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Arbeitsrecht
03.05.2012
Arbeitsrecht
BAG: Weiterbeschäftigung eines Auszubildendenvertreters in einem Arbeitsverhältnis











BAG, Beschluss  vom 15.12.2011  Aktenzeichen 7 ABR 40/10
(Vorinstanz: LAG Düsseldorf vom 19.05.2010 - Aktenzeichen 12 TaBV 23/10; ) (Vorinstanz: ArbG Essen
vom 15.12.2009 - Aktenzeichen 2 BV
67/09; )


Amtliche Leitsätze:
Orientierungssätze:
1. Ein Weiterbeschäftigungsverlangen iSv. § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG,
das früher als drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses
gestellt wird, ist unwirksam.
2. Die Sechsmonatsfrist des § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
ist nicht entsprechend auf Weiterbeschäftigungsverlangen von
Auszubildendenvertretern anzuwenden. § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
ist nicht planwidrig lückenhaft. Die Interessenlage der von § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
und § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
geregelten unterschiedlichen Fälle ist auch nicht dieselbe.
3. Nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
muss ein Auszubildender schriftlich verlangen, weiterbeschäftigt zu werden. Die
Vorschrift verlangt Schriftform iSv. § 126
Abs. 1
BGB.
Sie lässt Textform iSv. § 126b
BGB
nicht genügen. Eine E-Mail wird dem Schriftformerfordernis daher nicht gerecht,
sofern sie nicht der elektronischen Form des § 126a
BGB
genügt. Es kann dem Arbeitgeber jedoch im Einzelfall nach Treu und Glauben
verwehrt sein, sich auf den Schriftformverstoß des
Weiterbeschäftigungsverlangens zu berufen.

Amtliche Normenkette: BetrVG
§ 78a
Abs. 1;
BetrVG
§ 78a
Abs. 2
S. 1; BetrVG
§ 78a
Abs. 3;
BetrVG
§ 78a
Abs. 4
S. 1 Nr. 2;
BetrVG
§ 78
S. 2; BBiG
(a.F.) § 5
Abs. 1
S. 2; BBiG
§ 12
Abs. 1
S. 2; BBiG
§ 21
Abs. 1
S. 1; BBiG
§ 21
Abs. 2;
BGB
§ 125
S. 1; BGB
§ 126
Abs. 1;
BGB
§ 126a; BGB
§ 126b; BGB
§ 162
Abs. 1;
BGB
§ 242;
BGB
§ 626
Abs. 1;









Gründe:
 






A. Die Beteiligten streiten darüber, ob zwischen einem
früheren Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Arbeitgeberin
ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Hilfsweise macht die Arbeitgeberin
die Auflösung des Arbeitsverhältnisses geltend.
RN 1






Die antragstellende Arbeitgeberin ist eine in E ansässige
Genossenschaftsbank. In ihrem Betrieb ist der zu 3. beteiligte Betriebsrat
gewählt. Der Beteiligte zu 2. war bis November 2008 Vorsitzender der im Betrieb
gebildeten Jugend- und Auszubildendenvertretung.
RN 2






Der Beteiligte zu 2. absolvierte bei der Arbeitgeberin eine
Ausbildung für den Beruf des Bankkaufmanns. Die Ausbildungszeit sollte
ursprünglich am 31. August 2008 enden. Aus krankheitsbedingten Gründen wurde der
Ausbildungsvertrag einvernehmlich bis 31. August 2009 verlängert. Der Beteiligte
zu 2. beendete die Ausbildung erfolgreich mit der Abschlussprüfung. Das
Prüfungsergebnis wurde ihm am 26. Juni 2009 mitgeteilt. Abweichend von den
üblicherweise bis Mitte Juni 2009 durchgeführten Abschlussprüfungen hatte der
Beteiligte zu 2. erst einen späteren Prüfungstermin Ende Juni 2009
erhalten.
RN 3






Im letzten Quartal 2008 übernahm die Arbeitgeberin ua. den
Auszubildenden B in ein Arbeitsverhältnis.
RN 4






Der Beteiligte zu 2. bewarb sich mit E-Mail vom 23. Januar
2009 um eine am 19. Januar 2009 als "Personalreserve" ausgeschriebene Stelle.
Die Arbeitgeberin beabsichtigte, den Arbeitsplatz mit der amtierenden
Vorsitzenden der Jugend- und Auszubildendenvertretung D zu besetzen. Der Betriebsrat stimmte dem am 11.
Februar 2009 zu. Mit Schreiben vom 17. Februar 2008 (gemeint war der 17. Februar
2009) beantragte der Beteiligte zu 2., ihn nach Abschluss seiner Ausbildung in
ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis zu übernehmen. Die Arbeitgeberin
lehnte das mit Schreiben vom 20. Februar 2009 ab und verwies auf die
Mitteilungsfrist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG.
Daraufhin wiederholte der Beteiligte zu 2. mit Schreiben vom 17. März 2008
(gemeint war der 17. März 2009) sein Übernahmeverlangen. Mit E-Mail vom 6. April
2009 bewarb sich der Beteiligte zu 2. um eine als Serviceberater in Ü
ausgeschriebene Stelle. Die Arbeitgeberin erteilte ihm mit E-Mail desselben Tags
eine Absage. Sie versetzte stattdessen den kurz zuvor in ein Arbeitsverhältnis
übernommenen Herrn B zum 15. April 2009 von der Filiale F auf die Stelle als
Serviceberater in der Filiale Ü. Der Beteiligte zu 2. bewarb sich schließlich
erfolglos mit E-Mail vom 23. Juni 2009 um Positionen als Kassierer und
Serviceberater in der Filiale F sowie um eine Stelle als Mitarbeiter im
Telefonteam.
RN 5






Nachdem Frau D ihre
Abschlussprüfung bestanden hatte, wurde sie im Sommer 2009 in ein
Arbeitsverhältnis übernommen. Im Sommer 2009 kam es bei der Arbeitgeberin zu
mehreren internen Stellenausschreibungen.
RN 6






Die Arbeitgeberin hat mit ihrem am 9. Juli 2009 beim
Arbeitsgericht eingegangenen Antrag die Auffassung vertreten, zwischen ihr und
dem Beteiligten zu 2. sei kein Arbeitsverhältnis nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
zustande gekommen. Der Beteiligte zu 2. habe seine Weiterbeschäftigung nicht
innerhalb von drei Monaten vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses
verlangt. Die mit E-Mails erfolgten Bewerbungen vom 6. April 2009 und 23. Juni
2009 seien schon nicht als Übernahmeverlangen iSv. § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
anzusehen. Jedenfalls wahrten sie nicht die Schriftform. Ein ggf. zustande
gekommenes Arbeitsverhältnis sei jedenfalls nach § 78a
Abs. 4
Satz 1 Nr. 2
BetrVG
aufzulösen, weil der Beteiligte zu 2. nicht habe weiterbeschäftigt werden
können. Die ausgeschriebene Stelle eines Serviceberaters in der Filiale Ü sei
entsprechend einer früheren Planung mit Herrn B besetzt worden. Auch die
Stellen, um die sich der Beteiligte zu 2. mit E-Mail vom 23. Juni 2009 beworben
habe, seien nicht als frei anzusehen gewesen. Die Arbeitgeberin habe einen sog.
Ringtausch unter mehreren Arbeitnehmern vornehmen müssen, um die
Weiterbeschäftigung des Betriebsratsmitglieds H nach der Fremdvergabe seiner
bisherigen Tätigkeit als EBL-Berater zu gewährleisten. Welcher Arbeitnehmer auf
welche Position habe wechseln sollen, habe von vornherein
festgestanden.
RN 7






Die Arbeitgeberin hat beantragt
RN 8






1. festzustellen, dass zwischen ihr und dem Beteiligten zu 2.
nach Ablauf der Ausbildungszeit am 26. Juni 2009 ein Arbeitsverhältnis nicht
begründet worden ist;
 






2. hilfsweise das am 27. Juni 2009 zwischen ihr und dem
Beteiligten zu 2. begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.
 






Der Beteiligte zu 2. und der Betriebsrat haben beantragt, die
Anträge abzuweisen. Sie haben gemeint, nach dem Ende der Berufsausbildung sei
ein Arbeitsverhältnis des Beteiligten zu 2. mit der Arbeitgeberin zustande
gekommen. Der Beteiligte zu 2. habe form- und fristgerecht die Übernahme
verlangt. Ein außerhalb des Dreimonatszeitraums nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
übermitteltes Weiterbeschäftigungsverlangen sei wirksam, wenn es angelehnt an §
12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
sechs Monate vor Ausbildungsende gestellt worden sei. Jedenfalls seien auch in
den Bewerbungen vom 6. April 2009 und 23. Juni 2009 rechtzeitige
Übernahmeverlangen zu sehen. Die Arbeitgeberin habe dennoch die für den
Beteiligten zu 2. geeigneten freien Stellen mit anderen Arbeitnehmern besetzt.
Die damals amtierende Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung D sei ohne Verlangen nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
übernommen worden.
RN 9






Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag der Arbeitgeberin
stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat den Hauptantrag abgewiesen, aufgrund
des Hilfsantrags aber das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Arbeitgeberin
die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Beteiligte zu 2.
verfolgt mit seiner Rechtsbeschwerde das Ziel der Abweisung auch des
Hilfsantrags.
RN 10






B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das
Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass zwischen dem
Beteiligten zu 2. und der Arbeitgeberin ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen
ist. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2. hat Erfolg. Sie führt zur
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Auflösungsantrags und
in diesem Umfang zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Mit der vom
Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann dem Auflösungsantrag nicht
stattgegeben werden.
RN 11






I. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist in der Sache
erfolglos. Der auf Feststellung eines nicht zustande gekommenen
Arbeitsverhältnisses gerichtete Hauptantrag der Arbeitgeberin ist unbegründet.
Zwischen dem Beteiligten zu 2. und der Arbeitgeberin gilt nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen. Das Landesarbeitsgericht hat
allerdings zu Unrecht angenommen, dass ein Auszubildender innerhalb der
Sechsmonatsfrist des § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
seine Weiterbeschäftigung nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
verlangen kann. Der angefochtene Beschluss stellt sich hinsichtlich des
Hauptantrags jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561
ZPO).
Die innerhalb des Dreimonatszeitraums nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
per E-Mail übersandten Bewerbungen vom 6. April 2009 und 23. Juni 2009 wahrten
zwar nicht die Schriftform des § 126
Abs. 1
BGB.
Der Arbeitgeberin ist es aber nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die nicht
eingehaltene Schriftform zu berufen.
RN 12






1. Nach § 78a
Abs. 2
Satz 1, Abs. 1
BetrVG
gilt zwischen einem Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und
Auszubildendenvertretung oder eines der anderen dort genannten
Betriebsverfassungsorgane ist, und dem Arbeitgeber im Anschluss an das
Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als
begründet, wenn der Auszubildende in den letzten drei Monaten vor Beendigung des
Berufsausbildungsverhältnisses vom Arbeitgeber schriftlich die
Weiterbeschäftigung verlangt. Diese Übernahmeverpflichtung soll die
Ämterkontinuität der in § 78a
Abs. 1
BetrVG
genannten Arbeitnehmervertretungen gewährleisten und den Amtsträger vor
nachteiligen Folgen bei seiner Amtsführung während des
Berufsausbildungsverhältnisses schützen. Die Vorschrift stellt eine besondere
gesetzliche Ausformung des betriebsverfassungsrechtlichen
Benachteiligungsverbots von Amtsträgern in § 78
Satz 2 BetrVG
dar. Durch ein form- und fristgerechtes Übernahmeverlangen des Auszubildenden
entsteht zwischen dem Arbeitgeber und dem Mitglied der in § 78a
Abs. 1
BetrVG
genannten Arbeitnehmervertretungen nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis im Ausbildungsberuf (BAG 8.
September 2010 - 7
ABR 33/09
- Rn. 18, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 54 = EzA BetrVG
2001 § 78a
Nr. 6; 17. Februar 2010 - 7
ABR 89/08
- Rn. 16, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 53 = EzA BetrVG
2001 § 78a
Nr. 5).
RN 13






2. Danach ist zwischen der Arbeitgeberin und dem Beteiligten
zu 2. im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis
zustande gekommen. Die Voraussetzungen des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
sind bis auf das Schriftformerfordernis erfüllt. Der Beteiligte zu 2. gehört zu
dem von § 78a
Abs. 1
BetrVG
geschützten Personenkreis. Er verlangte mit den E-Mails vom 6. April 2009 und
23. Juni 2009 innerhalb der Dreimonatsfrist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG,
weiterbeschäftigt zu werden. Die E-Mails genügten dem Schriftformerfordernis des
§ 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
iVm. § 126
Abs. 1
BGB
zwar nicht. Die Arbeitgeberin beruft sich aber treuwidrig auf die nicht gewahrte
Schriftform (§ 242
BGB).
RN 14






a) Der Beteiligte zu 2. gehört zu dem von § 78a
Abs. 1
BetrVG
geschützten Personenkreis.
RN 15






aa) Nach § 78a
Abs. 3
BetrVG
gelten die vorangegangenen Absätze auch, wenn das Berufsausbildungsverhältnis
vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit der Jugend- und
Auszubildendenvertretung endet. Für die Wirksamkeit des Übernahmeverlangens nach
§ 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
ist es unschädlich, wenn der Auszubildende am Ende des
Berufsausbildungsverhältnisses nicht mehr Mitglied der Jugend- und
Auszubildendenvertretung ist. Es kommt nicht auf das Ende der Amtszeit der
Jugend- und Auszubildendenvertretung an, sondern darauf, wann das Amt des
betroffenen Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung endet (vgl. BAG
15. Januar 1980 - 6 AZR 726/79 - zu II 2 c der Gründe, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 8 = EzA BetrVG
1972 § 78a
Nr. 9). Dafür spricht vor allem der Schutzzweck des § 78a
BetrVG.
Mit ihm soll sichergestellt werden, dass Mitglieder der Jugend- und
Auszubildendenvertretung ihre Tätigkeit unabhängig von dem Druck möglicher
beruflicher Nachteile ausüben können (vgl. nur BAG 15. Januar 1980 - 6 AZR
726/79 - zu II 2 a aE der Gründe, aaO.). Dieser Druck kann nur dann teilweise
vermieden werden, wenn der Auszubildende auch nach seinem Ausscheiden aus der
Jugend- und Auszubildendenvertretung während eines bestimmten Zeitraums nicht
mit Nachteilen bei der sog. Übernahme rechnen muss (vgl. in diesem Sinn Fitting
25. Aufl. § 78a Rn. 10).
RN 16






bb) Der Beteiligte zu 2. gehörte bis November 2008 der Jugend-
und Auszubildendenvertretung als deren Vorsitzender an. Bei Beendigung des
Ausbildungsverhältnisses am 26. Juni 2009 war die Jahresfrist des § 78a
Abs. 3
BetrVG
demnach noch nicht verstrichen.
RN 17






b) Der Beteiligte zu 2. verlangte seine Weiterbeschäftigung
nicht form- und fristgerecht iSv. § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG.
Die unzutreffend mit dem Jahr 2008 datierten Schreiben, die in Wirklichkeit vom
17. Februar 2009 und 17. März 2009 stammen, gingen der Arbeitgeberin vor Beginn
der Dreimonatsfrist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
zu. Die Sechsmonatsfrist des § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
ist nicht entsprechend anzuwenden. Mit den E-Mails vom 6. April 2009 und 23.
Juni 2009, die der Arbeitgeberin innerhalb der Dreimonatsfrist zugingen, hielt
der Beteiligte zu 2. das Schriftformerfordernis des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
nicht ein. Die Vorschrift verlangt Schriftform iSv. § 126
Abs. 1
BGB
und lässt Textform iSv. § 126b
BGB
nicht genügen. Der Arbeitgeberin ist es jedoch nach Treu und Glauben verwehrt,
sich auf das mit den E-Mails vom 6. April 2009 und 23. Juni 2009 nicht gewahrte
Schriftformerfordernis zu berufe n .
RN 18






aa) Die Schreiben des Beteiligten zu 2. vom 17. Februar 2009
und 17. März 2009, die die Schriftform des § 126
Abs. 1
BGB
wahren, gingen der Arbeitgeberin außerhalb der Dreimonatsfrist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
zu. Die Sechsmonatsfrist des § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
findet keine analoge Anwendung.
RN 19






(1) Für die Berechnung der dreimonatigen Frist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
ist der Beendigungszeitpunkt des Berufsausbildungsverhältnisses
maßgeblich.
RN 20






(a) Nach § 21
Abs. 1
Satz 1 BBiG
endet das Berufsausbildungsverhältnis grundsätzlich mit Ablauf der
Ausbildungszeit. Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die
Abschlussprüfung, endet das Berufsausbildungsverhältnis nach § 21
Abs. 2
BBiG
schon mit Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss. Um den Beginn
der Dreimonatsfrist zu ermitteln, ist von dem Zeitpunkt an, in dem die
Abschlussprüfung bestanden wird, zurückzurechnen (vgl. BAG 31. Oktober 1985 - 6
AZR 557/84
- zu I 1 b der Gründe, BAGE 50, 79).
RN 21






(b) Danach endete das Berufsausbildungsverhältnis hier mit dem
26. Juni 2009. Die Dreimonatsfrist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
begann mit dem 26. März 2009. Die Schreiben des Beteiligten zu 2. vom 17.
Februar 2009 und 17. März 2009 gingen der Arbeitgeberin daher vor Beginn der
Dreimonatsfrist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
zu.
RN 22






(2) Die Sechsmonatsfrist des § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht analog anzuwenden.
Ein Weiterbeschäftigungsverlangen iSv. § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG,
das früher als drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses
gestellt wird, ist unwirksam.
RN 23






(a) Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Ergebnis ua. damit
begründet, nach § 5
Abs. 1
Satz 2 BBiG
aF sei eine Vereinbarung nichtig, nach der sich der Auszubildende für einen
längeren Zeitraum als drei Monate vor dem Ende des
Berufsausbildungsverhältnisses auf den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses mit
dem Arbeitgeber festlege. Auch der von § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
bezweckte Schutz des Auszubildenden verlange, dass sich der Auszubildende nicht
einseitig früher als drei Monate vor dem Ende des Berufsausbildungsverhältnisses
durch eine Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber binde. Werde die Frist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
nicht gewahrt, habe das die gleiche Wirkung, als werde die Frist des § 5
Abs. 1
Satz 2 BBiG
aF nicht eingehalten (vgl. BAG 15. Januar 1980 - 6 AZR 621/78 - zu II 4 der
Gründe, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 7 = EzA BetrVG
1972 § 78a
Nr. 8). Wahrt der Auszubildende die Dreimonatsfrist nicht, ist er gehalten, sein
Weiterbeschäftigungsverlangen fristgerecht zu bestätigen oder zu
wiederholen.
RN 24






(b) Demgegenüber vertritt ein Teil des Schrifttums die
Auffassung, dass ein Weiterbeschäftigungsverlangen des Auszubildenden jedenfalls
dann nicht unwirksam sei, wenn es innerhalb von sechs Monaten vor Beendigung des
Berufsausbildungsverhältnisses gestellt worden sei. Die Dreimonatsfrist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
beruhe auf demselben Schutzzweck wie die inzwischen durch § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
in eine Sechsmonatsfrist umgewandelte Dreimonatsfrist des § 5
Abs. 1
Satz 2 BBiG
aF. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Fristenregelung des §
78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
versehentlich nicht angepasst habe (vgl. nur Fitting § 78a Rn. 19;
HaKo-BetrVG/Lorenz 3. Aufl. § 78a Rn. 12).
RN 25






(c) Entgegen der von Teilen des Schrifttums geäußerten Ansicht
sind die Voraussetzungen einer Analogie zu der Sechsmonatsfrist des § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
nicht erfüllt. § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
ist nicht unbeabsichtigt lückenhaft. Auch die Interessenlage ist in den von § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
und § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
geregelten Fällen nicht in jeder Hinsicht identisch.
RN 26






(aa) Aus dem Wortlaut des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
geht die Dreimonatsfrist unzweifelhaft hervor. Die Begrenzung des
Übernahmeverlangens auf den Dreimonatszeitraum dient dem Schutz des
Auszubildenden. Er soll sich nicht vorzeitig darauf festlegen, nach Beendigung
des Berufsausbildungsverhältnisses ein Arbeitsverhältnis einzugehen (vgl. BAG
15. Januar 1980 - 6 AZR 621/78 - zu II 4 der Gründe, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 7 = EzA BetrVG
1972 § 78a
Nr. 8). Das stimmt mit den gesetzgeberischen Wertungen in § 5
Abs. 1
Satz 2 BBiG
aF und § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
überein. Daneben dient die Dreimonatsfrist aber auch der Rechtssicherheit und
der Planungssicherheit des Arbeitgebers (vgl. BT-Drucks. 7/1334 S. 3;
GK-BetrVG/Oetker 9. Aufl. § 78a Rn. 75).
RN 27






(bb) Die Sechsmonatsfrist des § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
ist nicht entsprechend anzuwenden. § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
ist nicht planwidrig lückenhaft. Die Interessenlage der von beiden Bestimmungen
geregelten Fälle ist auch nicht identisch. Die Dreimonatsfrist kann deswegen
nicht auf sechs Monate verlängert werden.
RN 28






(aaa) Dem steht die Änderung der in § 5
Abs. 1
Satz 2 BBiG
aF enthaltenen Dreimonatsfrist durch das Arbeitsrechtliche
Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476) nicht
entgegen. Nach § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
können sich Auszubildende innerhalb der letzten sechs Monate des
Berufsausbildungsverhältnisses dazu verpflichten, nach dessen Beendigung mit den
Ausbildenden ein Arbeitsverhältnis einzugehen. § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
enthält dennoch keine unbeabsichtigte Lücke. Der Gesetzgeber hat das BetrVG
mit dem Betriebsverfassungsgesetz-Reformgesetz
vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852) vielmehr umfassend reformiert, diese Novelle
aber nicht zum Anlass genommen, die Dreimonatsfrist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
an die Sechsmonatsfrist des § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
anzupassen.
RN 29






(bbb) Im Übrigen ist die Interessenlage der von § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
einerseits und der von § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
andererseits geregelten Fälle auch nicht in jeder Hinsicht dieselbe. Beide
Vorschriften dienen zwar dazu, den Auszubildenden vor einer zu frühen Bindung zu
bewahren. Daneben schützt die Frist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
aber anders als die des § 12
Abs. 1
Satz 2 BBiG
auch die Interessen des Arbeitgebers. Übernahmeverlangen von Auszubildenden, die
früher als drei Monate vor Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gestellt
werden, sind unbeachtlich und müssen bei der Personalplanung nicht
berücksichtigt werden.
RN 30






bb) Der Beteiligte zu 2. verlangte mit den E-Mails vom 6.
April 2009 und 23. Juni 2009 erneut, weiterbeschäftigt zu werden. Eine solche
Auslegung musste sich für die Arbeitgeberin nach den festgestellten Tatsachen
zumindest aus dem Zusammenhang mit den ausdrücklichen Übernahmeverlangen vom 17.
Februar 2009 und 17. März 2009 ergeben. Die E-Mails vom 6. April 2009 und 23.
Juni 2009 wahren die Schriftform der § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG,
§ 126
Abs. 1
BGB
nicht. Die in ihnen enthaltenen Weiterbeschäftigungsverlangen sind deshalb nach
§ 125
Satz 1 BGB
nichtig. Der Arbeitgeberin ist es aber nach Treu und Glauben (§ 242
BGB)
verwehrt, sich auf den Formmangel zu berufen.
RN 31






(1) § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
ordnet an, dass das Weiterbeschäftigungsverlangen des Auszubildenden schriftlich
zu erfolgen hat. Die Bestimmung verlangt Schriftform iSv. § 126
Abs. 1
BGB
und lässt Textform iSv. § 126b
BGB
nicht genügen. Das ergibt die Auslegung des Schriftformerfordernisses in § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
nach dem rechtlichen Charakter des Weiterbeschäftigungsverlangens und der
gebotenen funktionalen Betrachtung. Der Auszubildende macht ein Gestaltungsrecht
geltend, wenn er verlangt, weiterbeschäftigt zu werden. Warn- und Beweisfunktion
verlangen strenge Schriftform (im Ergebnis ebenso zB Fitting § 78a
Rn. 21; APS/Künzl 3. Aufl. § 78a
BetrVG
Rn. 55; WPK/Preis 4. Aufl. § 78a
Rn. 9a; GK-BetrVG/Oetker § 78a
Rn. 63; KR/Weigand 9. Aufl. § 78a
BetrVG
Rn. 28).
RN 32






(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das
Formerfordernis des § 126
BGB
trotz des offenen Wortlauts der Vorschrift auf Rechtsgeschäfte beschränkt. Auf
rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen ist die Bestimmung nicht unmittelbar
anzuwenden. Daran hat die Ergänzung des § 126
BGB
um § 126a
und § 126b
BGB
durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer
Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I
S. 1542) nichts geändert. Auch §§ 126a, 126b BGB
sind wegen des fortbestehenden Sachzusammenhangs mit den Bestimmungen über
Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte unmittelbar nur auf Willenserklärungen
anwendbar. Für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen gelten sie allenfalls
entsprechend (vgl. BAG 10. März 2009 - 1
ABR 93/07
- Rn. 32, BAGE 130, 1;
9. Dezember 2008 - 1
ABR 79/07
- Rn. 28, BAGE 128, 364).
RN 33






(b) Verlangt der Auszubildende, nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
weiterbeschäftigt zu werden, übt er ein Gestaltungsrecht aus, dem eine
Willenserklärung und nicht lediglich eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung
zugrunde liegt.
RN 34






(aa) Willenserklärungen sind auf die Vornahme eines
Rechtsgeschäfts gerichtet und dessen notwendiger Bestandteil. Ihr Zweck ist es,
eine gerade und ausschließlich durch den Willen des Erklärenden hervorgerufene
Rechtswirkung zu erzeugen. Sie führen eine Rechtsfolge herbei, weil sie gewollt
ist und wie sie gewollt ist. Sie haben demnach die Begründung, inhaltliche
Änderung oder Beendigung von Rechtsverhältnissen zum Ziel. Demgegenüber sind
rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete
Erklärungen, deren Rechtsfolgen nicht eintreten, weil sie final als solche
gewollt sind, sondern weil das Gesetz das unabhängig vom Willen des Erklärenden
anordnet. Der Eintritt der Rechtsfolge ist bei ihnen lediglich das äußere
Ergebnis der Erklärungen und setzt keinen darauf gerichteten finalen Willen
voraus (vgl. BAG 9. Dezember 2008 - 1
ABR 79/07
- Rn. 31 mwN, BAGE 128, 364).
RN 35






(bb) Das Weiterbeschäftigungsverlangen nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
ist - anders als etwa die Zustimmungsverweigerung nach § 99
Abs. 3
Satz 1 BetrVG
- keine bloße rechtsgeschäftsähnliche Handlung, sondern eine Willenserklärung.
Die Rechtswirkung der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses tritt aufgrund des im
Weiterbeschäftigungsverlangen zum Ausdruck gebrachten Willens des Auszubildenden
ein. Durch ein form- und fristgerechtes Übernahmeverlangen entsteht zwischen dem
Arbeitgeber und dem Mitglied der in § 78a
Abs. 1
BetrVG
genannten Arbeitnehmervertretungen nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis im Ausbildungsberuf (BAG 8.
September 2010 - 7
ABR 33/09
- Rn. 18, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 54 = EzA BetrVG
2001 § 78a
Nr. 6; 17. Februar 2010 - 7
ABR 89/08
- Rn. 16, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 53 = EzA BetrVG
2001 § 78a
Nr. 5).
RN 36






(c) Die einschneidende Rechtsfolge der Fiktion eines
Arbeitsverhältnisses, die über einen Kontrahierungszwang hinausgeht und die
Privatautonomie erheblich beschränkt, erfordert die strenge Schriftform eines
Weiterbeschäftigungsverlangens iSv. § 126
Abs. 1
BGB.
Dafür spricht vor allem die Warnfunktion des Schriftformerfordernisses in § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG.
Aufgrund der Warnfunktion soll der Erklärende vor unüberlegten oder übereilten
Bindungen geschützt werden. Das gilt im Fall eines Übernahmeverlangens für beide
Seiten. Auszubildender und Ausbildender sollen durch das Schriftformerfordernis
vor dem unüberlegten oder übereilten Eintritt der schwerwiegenden Rechtsfolge
der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses geschützt werden. Die Schriftform des
Weiterbeschäftigungsverlangens dient ferner dazu klarzustellen und zu beweisen,
dass die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses im Anschluss an das
Berufsausbildungsverhältnis eintreten wird. Es kommt für den Arbeitgeber darauf
an zu wissen, von wem die Erklärung stammt, um seinen künftigen Vertragspartner
zu erkennen (vgl. Raab FS Konzen S. 719, 744).
RN 37






(2) Die Arbeitgeberin verhält sich aufgrund der Besonderheiten
des konkreten Falls jedoch treuwidrig, indem sie sich darauf beruft, das
Schriftformerfordernis des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
sei nicht gewahrt (§ 242
BGB).
Die entsprechenden Tatsachen stehen fest.
RN 38






(a) Der Jugendvertreter muss sein
Weiterbeschäftigungsverlangen grundsätzlich form- und fristgerecht nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
geltend machen. Ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers kann nur bejaht
werden, wenn besondere, außergewöhnliche Umstände hinzutreten. Das ist der Fall,
wenn das Verhalten des Arbeitgebers darauf abzielt, den Auszubildenden von der
form- und fristgerechten Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsverlangens
abzuhalten, obwohl die entstehenden Nachteile für den Arbeitgeber vorhersehbar
waren und es ihm möglich und zumutbar gewesen wäre, sie abzuwenden (vgl. zu § 9
BPersVG
BVerwG 31. Mai 2005 - 6
PB 1.05
- zu 3 b der Gründe mwN, EzBAT MTV
§ 22
Auszubildende Betriebs- und Personalratsmitglieder [Jugendvertreter] Nr. 16; 9.
Oktober 1996 - 6
P 20.94
- zu II 3 b der Gründe, BVerwGE 102, 100).
RN 39






(b) Nach diesen Maßstäben ist es der Arbeitgeberin hier nach
Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Formverstoß zu berufen. Besonderheit des
Einzelfalls ist, dass der Beteiligte zu 2. in einer Kombination aus frist- und
formwidrigen Erklärungen insgesamt viermal verlangte, weiterbeschäftigt zu
werden. Die Schreiben vom 17. Februar 2009 und 17. März 2009 wahrten die
Schriftform, gingen der Arbeitgeberin aber nicht in der Dreimonatsfrist des § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
zu. Die innerhalb der Dreimonatsfrist zugegangenen E-Mails vom 6. April 2009 und
23. Juni 2009 waren dagegen formwidrig. Eine weitere Besonderheit ist, dass das
Schreiben vom 17. März 2009 unter gewöhnlichen Umständen - einem Prüfungstermin
bis Mitte Juni 2009 - die Dreimonatsfrist gewahrt hätte und die Arbeitgeberin
den Fristverstoß abweichend von ihrem Vorgehen nach Zugang des Schreibens vom
17. Februar 2009 nicht rügte. Wegen dieser Einzelfallumstände waren die
entstehenden Nachteile zunächst des Fristverstoßes und später der Formverletzung
für die Arbeitgeberin vorhersehbar. Sie hätte sie aufgrund der konkreten
Besonderheiten der mehrfachen Weiterbeschäftigungsverlangen, des einmaligen
Hinweises auf den Fristverstoß und des ursprünglich früher geplanten
Prüfungstermins in zumutbarer Weise durch einen weiteren Hinweis abwenden
können. Auf die Frage einer allgemeinen Hinweispflicht bei Form- oder
Fristverstößen von Weiterbeschäftigungsverlangen kommt es demgegenüber nicht
an.
RN 40






II. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2. ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf den
Auflösungsantrag und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache zur neuen
Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht. Mit der vom
Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann dem Auflösungsantrag nicht
stattgegeben werden. Aufgrund der getroffenen Feststellungen lässt sich nicht
abschließend beurteilen, ob nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses
tatsächlich kein freier Arbeitsplatz bestand.
RN 41






1. Der Arbeitgeber kann nach § 78a
Abs. 4
Satz 1 Nr. 2
BetrVG
die Auflösung des mit dem Jugendvertreter begründeten Arbeitsverhältnisses
herbeiführen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm die
Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zugemutet werden
kann. Dabei stimmt der Begriff der Zumutbarkeit in § 78a
Abs. 4
Satz 1 BetrVG
mit dem in § 626
Abs. 1
BGB
nicht überein (vgl. BAG 8. September 2010 - 7
ABR 33/09
- Rn. 21, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 54 = EzA BetrVG
2001 § 78a
Nr. 6; 17. Februar 2010 - 7
ABR 89/08
- Rn. 17, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 53 = EzA BetrVG
2001 § 78a
Nr. 5).
RN 42






2. Neben personen- und verhaltensbedingten Gründen können auch
betriebliche Gründe die Auflösung des kraft Gesetzes entstandenen
Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Die Fortsetzung des nach § 78a
Abs. 2
Satz 1 BetrVG
begründeten Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen
unzumutbar, wenn in seinem Betrieb kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf
dem der Auszubildende mit seiner durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation
dauerhaft beschäftigt werden kann. Maßgeblich sind die Verhältnisse im
Ausbildungsbetrieb (BAG 17. Februar 2010 - 7
ABR 89/08
- Rn. 19, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 53 = EzA BetrVG
2001 § 78a
Nr. 5).
RN 43






3. Ob ein Beschäftigungsbedarf für den durch § 78a
BetrVG
geschützten Auszubildenden zur Verfügung steht, bestimmt sich nach den
arbeitstechnischen Vorgaben und der Personalplanung des Arbeitgebers, der
darüber entscheidet, welche Arbeiten im Betrieb verrichtet werden sollen und wie
viele Arbeitnehmer damit beschäftigt werden. Ohne Bedeutung ist deshalb, ob
Arbeitsaufgaben vorhanden sind, mit deren Verrichtung ein Arbeitnehmer betraut
werden könnte. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, durch organisatorische
Maßnahmen Arbeitsplätze neu zu schaffen, um die Weiterbeschäftigung zu
gewährleisten. Von Missbrauchsfällen abgesehen ist der Arbeitgeber grundsätzlich
auch nicht gehindert, durch eine Veränderung der Arbeitsorganisation
Arbeitsplätze wegfallen zu lassen (BAG 8. September 2010 - 7
ABR 33/09
- Rn. 24, AP BetrVG
1972 § 78a
Nr. 54 = EzA BetrVG
2001 § 78a
Nr. 6). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung der
Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung iSv. § 78a
Abs. 4
BetrVG
auf den Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses abzustellen
(BAG 8. September 2010 - 7
ABR 33/09
- Rn. 26 mwN, aaO.).
RN 44






4. Nach diesen Grundsätzen durfte die Arbeitgeberin die Stelle
im Bereich "Personalreserve" mit Frau D und die
Position des Serviceberaters in Ü mit Herrn B besetzen. Dagegen steht nicht
abschließend fest, dass es der Arbeitgeberin angesichts des von ihr angeführten
sog. Ringtauschs tatsächlich nicht möglich war, den Beteiligten zu 2.
weiterzubeschäftigen.
RN 45






a) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass
die Arbeitgeberin Frau D im Bereich
"Personalreserve" vorrangig vor dem Kläger weiterbeschäftigen durfte. Die
Arbeitgeberin verstieß nicht gegen den Rechtsgedanken des § 162
Abs. 1
BGB,
indem sie mit Frau D die amtierende Vorsitzende
der Jugend- und Auszubildendenvertretung vorrangig berücksichtigte. Der
Beteiligte zu 2. unterlag nur dem nachwirkenden Schutz des § 78a
Abs. 3
BetrVG.
RN 46






b) Das Landesarbeitsgericht hat ferner in
rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt, dass die
Arbeitgeberin den Arbeitsplatz als Serviceberater in der Filiale Ü mit Herrn B
besetzen durfte. Es handelte sich nach den bindenden Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts nicht um einen freien Arbeitsplatz, weil die Stelle mit
Herrn B aus der Filiale F besetzt werden sollte. Ein zusätzlicher Arbeitsplatz,
der mit einem Auszubildenden hätte besetzt werden können, war nach dem
schlüssigen Vortrag der Arbeitgeberin nicht vorhanden. Es wäre Sache der übrigen
Beteiligten gewesen, sich hierzu zu äußern und deutlich zu machen, welche Punkte
des Sachvortrags der Arbeitgeberin bestritten werden sollten. Die anderen
Beteiligten sind dem Vortrag der Arbeitgeberin in zweiter Instanz aber nicht
entgegengetreten.
RN 47






c) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen hat das
Landesarbeitsgericht jedoch zu Unrecht angenommen, der Kläger habe auch im
Zusammenhang mit dem sog. Ringtausch zugunsten des Betriebsratsmitglieds H nicht
weiterbeschäftigt werden können. Welche Arbeitnehmer auf welche Stellen versetzt
werden mussten, damit das Betriebsratsmitglied H weiterbeschäftigt werden
konnte, steht nach den getroffenen Feststellungen nicht fest. Das
Landesarbeitsgericht wird die einzelnen Positionen und die betroffenen
Arbeitnehmer aufzuklären haben, um die Schlüssigkeit des Vorbringens der
Arbeitgeberin würdigen zu können, zumal es im Betrieb im Sommer 2009 zu mehreren
internen Stellenausschreibungen kam.
RN 48
 

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