerweise bei jeder coronabedingten Quarantäneanordnung eine mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbare Beeinträchtigung vorliege. Dies sei nicht gegeben, da  es auf eine Einzelfallprüfung hinauslaufe, ob die Quarantäneanordnung der jeweiligen Gesundheitsbehörde dem Erholungszweck eines einzelnen Arbeitnehmers entgegensteht. Zwar stellt eine Quarantäneanordnung regelmäßig eine räumliche Begrenzung und damit eine Beeinträchtigung des täglichen Lebens für den jeweiligen Betroffenen dar. Allerdings könne nicht festgestellt werden, dass diese Beeinträchtigung von jedem Menschen gleich empfunden werde, sodass nicht von einer typischen Vergleichbarkeit bzgl. des ggfs. ausbleibenden Erholungszwecks ausgegangen werden kann.

Ob die Quarantäneanordnung dem Erholungszweck entgegensteht, sei von vielen Faktoren abhängig: Insbesondere von der räumlichen Gegebenheit des Arbeitnehmers, seiner psychischen Verfassung, der personellen Unterstützung während der Quarantäne und der jeweiligen Versorgungslage. Es könne nicht generell festgestellt werden, dass der behördlich angeordnete Aufenthalt in der eigenen Wohnung der Erholung entgegenstehe. Ein wichtiger Faktor sei darüber hinaus auch der zeitliche Umfang der Quarantäne, der für jeden Einzelfall individuell bestimmt werde.

Eine direkte Anwendung des § 56 IfSG lasse keine Gutschrift von Urlaubstagen auf das Urlaubskonto zu, sondern lediglich eine Entschädigung in Geld für den Verdienstausfall aufgrund quarantänebedingter Suspendierung von der Arbeitsleistung. Mangels planwidriger Regelungslücke komme eine analoge Anwendung des § 56 IfSG ebenfalls nicht in Betracht.

Der Gesetzgeber habe sich bei der Neufassung des IfSG eindeutige Gedanken dahingehend gemacht, welche Regelungen bezüglich des Verdienstausfalls bei einer Quarantäneanordnung eines Ansteckungsverdächtigen getroffen werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm erfolge diese Entschädigung in Geld für den Fall, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Quarantäneanordnung als Ansteckungsverdächtiger in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbsfähigkeit gehindert wird und einen Verdienstausfall erleide. Eine weitergehende Regelung sei nicht getroffen.

Zum Zeitpunkt der Neufassung des IfSG sei dem Gesetzgeber die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung des § 9 BUrlG bekannt gewesen, wie sie beispielsweise mit § 24 Abs. 2 Mutterschutzgesetz bestehe. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm sei lediglich die Absicherung einer Entgeltzahlung beabsichtigt gewesen.

Gegen dieses ihm am 05.08.2021 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 23.08.2021 bei Gericht eingegangenen Berufung, die er mit am 07.09.2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Hier führt er aus, dass das Arbeitsgericht habe zu Unrecht eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG verneint. Zwar werde eine Beeinträchtigung der persönlichen Bewegungsfreiheit von jedem Menschen anders wahrgenommen, doch gelte dieses auch für eine Arbeitsunfähigkeit, wobei hier bereits die Arbeitsunfähigkeit selbst z.B. bei einem gebrochenen Finger die sonstige Lebensführung nur unmaßgeblich beeinträchtige. Während eines Zeitraumes von zwei Wochen an die eigenen vier Wände gebunden zu sein, ohne die Möglichkeit, irgendeiner Freizeitgestaltung außerhalb der eigenen Wohnung nachzugehen, nicht einmal die Möglichkeit zu einem Spaziergang oder Einkauf zu haben, stelle eine schwerwiegende individuelle Beeinträchtigung dar, unabhängig von den individuellen Wohnverhältnissen. Auch entspreche eine analoge Handhabung dem Sinn der Regelung des § 9 BUrlG, der nicht auf die Frage der Erholung abstelle, sondern darauf, dass dann, wenn der Arbeitnehmer bereits wegen Arbeitsunfähigkeit von der Arbeit suspendiert sei, eine weitere Freistellung nicht erfolgen könne. Insoweit liege eine planwidrige Regelungslücke vor. Da Fälle von Quarantäne in der Vergangenheit sehr selten aufgetreten seien, habe der Gesetzgeber diese als regelungsbedürftig nicht vor Augen gehabt. Dagegen spräche auch nicht, dass das BUrlG nach dem früheren Bundesseuchengesetz verabschiedet worden sei.

Zwar sei das Infektionsschutzgesetz nach dem Auftauchen von Covid-19 mehrfach geändert worden, ohne dass die Urlaubsproblematik geregelt worden sei. Da diese Problematik aber im BUrlG zu regeln sei, könnten hieraus keine Rückschlüsse gezogen werden. Er vertritt weiter die Auffassung, dass eine Regelung, wonach ein Urlaubsanspruch bezogen auf den Mindesturlaub erlöschen könnten, obwohl der betroffene Arbeitnehmer keinen Erholungseffekt erfahre habe, gegen europarechtliche Vorgaben verstieße und regt die Vorlage des Sachverhaltes an den EuGH an.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 28.07.2021, Az.: 2 Ca 2784/20 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Urlaubskonto des Klägers 8 Urlaubstage hinzuzufügen.

Die Beklagte beantragt,

                                          die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens. Insbesondere verweist sie darauf, dass der Gesetzgebe seit vielen Jahren in Kenntnis der Sachverhalte auf eine Änderung des BUrlG verzichtet habe, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass er den streitigen Sachverhalt nicht "im Blick" gehabt habe. Der Bezug auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1978 helfe nicht weiter, da dieser sich wesentlich auf eine Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1966 bezogen habe (5 AZR 383/6), wobei das BAG die diesbezügliche Rechtsprechung mittlerweile aufgegeben habe. Ein Verstoß gegen EU-Recht sei nicht gegeben, da für die Inanspruchnahme und die Gewährung von Urlaub die einzelstaatlichen Gepflogenheiten zu beachten seien. Gefordert sei nach der Rechtsprechung des BAG daher nur die Freistellung gegen Entgelt, ein besonderer Urlaubserfolg sei nicht erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Aus den Gründen

I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.

II. Die Berufung ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes ist § 9 BUrlG jedenfalls analog auf den Fall einer angeordneten Quarantäne anzuwenden. Die Zeiten der Quarantäne sind analog § 9 BUrlG nicht auf den Jahresurlaub anzurechnen. Diese sind dem Kläger zu einem späteren Zeitpunkt nachzugewähren. Zu diesem Zweck sind diese dem Urlaubskonto gutzuschreiben.

1. Die Frage, ob eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG im Fall einer angeordneten Quarantäne möglich ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet.

Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die erfassten Fälle. Es muss allerdings eine positiv festzustellende Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegen (BAG, Beschluss vom 5.6.2014,  6 AZN 267/14, NJW 2015, 269 (272) Rz. 37 m.w.N.).

Nach Auffassung der Kammer ist diese in Bezug auf das Zusammentreffen einer Urlaubsgewährung mit einer nachträglichen Anordnung einer Quarantäne geboten, auch wenn der Gesetzgeber das BUrlG mehrfach geändert hat, ohne eine solche Ergänzung des § 9 BUrlG vorzunehmen oder eine ausdrückliche Regelung im Infektionsschutzgesetz vorzunehmen.

a) Das BAG hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung zu anderen urlaubsstörenden Vorfällen ausgeführt, der Arbeitgeber schulde auch bei richtlinienkonformem Verständnis von § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG nur die Freistellung von der Arbeitspflicht und die Zahlung des Urlaubsentgeltes zur Erfüllung, einen darüber hinausgehenden "Urlaubserfolg" schulde er nicht.  Mit der Festlegung des Urlaubszeitraums (und der vorbehaltlosen Zusage des Urlaubsentgelts) habe der Arbeitgeber als Schuldner das nach § 7 Abs. 1 BUrlG Erforderliche getan (§ 243 Abs. 2 BGB). Alle danach eintretenden urlaubsstörenden Ereignisse fielen entsprechend § 275 Abs. 1 BGB als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers. Nur soweit der Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien - wie in §§ 9, 10 BUrlG - besondere Regelungen zur Nichtanrechnung von Urlaub träfen, finde eine Umverteilung des Risikos zugunsten des Arbeitnehmers statt. Die Bestimmungen der §§ 9, 10 BUrlG seien nicht verallgemeinerungsfähig. Ihre entsprechende Anwendung auf andere urlaubsstörende Ereignisse oder Tatbestände, aus denen sich eine Beseitigung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ergebe, komme grundsätzlich nicht in Betracht. Somit trage regelmäßig der Arbeitnehmer das Risiko, dass sich der Urlaubszweck nach der Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber nicht (vollständig) realisiert. Dieses Risiko werde regelmäßig durch innere und äußere Umstände beeinflusst, die dem persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen seien  (BAG, Urteil vom 25.08.2020, 9 AZR 612/19, Rn. 28 - 33, juris unter Hinweis auf  BAG 18. März 2014, 9 AZR 669/12, Rn. 23; 10. Mai 2005, 9 AZR 251/04, Rn. 30, BAGE 114, 313; 9. August 1994, 9 AZR 384/92  zu 2 c der Gründe, BAGE 77, 296).

Mit dieser Begründung wurde die Verpflichtung zur Nachgewährung von Urlaub  bei vorliegenden Handlungsobliegenheiten des Arbeitnehmers gegenüber der Agentur für Arbeit, die den Bezug von Arbeitslosengeld gewährleisten sollten während des Urlaubszeitraumes (BAG, Urteil vom 25.08.2020, 9 AZR 612/19, a.a.O.) oder aufgrund eines erteilten Beschäftigungsverbotes aufgrund Schwangerschaft vor deren ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (9 AZR 384/92, a.a.O.)  abgelehnt.

b) Mit der Entscheidung vom 09. August 1994 (9 AZR 384/92, BAGE 77, 296) ist es von der eigenen früheren Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 01. August 1963, 5 AZR 59/63, juris; BAG Urteil vom 01. August 1963, 5 AZR 74/63, juris ) abgerückt,  die jedenfalls in den Fällen, in denen für den Arbeitgeber für den Verhinderungsfall (hier die Musterung) eine unabdingbare Entgeltzahlungspflicht vorgesehen ist (hier § 12 ArbPlSchG), eine Anrechnung als gegeben ansah. In der Entscheidung 5 AZR 74/63 hatte das BAG die Unterscheidung der Fälle, in denen eine Anrechnung möglich war insoweit verdeutlicht, als es mit Rücksicht auf den vom Gesetz verfolgten Zweck zwischen solchen Fällen unterschieden hat, in denen der Lohn für den auf Grund bestimmter Ereignisse eintretenden Arbeitsausfall abbedungen werden kann und den Fällen, in denen das nicht zulässig ist. Ein solcher Wertungsmaßstab führe zu einem sinnvollen Ausgangspunkt für die zu entscheidende Rechtsfrage. In den Fällen der Krankheit, der gesetzlichen Wochenfeiertage und des Musterungstages sei eine Abbedingung der Lohnfortzahlung unzulässig. In allen übrigen Fällen des § 616 Abs. 1 BGB sei sie dagegen möglich. Durch diese Regelung sei zugleich abgegrenzt, welche Ereignisse als so wichtig anzusehen seien, dass sie grundsätzlich zu Lasten des Arbeitgebers gingen (a.a.O., Rz. 18).

c) In der Begründung hatte das BAG in der Entscheidung vom 09.08.1994 (9 AZR 384/92, a.a.O.) darauf verwiesen, dass es bereits in einer weiteren Entscheidung (BAG, Urteil vom 11. Januar 1966, 5 AZR 383/65, juris) hieran nicht mehr angeknüpft habe. Dafür bestand allerdings nach der Konstellation der Entscheidung im Jahr 1966 auch kein Grund, wie das BAG dort selbst ausgeführt hat, da es sich um einen Fall der abdingbaren Entgeltfortzahlung aufgrund eines Ereignisses im rein persönlichen Umfeld (Teilnahme an der Beerdigung des Vaters) handelte, weshalb das BAG ausdrücklich keine Veranlassung sah, sich mit der Kritik an den Entscheidungen aus dem Jahr 1963 weiter auseinanderzusetzen (BAG, Urteil vom 11. Januar 1966 , 5 AZR 383/65, juris, Rz. 24). Insoweit war das BAG gerade nicht von der älteren Rechtsprechung abgerückt, sondern hatte lediglich im Hinblick auf die in der Literatur geäußerte Kritik an der Rechtsprechung in den Raum gestellt, dass für den vorliegenden Fall offen bleiben könne, ob an diesem Wertungsmaßstab gegenüber den erwähnten Literaturstimmen unter allen Umständen festzuhalten sei.

In der konkreten Entscheidung aus dem Jahr 1994 (Rz. 34) hat es darauf verwiesen, dass eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG wie bei jedem Fall der analogen Gesetzesanwendung nur in Betracht käme, wenn eine typische Vergleichbarkeit gegeben sei und nicht der im Einzelfall festzustellende Grad der Beeinträchtigung ausschlaggebend sein könne. Aus diesem Grund könne eine analoge Anwendung nur dann in Betracht kommen, wenn typischerweise bei jedem schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbot eine mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbare Beeinträchtigung vorliege, was nicht der Fall sei. Weshalb dieses nicht der Fall sei, hat es allerdings nicht ausgeführt, da es nicht vorab definiert hat, was die Voraussetzung für die Vergleichbarkeit wäre.

Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Gesetzgeber einen vergleichbaren Sachverhalt offensichtlich gesehen hat, weshalb in § 17 MuSchG a.F. (jetzt § 24 MuSchG) ab dem Jahr 2002 (Vorschrift eingefügt durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Mutterschutzrechts vom 16.06.2002 (BGBl. I S. 1812), in Kraft getreten am 20.06.2002) ausdrücklich geregelt wurde, dass Ausfallzeiten aufgrund mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote als Beschäftigungszeiten gelten, weshalb das BAG auch in einer Folgeentscheidung zu dieser Frage ausgeführt hat, dass nach der gesetzgeberischen Wertung Urlaub während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote nicht erlöschen könne (BAG, Urteil vom 09. August 2016, 9 AZR 575/15, juris, Rz.15), da § 17 MuSchG eine dem § 9 BUrlG entsprechende Ausnahme von den Rechtsfolgen des § 275 BGB enthalte, eine vom Arbeitgeber nicht zu vertretende Unmöglichkeit damit qua gesetzlicher Ausnahmeregelung nicht gegeben sei. Dieses gelte auch im Fall des Eintretens des Beschäftigungsverbotes zu einem Zeitpunkt, zu dem der Urlaub bereits bewilligt war, denn "die Arbeitnehmerin „erhält“ ihren Urlaub, wenn die mit der Festlegung des Urlaubszeitraums bezweckte Erfüllungswirkung eintritt. Damit die Verpflichtung zur Urlaubserteilung nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt, genügt nicht allein die Vornahme der erforderlichen Leistungshandlung, sondern es muss auch der Leistungserfolg eintreten. Kann die Arbeitnehmerin nach dem Wortlaut des § 17 Satz 2 MuSchG den vor den Beschäftigungsverboten nicht erhaltenen Urlaub danach ungekürzt in Anspruch nehmen, folgt daraus die gesetzgeberische Wertung, dass Urlaub während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote nicht erlöschen kann."(BAG, a.a.O., Rz. 15).

aa) Die Kammer ist der Ansicht, dass auch im Hinblick auf die vorliegende Rechtsprechung, die eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG nur grundsätzlich ausschließt und im Lichte der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9; im Folgenden Richtlinie 2003/88/EG) im Fall einer Anordnung einer Quarantäne während eines bewilligten Urlaubs, die in die Zeit der Quarantäne fallenden Tage auf den Urlaub anzurechnen und in der Folge entfallene Urlaubstage nachzugewähren sind.

bb) Bereits in seiner grundlegenden Entscheidung bezüglich des Erhaltes von Urlaubsansprüchen im Fall einer langandauernden Erkrankung (EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009, C-350/06 und C-520/06 –, Schultz-Hoff) hat der EuGH ausgeführt, dass der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft anzusehen ist, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den in der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18) selbst ausdrücklich gezogenen Grenzen umsetzen dürfen (ebenda, Rz. 22). Der Arbeitnehmer müsse normalerweise über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen können, damit ein wirksamer Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit sichergestellt ist, denn nur für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird, lasse Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 zu, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzt wird (ebenda, Rz. 23).

cc) Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht auch hervor, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub es dem Arbeitnehmer ermöglichen soll, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (EuGH, Urteil vom 30. Juni 2016, C-178/15, juris, Rz. 23, ebenso Urteil vom 20. Januar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, juris,  Rz. 25). Insbesondere hat er festgestellt, dass dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als Grundsatz des Sozialrechts der Union nicht nur besondere Bedeutung zukommt, sondern dass er auch in Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der von Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche rechtliche Rang wie den Verträgen zuerkannt wird, ausdrücklich verankert ist (EuGH, Urteil vom 30. Juni 2016, C-178/15, juris, Rz. 20, m.w.N.); dieses ist bei der Anwendung der nationalen Regelungen im Lichte der europarechtlichen Vorgaben zu beachten.

d)  So hatte der EuGH zwar die Gleichbehandlung von Zeiten der Kurzarbeit aufgrund eines vereinbarten Sozialplans mit Krankheitszeiten bei der Einflussnahme auf Urlaubsansprüche verneint mit der Begründung, der betroffene Arbeitnehmer könne während der Kurzarbeit, die sich aus dem genannten Sozialplan ergibt und für ihn folglich vorhersehbar ist, sich entweder ausruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen. Da er unter keinen durch eine Erkrankung hervorgerufenen physischen oder psychischen Beschwerden leide, befinde er sich daher in einer anderen Lage, als wenn er aufgrund seines Gesundheitszustands arbeitsunfähig wäre (EuGH, Urteil vom 08.11.2012, C-229/11 und C-230/11, juris, Heimann und Toltschin, Rz. 29).

aa)  Im Fall einer angeordneten Quarantäne ist  aber eine Vergleichbarkeit mit der Situation eines arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers entgegen der Auffassung des LAG Düsseldorf (Urteil vom 15.10.2021, 7 Sa 857/21, juris) sowie LAG Köln (13.12.2021, 2 Sa 488/21, bisher nur als PM) sowie weiterer Instanzgerichte (ArbG Neumünster, Urt. v. 03.08.2021, 3 Ca 362b/21; ArbG Halle, Urt. v. 23.06.2021, 4 Ca 285/21; ArbG Bremen-Bremerhaven, Urt. v. 08.06.2021, 6 Ca 6035/21 jeweils zitiert nach juris) gegeben.

Dieser Annahme steht im Übrigen insoweit auch nicht die Entscheidung des BAG vom 09.08.1994 (9 AZR 384/92, a.a.O.) entgegen, da dort ausdrücklich die analoge Anwendbarkeit des § 9 BUrlG lediglich mangels typischer Vergleichbarkeit mit  der Beeinträchtigung im Fall einer Arbeitsunfähigkeit bei Vorliegen eines Beschäftigungsverbotes aufgrund der ansonsten gegebenen Erforderlichkeit einer Einzelfallbetrachtung verneint wurde.

Dieses ist vorliegend nicht erforderlich, da es im Fall einer Quarantäne-Anordnung nach Auffassung der Kammer im Gegensatz zur Auffassung der o.g. anderweitigen Entscheidungen nicht darauf ankommt, wie der einzelne betroffene Arbeitnehmer die Quarantäne empfindet oder ob er in der Lage ist, dieser positive Aspekte abzugewinnen und welche Beeinträchtigung sich für den konkreten Arbeitnehmer angesichts der bei ihm bestehenden Vorstellungen der "Erholung" bestehen.  Vielmehr steht eine Quarantäne-Anordnung immer einem wesentlichen Aspekt der Urlaubsgewährung entgegen, die darin besteht, die Urlaubsgestaltung frei zu bestimmen bzw. selbstbestimmt zu gestalten (BAG 9 AZR 384/92, a.a.O., Rz. 34).

bb) Zwar schuldet der Arbeitgeber tatsächlich keinen "Urlaubserfolg". Der Arbeitnehmer soll aber nach § 1 BUrlG zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt werden, um ihm die uneingeschränkte Möglichkeit selbstbestimmter Nutzung seiner Freizeit zu geben (BAG, Urteil vom 25.08.2020, 9 AZR 612/19, a.a.O., Rz. 26 unter Verweis auf BAG 10.5.2005, 9 AZR 251/04, Rn. 33, BAGE 114, 313 [ZTR 2006, 149]).

Die Quarantäne-Bestimmungen verhindern dieses abstrakt gesehen generell, da sie bestimmen, wo sich eine Person aufzuhalten hat, mit wem sie Kontakt haben darf, ob sie sich gegebenenfalls Untersuchungen unterziehen muss (äußerliche Untersuchungen, Abstriche von Haut und Schleimhäuten), mit der Folge, dass sie für diese Untersuchungen auch zur Verfügung stehen muss (siehe Quarantäne-Anordnungen bezüglich des Klägers vom 14.10.2020, Bl. 26 d.A.). Nicht zu vernachlässigen ist dabei, dass dieser Zeitraum auch mit der Belastung verbunden ist, einen jederzeitigen schweren Ausbruch der Erkrankung erfahren zu können, unabhängig davon, ob die Quarantäne wegen eines positiven Testergebnisses des Betroffenen oder - wie bei dem Kläger - aufgrund eines Kontaktes zu einem bestätigten Covid-19-Fall ausgesprochen wurde.

Die Anordnung einer Quarantäne steht damit einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraumes diametral gegenüber, unabhängig davon, wie der einzelne Betroffene diese persönlich empfindet.

So hat bereits der Bundesgerichtshof zum damaligen § 48 Bundesseuchengesetz entschieden, ein Ausscheider im Sinne des § 2d BSeuchG sei zwar grundsätzlich nicht krank im Sinne des BUrlG. Die Grenzen zu einer Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne seien indes fließend. Hierzu hat er sich auf  die amtliche Begründung zu § 48 des Regierungsentwurfs eines Bundesseuchengesetzes (BT-Drucks III/1888 vom 27. Mai 1960, S. 27, = § 49 BSeuchG;  der zum Zeitpunkt der Entscheidung gültig war) bezogen, in der ausgeführt wurde, der betroffene Personenkreis, somit Ausscheider, Ausscheidungsverdächtige und Ansteckungsverdächtige, denn dieser Personenkreis wurde von § 48 BSeuchG umfasst, seien "vom Schicksal in ähnlicher Weise betroffen wie Kranke" (ähnlich schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen vom 17. April 1961 - BT-Drucks III/2662,:  Der Betroffene Personenkreis könne "in etwa den Kranken gleichgestellt werden") (BGH, Urteil vom 30. November 1978, III ZR 43/77, juris, Rz. 15).

cc) Diese Rechtsprechung hat nach Auffassung der Kammer auch weiterhin Bestand und Bedeutung. Soweit sie auf die ältere Rechtsprechung des BAG verwiesen hatte, geschah dies gerade insoweit, als es auch nach dieser keinen allgemeinen Rechtssatz gebe, dass der Arbeitgeber in den Fällen, in denen der Erholungsurlaub durch andere, nicht auf Krankheit des Arbeitnehmers beruhende Umstände beeinträchtigt oder vereitelt wird, zur Nachgewährung von Urlaub verpflichtet sei (BGH, a.a.O., Rz. 13).

Gerade im Fall der "seuchenrechtlich" bedingten Absonderung hat aber der damalige Gesetzgeber diese Analogie insoweit selbst gezogen. Eben dieses wurde durch die Entscheidung des BGH zugrunde gelegt. Diese Überlegungen haben auch weiterhin Gültigkeit.

Der Rechtsgedanke ist auch auf § 56 IfSG übertragbar. So wird in den Informationen des Bundesministerium für Gesundheit unter der Rubrik "Ansprüche auf Ersatz des Verdienstausfalls für Arbeitnehmer und Selbständige"  Stand 01.10.2021 unter Verweis auf die Entscheidung des BGH ausgeführt, dass eine Anrechnung auf den Jahresurlaub grundsätzlich dann unterbleibt, wenn die betroffene Person aufgrund ihrer Absonderung krankheitsähnlich an der Wahrnehmung ihres Erholungsurlaubs verhindert ist, etwa weil sie strengen Hygieneauflagen unterliegt und deshalb ihre Urlaubszeit nicht frei und selbstgewählt gestalten kann (in diesem Sinne auch Eulinger, § 56 lfSG - Coronavirus SARS-CoV-2 und die Entdeckung einer Norm, DB 2020,1121 (1122); Hohenstatt/Krois, Lohnrisiko und Entgeltfortzahlung während der Corona-Pandemie, NZA 2020, 413 (416); a.A. Hein/Tophof, Folgen einer Quarantäneanordnung während des bewilligten Urlaubs, NZA 2021, 601 (602). Zwar ist dieser Hinweis mittlerweile um die oben zitierte Instanzrechtsprechung ergänzt worden, die eine Anrechnung der Quarantänezeiten ablehnt (Stand 28.12.2021, S. 34). Eben hieraus ergibt sich aber, dass der Gesetzgeber die Anwendung der Norm im konkreten Fall der Rechtsprechung anheimgestellt hat.

Allein, dass der Gesetzgeber diese Folge nicht entsprechend § 17 MuSchG (jetzt 24 MuSchG) trotz mehrerer Änderungen des Gesetzestextes ausdrücklich aufgenommen hat, steht im Hinblick auf dieses Verständnis von der Normanwendung damit einer analogen Gesetzesanwendung nicht entgegen, da der Gesetzgeber entgegen der Auffassung von Hein/Tophof (Folgen einer Quarantäneanordnung, a.a.O., S. 602) erkennbar davon ausgegangen ist, dass eine entsprechende Anwendung von § 9 BUrlG durch die Rechtsprechung erfolgt.

e) Nach Auffassung der Kammer ist diese Rechtsfrage jedenfalls bezogen auf eine angeordnete Quarantäne auch durch den EuGH in der Entscheidung Fetico u.a. (EuGH, Urteil vom 04. Juni 2020, C-588/18, juris) nicht, auch nicht implizit, entschieden worden.

Grundlage der Entscheidung war eine Vorlage des Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien) zu innerstaatlichen gesetzlichen und tariflichen Regelungen, die Sonderurlaubsansprüche für bestimmte Sachverhalte wie die eigene Heirat oder die naher Verwandter, chirurgische Eingriffe, Geburt eines Kindes, Gewerkschaftstätigkeit, die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit und ähnliches vorsahen. Fraglich war, ob den Beschäftigten in dem Fall, wenn diese zum Sonderurlaub berechtigenden Bedürfnissen und Verpflichtungen in Zeiten des Jahresurlaubs fallen, der Sonderurlaub nachzugewähren wäre. Das vorlegende Gericht hatte insoweit ausgeführt:

Wenn im vorliegenden Fall eines der von der nationalen Regelung erfassten Ereignisse während der wöchentlichen Ruhezeiten oder des bezahlten Jahresurlaubs eintrete, träfen unterschiedliche Anliegen zusammen, und zwar die Erholung, die den Arbeitnehmern durch diese Zeiträume insbesondere verschafft werden solle, und Bedürfnisse oder Verpflichtungen, für die nach der nationalen Regelung bezahlter Sonderurlaub gewährt werde. Wäre es in diesem Fall nicht möglich, die Inanspruchnahme des bezahlten Sonderurlaubs auf einen Zeitpunkt außerhalb der genannten Zeiträume zu verschieben, würde ihr Nutzen zunichte gemacht, da die Arbeitnehmer diese Zeiträume opfern müssten, um den Bedürfnissen und Pflichten nachzukommen, für die der bezahlte Sonderurlaub vorgesehen sei (Rz. 22).

Folgerichtig hat es die Frage gestellt:  Ist Art. 7 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die gestattet, dass der Jahresurlaub mit bezahlten Freistellungen, die anderen Zwecken als der Erholung, Entspannung und Freizeit dienen, zusammenfällt? (Rz. 24)

aa) Diese Frage ist durch die Entscheidung jedenfalls bezogen auf einen Sachverhalt wie den einer Quarantäneanordnung nicht abschließend beantwortet, da das Gericht hierzu ausgeführt hat, die streitgegenständlichen Sonderurlaubstage, die dazu dienten, bestimmten Bedürfnissen und Verpflichtungen nachzukommen, fielen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88, sondern unterlägen der Ausübung der eigenen Befugnisse durch einen Mitgliedstaat. Zwar dürfe die Ausübung solcher eigener Befugnisse nicht dazu führen, dass der den Arbeitnehmern durch die Richtlinie gewährleistete Mindestschutz und insbesondere die tatsächliche Inanspruchnahme der wöchentlichen Mindestruhezeiten und des bezahlten Jahresurlaubs im Sinne ihrer Art. 5 und 7 beeinträchtigt würden. Eine solche Beeinträchtigung hat der Gerichtshof bei einem Zusammentreffe zwischen dem Jahresurlaub und einem Krankheitsurlaub aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzung gesehen. Da der im Ausgangsverfahren vorgesehene bezahlte Sonderurlaub es den Arbeitnehmern nur ermöglichen solle, der Arbeit fernzubleiben, um ganz bestimmten Bedürfnissen oder Verpflichtungen nachzukommen, die ihre persönliche Anwesenheit erforderten, sei er untrennbar mit der Arbeitszeit als solcher verbunden, so dass sich die Arbeitnehmer während der wöchentlichen Ruhezeit oder des bezahlten Jahresurlaubs nicht auf ihn berufen könnten. Daher könne ein solcher Sonderurlaub dem Krankheitsurlaub nicht gleichgestellt werden (Rz. 36).

bb) Diese Gedanken sind auf eine angeordnete Quarantäne nicht übertragbar. Zwar handelt es sich auch hierbei um eine Verpflichtung der Arbeitnehmer, der sie nachkommen müssen, diese knüpft aber gerade nur mittelbar an das Arbeitsverhältnis und die Arbeitspflicht an, soweit diese als Folge der Quarantäne die Erfüllung der Arbeitspflicht unmöglich macht. Die Zeit der Quarantäne dient auch einem anderen Zweck als der Zeitraum des Jahresurlaubs, der der Entspannung und Erholung dienen soll. Die Quarantäne ist dagegen eine zeitlich befristete Absonderung von ansteckungsverdächtigen Personen oder von Personen, die möglicherweise das Virus ausscheiden (siehe Definition RKI Stand: 19.1.2022).

Eine mögliche Nachgewährungspflicht hat der EuGH folgerichtig auch nur im Hinblick auf den Sonderurlaub geprüft, wenn der Grund für die Gewährung eines solchen  Sonderurlaubs während des Jahresurlaubs auftritt und dieses mit der Begründung verneint, dass der Sonderurlaub und die für ihn geltende Regelung nicht unter die mit der Richtlinie 2003/88 eingeführte Regelung fallen.

Auch sei der Grundsatz, wonach ein unionsrechtlich gewährter Urlaub nicht das Recht beeinträchtigen dürfe, einen anderen unionsrechtlich gewährten Urlaub zu nehmen, nicht betroffen, da der im Streitfall fragliche Sonderurlaub zwar teilweise unter die Richtlinie 2010/18 zu fallen scheine, die dort geregelten Freistellungsfallgestaltungen aber einem Urlaub im Sinne eines unionsrechtlich geregelten Urlaubs nicht gleichgestellt werden könnten, da diese lediglich vorsähen, dass  die Arbeitnehmer berechtigt seien, im Fall höherer Gewalt wegen dringender familiärer Gründe bei Krankheiten oder Unfällen, die die sofortige Anwesenheit des Arbeitnehmers erfordern, der Arbeit fernzubleiben (Rz. 40, 41).

2) Die dem Kläger im Zeitraum der Quarantäne im Zeitraum des bewilligten Urlaubs vom 12.10.2020 bis 21.10.2020 anfallenden acht Urlaubstage sind danach analog § 9 BUrlG weiterhin dem Urlaubskonto des Klägers gutzuschreiben.

Ein Verfall der Ansprüche kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat die restlichen Urlaubsansprüche für das Jahr 2020  bereits im Kalenderjahr 2020 geltend gemacht, so dass diese unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mit dem 31.12.2020 untergegangen sind, nachdem die Beklagte die Erfüllung der Urlaubsansprüche ausdrücklich verweigert hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1, 2 ArbGG.

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