LAG Baden-Württemberg: Urlaubsgewährung nur eingeschränkt in Bruchteilen zulässig
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3.3.2019 – 4 Sa 73/18
Volltext:BB-ONLINE BBL2019-1780-2
Leitsätze
1. Der Urlaub ist gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG zusammenhängend zu gewähren. Jedenfalls ein Urlaubswunsch, der auf eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in Kleinstraten gerichtet ist, muss nicht erfüllt werden. Eine solche Urlaubsgewährung wäre nicht geeignet, die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen.
2. Das BUrlG kennt keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen.
3. Von obigen Grundsätzen kann für die Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigen, durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden.
Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen bestimmten Umfang an Urlaubstagen halbtägig zu gewähren.
Der am ... 1961 geborene Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt als Zerspanungsmechaniker zu einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von zuletzt 3.800,00 Euro. Das Arbeitsverhältnis wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten begründet. Es begann am 1. August 1977. Es ging aufgrund eines Betriebsübergangs mit Wirkung zum 1. Dezember 2015 auf die Beklagte über. Der Kläger hat einen vertraglichen Urlaubsanspruch von 31 Tagen pro Jahr. Bei der Beklagten wird im Dreischichtbetrieb gearbeitet. Der Kläger arbeitet in Vollzeit ausschließlich in der Frühschicht montags bis freitags von 06.00 Uhr bis 14.00 Uhr.
Der Kläger oder zumindest dessen Familie betreiben ein Weingut, in welchem der Kläger mithilft.
Dem Kläger wurden in 2015 antragsgemäß an insgesamt 18 Tagen und in 2016 an insgesamt 13 Tagen halbe Urlaubstage gewährt.
Die Beklagte gab dem Kläger im August 2017 kund, ihm künftig jedenfalls nicht mehr als sechs halbe Tage Urlaub pro Jahr gewähren zu wollen.
Der Kläger machte geltend, dass ihm ein Anspruch zustehe, dass zehn, hilfsweise acht Urlaubstage pro Jahr auch halbtageweise (somit 20 halbe Tage bzw. 16 halbe Tage) genommen werden dürfen.
Er trug vor, je nach den Wetterbedingungen, den Bedingungen auf dem Weinberg und dem Rebenwachstum bedürfe es kurzfristiger Arbeitseinsätze des Klägers auf dem Weinberg. Er behauptete, die Rechtsvorgängerin habe hierauf seit Beginn des Arbeitsverhältnisses immer Rücksicht genommen. Er habe in der Vergangenheit immer bis zu einem Tag vorher seinem Meister mitgeteilt, dass er einen halben Tag Urlaub benötige, welcher stets genehmigt worden sei. Er habe dann nur von 06.00 Uhr bis 10.00 Uhr gearbeitet und sei dann in den Weinberg gegangen. Die Anzahl der gewährten halben Urlaubstage sei in den Jahren unterschiedlich gewesen, hätte aber im Durchschnitt zehn bzw. acht Urlaubstage (20 bzw. 16 halbe Urlaubstage) betragen. Der Kläger behauptete, dies sei mit dem vormaligen Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin von Anfang an vereinbart gewesen und habe auch einer betrieblichen Übung entsprochen.
Der Kläger beantragte:
1.
a) Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den Urlaub in einem Umfang von zehn, hilfsweise acht ganzen Tagen
- in halben Tagen
- mit einer Ankündigungsfrist von jeweils einem Tag,
weiterhin zu gewähren.
b) Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den Urlaub in einem Umfang von zehn hilfsweise acht ganzen Tagen
- in halben Tagen
- mit einer Ankündigungsfrist von jeweils einem Tag
weiterhin zu gewähren, es sei denn, dringende betriebliche Bedürfnisse stehen der Urlaubsgewährung entgegen.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestritt zumindest die Anzahl der in der Vergangenheit gewährten halben Urlaubstage sowie die behauptete Genehmigungspraxis mit nur kurzer Ankündigungsfrist.
Sie verwies im Übrigen darauf, dass das Gesetz keine halbtägigen Urlaubsgewährungen vorsehe. Solche halbtägigen Urlaubsgewährungen seien ihr wegen der damit verbundenen Zusatzkosten und Dispositionsproblemen auch nicht zumutbar. Sie meinte, der Kläger könne für seine Arbeiten im Weinberg auch ganze Urlaubstage nehmen oder seine Tätigkeiten erst nach Schichtende ab 14.00 Uhr beginnen.
Das Arbeitsgericht wies die Klage mit Urteil vom 31. Oktober 2018 ab. Das Arbeitsgericht führte zur Begründung im Wesentlichen aus, es fehle bereits an einem substantiierten Vortrag zur behaupteten Vereinbarung mit dem vormaligen Geschäftsführer. Selbst wenn aber der Vortrag des Klägers richtig sein sollte, dass ihm in der Vergangenheit stets vorbehaltlos halbe Urlaubstage gewährt worden wären, könne hieraus noch nicht auf einen Verpflichtungswillen rückgeschlossen werden, dass der Urlaub auch künftig vorbehaltlos als Selbstbeurlaubung ohne Berücksichtigung etwaiger entgegenstehender betrieblicher Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen, gewährt werden sollte.
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 14. November 2018 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung, die am 30. November 2018 beim Landesarbeitsgericht einging und begründet wurde.
Der Kläger rügt eine Verletzung materiellen Rechts und eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung.
Er beanstandet, das Arbeitsgericht hätte den vormaligen Geschäftsführer als Zeugen vernehmen müssen. Zwar könne der konkrete Zeitpunkt der Vereinbarung angesichts seiner mehr als 40jährigen Betriebszugehörigkeit nicht mehr benannt werden. Wohl aber könnte durch die Vernehmung des Zeugen festgestellt werden, dass eine solche Vereinbarung jahrzehntelang bestanden habe. Das Arbeitsgericht habe insoweit zudem nicht ausreichend berücksichtigt, dass sogar unstreitig in 2015 und 2016 halbe Urlaubstage gewährt worden seien.
Er verweist darauf, dass ein Selbstbeurlaubungsanspruch wie vorgetragen im Rahmen der Vertragsfreiheit durchaus zulässig regelbar sei. Ein Verpflichtungswille könne deshalb ohne Beweisaufnahme nicht ohne Weiteres verneint werden. Eine jahrelange Übung überlagere die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 31.10.2018 Aktenzeichen 4 Ca 192/18, wird abgeändert und es wird wie folgt erkannt:
a) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auf dessen Wunsch den Jahresurlaub in einem Umfang von bis zu zehn, hilfsweise acht ganzen Tagen in halben Tagen mit einer Ankündigungsfrist von jeweils einem Tag weiterhin zu gewähren.
b) Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1 a): Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auf dessen Wunsch den Jahresurlaub in einem Umfang von bis zu zehn, hilfsweise acht ganzen Tagen in halben Tagen mit einer Ankündigungsfrist von jeweils einem Tag weiterhin zu gewähren, es sei denn, dringende betriebliche Bedürfnisse stehen der Urlaubsgewährung entgegen.
Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bereits erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Aus den Gründen
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I.
Die Klage gemäß dem zuletzt gestellten Klageantrag zu 1 a) ist zulässig.
1. Der Kläger hat die Klage auf Hinweis der Kammer von einer Leistungsklage auf eine Feststellungsklage umgestellt. Dem Kläger steht für die Feststellungsklage ein Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zur Seite. Der Feststellungsklage steht vorliegend insbesondere kein Vorrang der Leistungsklage entgegen.
a) Eine Feststellungsklage ist dann zulässig, wenn auf diesem Weg eine sachgemäße einfache Erledigung der Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 -).
b) Eine Leistungsklage wäre vorliegend nicht sachdienlich und würde insbesondere nicht dem klägerischen Interesse entsprechen.
aa) Zwar kann auch ein auf einen nicht festgelegten Zeitraum begehrter Urlaub mit einer Leistungsklage geltend gemacht werden (BAG 18. März 2014 - 9 AZR 877/13 -). Umstritten ist, ob ein solches Urteil über § 888 ZPO zu vollstrecken wäre (BAG 27. April 2017 - 6 AZR 119/16 -) oder über § 894 ZPO (BAG 27. Juni 2017 - 9 AZR 120/16 -). Unabhängig davon, wie die Vollstreckung erfolgen müsste, überließe jedoch der Arbeitnehmer bei einer solchen Leistungsklage ohne Bestimmung der konkret begehrten Urlaubstage die zeitliche Festlegung der Urlaubsgewährung dem Arbeitgeber. Dem Arbeitnehmer stünde in diesem Falle ein Erstbestimmungsrecht über die zeitliche Lage des Urlaubs nicht mehr zu (BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 -).
bb) Vorliegend ist die Anzahl der Urlaubstage zwischen den Parteien aber außer Streit. Die Beklagte verweigert dem Kläger auch nicht grundsätzlich die Gewährung des diesem zustehenden Jahresurlaubs. Die Parteien streiten vielmehr gerade darüber, ob der Kläger im zeitlichen Erstbestimmungsrecht halbe Urlaubstage fordern kann. Dem Kläger dieses Erstbestimmungsrechts über einen Vorrang der Leistungsklage zu entziehen, wäre diesem nicht zuzumuten und wäre auch nicht sachdienlich.
2. Die Umstellung von der Leistungsklage auf die Feststellungsklage in der zweiten Instanz war möglich, weil die Umstellung gem. § 264 Nr. 2 ZPO jedenfalls nicht als Klageänderung gilt.
3. Der Klageantrag ist inzwischen auch hinreichend bestimmt.
Der Kläger hat klargestellt, dass die halben Tage ihm nur als Option zustehen sollen, falls er in einem Umfang von bis zu zehn (hilfsweise acht) Tagen einen entsprechenden Wunsch im Sinne des Erstbestimmungsrechts gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG geltend macht. Es geht nicht darum, dass ihm genau zehn (acht) Tage halbtageweise (gegebenenfalls über einseitige Anordnung der Beklagten) gewährt werden sollen; die zehn (acht) Tage sollen die Höchstgrenze darstellen.
Die im Antrag formulierte „Ankündigungsfrist“ von einem Tag ist ebenfalls hinreichend bestimmt. Es ist im Zweifel § 188 Abs. 1 BGB anzuwenden.
II.
Die Klage gemäß Antrag zu 1 a) ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Urlaubsfestlegungen nach seinen Wünschen im Form von halben Urlaubstagen. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 7 Abs. 1 BUrlG noch aus Vertrag.
1. Schon aus § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ergibt sich kein Anspruch auf die gewünschten Urlaubsfestlegungen.
a) Gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz BUrlG hat der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs grundsätzlich die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber ist zur gewünschten Urlaubsgewährung verpflichtet, wenn ihm kein Leistungsverweigerungsrecht zusteht (BAG 18. Dezember 1986 - 8 AZR 502/84 -).
Ein solches Leistungsverweigerungsrecht steht dem Arbeitgeber gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BUrlG zu, wenn der gewünschten Urlaubsgewährung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen.
b) Vorliegend begehrt der Kläger jedoch eine Feststellung, dass die Beklagte zur Urlaubsgewährung verpflichtet sei, ohne dass sich die Beklagte auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen dürfe. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Vergleich zwischen dem Hauptantrag zu 1 a) und dem Hilfsantrag zu 1 b). Nur letzterer wird eingeschränkt durch das Nichtvorliegen entgegenstehender betrieblicher Belange. Daraus ist im Umkehrschluss zu folgern, dass nach dem Hauptantrag zu 1 a) selbst entgegenstehende betriebliche Belange unbeachtlich sein sollen. Einen solchen weitgehenden einschränkungslosen Anspruch gewährt das Gesetz jedoch nicht.
2. Das klägerische Begehren missachtet auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BUrlG.
a) Der Urlaub ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nur dann entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, wenn der Urlaubswunsch des Arbeitnehmers die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BUrlG erfüllt. Gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG ist der Urlaub jedoch zusammenhängend zu gewähren. Eine Ausnahme hiervon greift nur, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung erforderlich machen.
Umstritten ist schon, ob allein der bloße Wunsch des Arbeitnehmers, einen geteilten Urlaub zu erhalten, bereits ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund für eine solche Teilung darstellen kann, jedenfalls solange eine zusammenhängende Gewährung von mindestens zwei Wochen gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG nicht verhindert wird (bejahend: LAG Niedersachsen 23. April 2009 - 7 Sa 1655/08 -; Arnold in Arnold/Tillmanns BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 74; ablehnend: ErfK/Gallner 19. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 25; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn BUrlG 11. Aufl. Rn. 60). Jedenfalls ausgehend von der gesetzgeberischen Grundwertung, dass der Urlaub Erholungszwecken zu dienen hat (BAG 29. Juli 1965 - 5 AZR 380/64 -), kann selbst auf Wunsch des Arbeitnehmers eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in viele kleine Einheiten nicht gefordert werden (Arnold in Arnold/Tillmanns BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 74; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn BUrlG 11. Aufl. § 7 Rn. 62). Eine solche Urlaubsgewährung in Kleinstraten wäre vielmehr keine ordnungsgemäße Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers. Ein derart gewährter Urlaub könnte nochmals gefordert werden (BAG 29. Juli 1965 - 5 AZR 380/64 -; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn BUrlG 11. Aufl. § 7 Rn. 62; ErfK/Gallner 19. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 26). Eine Urlaubsgewährung von nur Bruchteilen eines Urlaubstages ist ohnehin gänzlich ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um einen Bruchteil von unter 0,5, der sich aus der Teilurlaubsberechnung nach § 5 Abs. 2 BUrlG ergibt (BAG 19. Juni 2018 - 9 AZR 615/17 -; BAG 29. Juli 1965 - 5 AZR 380/64 -; ErfK/Gallner 19. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 26).
Von diesen Grundsätzen kann gem. § 13 Abs. 1 BUrlG auch arbeitsvertraglich nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist festzustellen, dass der Kläger gerade eine „Atomisierung“ seines Urlaubsanspruchs in viele Bruchteile von Urlaubstagen begehrt. Dies ist nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 BUrlG unzulässig.
3. Grundsätzlich wäre es denkbar, dass der Arbeitgeber auf sein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BUrlG verzichtet. Dies wäre für den Arbeitnehmer günstiger. Ebenfalls wäre es denkbar, für den den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden Urlaub eine von § 7 Abs. 2 BUrlG abweichende Regelung zu treffen. Einer solchen abweichenden Regelung stünde § 13 Abs. 1 BUrlG nicht entgegen. Eine solche vertragliche Regelung mit dem Inhalt eines Selbstbeurlaubungsrechts des Klägers, unabhängig von möglicherweise entgegenstehenden betrieblichen Gründen oder entgegenstehenden Urlaubswünschen sozial vorrangiger Arbeitnehmer, ist nicht festzustellen. Genauso wenig ist eine Vereinbarung festzustellen, dass Urlaubsgewährungen in Form von Bruchteilen einzelner Urlaubstagen erfolgen dürften.
a) Der Kläger behauptete insoweit, er hätte zu Beginn des Arbeitsverhältnisses mit dem vormaligen Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Es kann dahinstehen, ob dieser Vortrag als hinreichend konkret und substantiiert erachtet werden kann. Denn der Kläger hat hierfür kein taugliches Beweismittel benannt. Denn der vom Kläger benannte Zeuge Herr D. ist 1966 geboren und war zu Beginn des Arbeitsverhältnisses des Klägers im Jahr 1977 offensichtlich noch nicht Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Der Kläger musste demnach auch einräumen, dass die behauptete Vereinbarung nicht mit dem benannten Zeugen getroffen worden sein soll, sondern mit dessen Vater.
Hinzu kommt, dass der Kläger selbst einräumen musste, dass jedenfalls in der Praxis, auch in der Zeit der Geschäftsführerschaft des benannten Zeugen, die halbtageweisen Urlaubsgewährungen nicht ohne Prüfung entgegenstehender Gründe erfolgt seien. Selbst in der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Berufungskammer räumte der Kläger ein, dass Urlaubsanträge gegenüber dem Meister gestellt worden seien mit der Frage, ob dies betrieblich in Ordnung gehe. Selbst wenn also der Zeuge in seiner Geschäftsführerschaft eine bereits von seinem Vater geschlossene Vereinbarung fortgeführt haben sollte, ließe sich aus der tatsächlichen Handhabung der Fortführung nicht auf eine Vereinbarung mit dem vom Kläger behaupteten Inhalt rückschließen.
b) Auch aus einer „betrieblichen Übung“ lässt sich der begehrte Anspruch nicht ableiten.
aa) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für das Entstehen eines Anspruchs ist, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen mussten und ob sie auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften. Ob dieser tatsächlich mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat, ist unerheblich. Für den Anspruch aus betrieblicher Übung ist unerheblich, ob der betreffende Arbeitnehmer selbst bisher schon in die Übung einbezogen worden ist. Sie richtet sich an alle Beschäftigten eines Betriebs oder zumindest kollektiv abgrenzbare Gruppen. Das Vertragsangebot des Arbeitgebers ist regelmäßig so zu verstehen, dass er - vorbehaltlich besonderer Abreden - alle Arbeitnehmer zu den im Betrieb üblichen Bedingungen beschäftigen will (BAG 19. September 2018 - 5 AZR 439/17 -).
bb) Vorliegend fehlt es bereits an einem kollektiven Bezug der vom Kläger behaupteten Urlaubsgewährungspraxis. Selbst nach eigener Behauptung des Kläger handelte es sich bei den Urlaubsgewährungen für die Arbeiten im Weinberg um eine Sonderregelung, die nur mit ihm gehandhabt worden sei.
c) Letztlich kann auch nicht festgestellt werden, dass sich eine vom Kläger behauptete Urlaubsgewährungspraxis so konkretisiert hätte, dass sie wegen dieser Konkretisierung zum Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden wäre.
aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitsbedingungen sich, ohne dass darüber ausdrücklich Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren und somit den Vertragsinhalt einschränken oder abändern. Neben einem Zeitmoment bedarf es hierfür jedoch zwingend auch eines Umstandsmoments. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass diese geübte Praxis nicht mehr geändert wird, sondern zum Vertragsbestandteil erhoben werden soll (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 -; BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 -).
bb) Der Kläger räumte selbst ein, auch in der Vergangenheit regelmäßig seinen Meister um Genehmigung der kurzfristigen halbtägigen Urlaube ersucht zu haben und dabei auch gefragt zu haben, ob es betrieblich passe. Es gab somit schon nicht einmal eine zeitlich durchgehende Urlaubsgewährungspraxis ohne Berücksichtigung betrieblicher Belange.
Auch die Anzahl der beantragten (höchstens) zu gewährenden halben Urlaubstage ist letztlich willkürlich gegriffen und lässt sich nicht mit der dargestellten Vertragspraxis in Deckung bringen. Der Kläger räumte selbst ein, dass je nach Wetterlage und der Situation im Weinberg jeweils unterschiedliche Freistellungen für halbe Tage erfolgt seien.
Aber selbst wenn man unterstellen wollte, dass dem Kläger in der Vergangenheit regelmäßig halbe Urlaubstage unter Verstoß gegen das Zusammenhangsgebot gewährt worden sein sollten, lässt sich hieraus noch kein Erklärungsbewusstsein der Beklagtenseite ableiten, dass dies (zumal ohne Prüfung) zum Vertragsbestandteil hätte erhoben werden sollen. Denn der Kläger hatte auch für die halben Tage Urlaubsanträge gestellt. Diese wurden geprüft und erst nach Prüfung bewilligt. Selbst wenn die Prüfungen des Arbeitgebers in der Vergangenheit zumeist in eine Bewilligung eingemündet haben sollten, wäre hieraus kein Vertrauensschutz ableitbar, dass eine Prüfung des Urlaubsantrags nicht auch einmal negativ ausfallen kann.
III.
Der Hilfsantrag zu 1 b) ist wegen Unterliegens des Klägers mit dem Hauptantrag zu 1 a) angefallen. Die innerprozessuale Bedingung für einen Entscheidungsanfall ist eingetreten.
Diese Klage ist gleichermaßen zulässig wie der Hauptantrag zu 1 a).
IV.
Auch wenn der Antrag zu 1 b) im Vergleich zum Antrag zu 1 a) dahingehend eingeschränkt wurde, dass der Kläger sich bei dieser Antragstellung etwaige der Urlaubsgewährung entgegenstehende dringende betriebliche Gründe anrechnen lassen möchte, ist dieser Antrag gleichermaßen unbegründet wie der Antrag zu 1 a). Es gibt keine vertragliche Grundlage, dass sich der Kläger nicht auch entgegenstehende Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die aus sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen, entgegenhalten lassen müsste. Außerdem ist keine vertragliche Grundlage für halbtägige Urlaubsgewährungen ersichtlich. Auf obige Ausführungen wird verwiesen.
V. Nebenentscheidungen
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Gründe für die Zulassung einer Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.