ArbG Köln: Unterlassung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern während eines laufenden Arbeitskampfes
ArbG Köln, Urteil vom 13.12.2024 – 19 Ga 86/24
ECLI:DE:ARBGK:2024:1213.19GA86.24.00
Volltext der Entscheidung: BB-Online BBL2025-1144-1
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Leitsatz der Redaktion
Einer Gewerkschaft kann auf Grundlage von § 11 Abs. 5 AÜG grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern gegen den Entleiher während eines Arbeitskampfes zustehen.
AÜG § 11 Abs. 5
Sachverhalt
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die Zulässigkeit der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern während einer Tarifauseinandersetzung und zuletzt noch für die Zeit eines Arbeitskampfes vom 09.12.2024 bis 13.12.2024.
Bei der Verfügungsklägerin handelt es sich um die Gewerkschaft v
Die Verfügungsbeklagte ist ein Unternehmen, das im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Beleihung als registerführende Stelle das elektronische Unternehmensregister und das elektronische Transparenzregister der Bundesrepublik Deutschland führt und u.a. den elektronischen Bundesanzeiger als Verkündungs- und Bekanntmachungsorgan betreibt. Die Verfügungsbeklagte ist nicht tarifgebunden.
Bei der Verfügungsbeklagten werden zuletzt ca. 670 bis 690 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unmittelbar beschäftigt. Zusätzlich werden in der Regel zwischen 139 bis 281 Leiharbeitnehmer ständig beschäftigt, wobei die Anzahl variiert. Zuletzt wurden im August 2024 nur 139 Leiharbeitnehmer beschäftigt, wobei diese Zahl zum Jahresende üblicherweise stark ansteigt wegen eines erhöhten Beschäftigungsbedarfs. So hat die Verfügungsbeklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat im Laufe des Jahres 2024 insgesamt zur Einstellung weiterer 118 Leiharbeiternehmer angehört und die vorläufige Durchführung angekündigt. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung verweigert, woraufhin diverse Zustimmungsersetzungsverfahren – noch – vor dem Arbeitsgericht Köln geführt werden (Az. 6 BV 219/24, 6 BV 220/24, 6 BV 221/24, 6 BV 222/24 und 14 BV223/24).
Die Verfügungsbeklagte hat drei hier gegenständliche Aufgaben:
Sie führt das Unternehmensregister als registerführende Stelle nach §§ 8b, 9a HGB. In dieser Eigenschaft – und nur dies ist hinsichtlich des Unternehmensregisters streitgegenständlich – prüft sie Jahresabschlüsse nach §§ 325, 329 HGB.
Sie führt ferner das Transparenzregister der Bundesrepublik Deutschland (§ 25 GWG).
Sie ist Vergabestelle für den Legal Entity Identifier Register (sog. LEI-Reg), eine weltweit vergebene Unternehmensidentifikationsnummer für Unternehmen im globalen Finanzmarkt.
Organisatorisch bestehen bei der Verfügungsbeklagten daneben noch die Bereiche Kundenberatung/Servicemanagement, QS-Datenerhebung/Sourcing-Recherche, IT und Geschäftsleitung, HR, Verwaltung.
Die Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 22.11.2023 (Anlage 9 zur Verfügungsklageschrift) zur Aufnahme von Tarifverhandlungen aufgefordert. Gegenstand der Verhandlungen sollte dabei der Abschluss eines Haustarifvertrags auf Grundlage des MTV für Angestellte der Druckindustrie NRW, sowie der Abschluss eines Gehaltstarifvertrages aufbauend auf dem GTV für die Angestellten der Druck- und Medienindustrie NRW sein.
Nachdem die Verfügungsbeklagte die Aufnahme von Tarifverhandlungen mit Schreiben vom 22.12.2023 ablehnte, beschloss der Bundesvorstand der Verfügungsklägerin, Arbeitskampfmaßnahmen einzuleiten.
Im zeitlichen Nachgang kam es bisher an über 100 Tagen zu Arbeitskampfmaßnahmen bei der Verfügungsbeklagte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Darstellung auf S. 16 bis 18 der Antragsschrift Bezug genommen. Die Arbeitskampfmaßnahmen erstreckten sich auf einzelne bis mehrere Tage, zuletzt auf zehn einzelne Tage im November 2024 und bislang drei einzelne Tage im Dezember 2024 sowie den nunmehr streitgegenständlichen Zeitraum vom 09.12. bis 13.12.2024. Die Verfügungsbeklagte hat sich bislang gegen die Streikmaßnahmen weder gerichtlich gewehrt noch sog. „tradierte“ arbeitgeberseitige Maßnahmen wie Aussperrung oder der Betriebsschließung genutzt.
Die Tarifauseinandersetzung dauert weiterhin an; die Verfügungsklägerin ruft weiterhin zu Arbeitskämpfen bei der Verfügungsbeklagten auf, wie sich insbesondere dem Streikaufruf der Verfügungsbeklagten vom 09.12.2024 für den Zeitraum 09.12.,11:30 Uhr bis einschließlich 13.12.2024, 23:59 Uhr (Anlage 11 zur Verfügungsklageschrift) entnehmen lässt. Während der bereits geführten Arbeitskampfmaßnahmen und auch bis zur mündlichen Verhandlung am 13.12.2024 setzte die Verfügungsbeklagte bei ihr beschäftigte Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer ein, d.h. auch während des stattfindenden Arbeitskampfes der Verfügungsklägerin seit dem 09.12.2024.
Auch im zeitlichen Nachgang beabsichtigt die Verfügungsklägerin, im Zuge der Tarifauseinandersetzung zu Arbeitskampfmaßnahmen aufzurufen. Weitere Streiks sind etwa für die kommende 51. Kalenderwoche (17.12. bis 20.12.2024) sowie für Januar 2025 (noch undatiert) geplant, wobei die Verfügungsklägerin keinen Streikaufruf für diese weiteren Streikmaßnahmen vorgelegt hat. Im Kammertermin am 13.12.2024 hat die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom gleichen Tag die in der Anlage enthaltene und nicht unterzeichnete „Beschlussvorlage“ vom 18.11.2024 vorgelegt, in der es auszugsweise heißt: „Der Bundesvorstand beschließt die Durchführung von weiteren Streiks in allen Bereichen der B. Die Arbeitsniederlegungen (über 4 Stunden — 15 Streiktage) erfolgen in der Zeit vom 19. November 2024 bis 16. Dezember 2024.“ Die im Termin präsente Vertreterin der Verfügungsklägerin Frau P, ihrerseits Landesfachbereichsleiterin, hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass „wir“ (gemeint ist die Verfügungsklägerin) für Montag, den 16.12.2024 von 00:01 Uhr bis 23:59 Uhr zum Streik gegen die Verfügungsbeklagte aufrufen.
Im Kammertermin am 13.12.2024 hat die Verfügungsbeklagte vor Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt, dass man alle Leiharbeitnehmer gerade für den Rest des Tages nach Hause geschickt habe. Es werden daher keine Leiharbeitnehmer mehr bei der Verfügungsbeklagten arbeiten, für den Rest dieses Tages.
Im Kammertermin am 13.12.2024 hat die Verfügungsbeklagte zu Protokoll das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Prozessvollmacht des Klägervertreters gerügt. Der Klägervertreter hat sodann noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung durch Einreichung eines Schriftsatzes über das besondere Anwaltspostfach um 11:57 Uhr eine Vollmacht vorgelegt, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 258 d.A.).
Die Verfügungsklägerin behauptet, der Betrieb der Verfügungsbeklagten lasse aufgrund seiner Organisation und des Verfahrens der Aufgabenzuweisung keine strikte Trennung der Aufgaben von Leiharbeitnehmern und Stammbelegschaft zu. Dies ergebe sich aus folgenden Umständen:
Der Veröffentlichungsbereich und die Bereiche Transparenzregister und LeiReg würden als sog. „Produktionsbereiche“ verstanden.
Im Hinblick auf die Arbeitsorganisation und die Arbeitsabläufe sei es bei der Verfügungsbeklagten so, dass die Aufgaben den in den Produktionsbereichen Beschäftigten nicht danach differenziert zugewiesen werden, ob es sich um Stammbelegschaft oder Leiharbeitnehmer handelt. Die Arbeit werde bei der Verfügungsbeklagten nach dem Prinzip „first in, first out“ erledigt, d.h. der jeweils älteste Antrag (nach Eingangsdatum) wird zuerst bearbeitet. Weil die Verfügungsbeklagte keinen Einfluss auf die tägliche und wöchentliche Auftragsmenge und Datenqualität bei den eingegangenen Anträgen habe, unterliege die Aufgaben- und Tätigkeitszuweisung einer stetigen, flexiblen Anpassung im Arbeitsalltag.
Dem Veröffentlichungsbereich sei innerorganisatorisch hauptsächlich die Publizierung von Jahresabschlüssen, Konzernjahresabschlüssen und Hinterlegungen im Unternehmensregister zugewiesen. Die Kunden reichten bei der Verfügungsbeklagten ihre Jahresabschlüsse über die sog. Publikationsplattform (https://publikationsplattform.de) in elektronischer Form ein. Diese würden dann sortiert nach Dateiformaten (XML, PDF und Office; es gibt auch noch die Einreichung in Papierform mit einem gesonderten Arbeitsvorgang) und nach Unternehmensgrößen sortiert. Das sog. „Team Eingang“ prüfe, ob die eingereichten Jahresabschlüsse vollständig sind und laufende Fristen eingehalten wurden. Bei nicht fristgerechter Einreichung erfolge z.B. eine Meldung an das Bundesamt für Justiz; von dort werde dann ggfs. das Ordnungsgeldverfahren eingeleitet.
Falls der Jahresabschluss komplett und fristgerecht vorliege, erfolge die Freigabe und damit Weiterleitung in den Bereich Qualitätssicherung (der ebenfalls zum Veröffentlichungsbereich gehört), wo – dem 4-Augen-Prinzip folgend – nochmals geprüft werde. In der Qualitätssicherung erfolge sodann die Veröffentlichung des Jahresabschlusses.
Fehle hingegen ein Bestandteil, z.B. der Anhang, werde vom Team Eingang bzw. dessen Mitarbeitern das Prüfkriterium „Bestandteil fehlt“ im System angehakt, anschließend in den Status „In Bearbeitung“ gestellt. Der einreichende Kunde werde dann von der Sachbearbeitung angeschrieben mit der Bitte um Nachreichung des Anhangs in diesem Fall. Insgesamt gebe es 23 verschiedene Prüfkriterien.
Die Prüfung der Jahresabschlüsse bei der Verfügungsbeklagten erfolge durch insgesamt vier Teams:
1. Eingang
2. Sachbearbeitung (nach verschiedenen „Prüfkriterien“)
3. Qualitätssicherung/Endkontrolle
4. Unternehmensregister
In allen vier Teams würden sowohl Leiharbeitnehmer als auch Stammkräfte eingesetzt.
Um bei der Verfügungsbeklagten im Bereich Eingang und Qualitätssicherung/Endkontrolle eingesetzt zu werden, sei eine Grundlagenschulung zu absolvieren, die in der Regel fünf Tage dauert und von allen Beschäftigten – d.h. auch Leiharbeitnehmern – zu absolvieren ist. Viele Leiarbeitnehmer absolvierten jedoch auch – wie die Angehörigen der Stammbelegschaft – fortgeschrittene Schulungen (in der Regel 3-tägig) und seien dann auch in demjenigen Team einsetzbar, für welches sie zusätzlich geschult worden sind.
Eine originäre und endgültige Zuweisung von Arbeitsabläufen oder Arbeitsaufträgen an bestimmte Arbeitnehmer finde durch die Einsatzplanung der Verfügungsbeklagten nicht statt. Welche Beschäftigte in welchen Bereichen eingeteilt werden, werde zunächst grob durch das Team „PKS“ (= Produktions- und Kapazitätssteuerung) eingeteilt. Diese Einteilung erfolge im sogenannten „KST“ (= Kapazitätssteuerungstool), in einem Einsatzplan. Leiharbeitnehmer würden im „KST“ mit dem Zusatz „extern“, Stammmitarbeiter mit dem Zusatz „intern“ geführt. Die Einsatzplanung im sogenannten „KST“ bedeute lediglich einen groben Einsatzplan, der nicht endgültig ist und vorbehaltlich späterer Änderungen der Arbeitseinteilung etwa durch Teamleitungen gilt. Hintergrund sei, dass die Arbeit im Betrieb der Verfügungsbeklagten grundsätzlich zeitkritisch sei und unter Fristendruck stattfinde. Deshalb werde stets der älteste Auftrag zuerst bearbeitet. Diese Vorgabe werde durch die Vorgesetzten immer wieder erneuert, etwa in Mails zur Einsatzplanung. Teilweise werde sodann dazu aufgefordert, anderen Kollegen zu helfen, sobald man selbst bereits fertig sei. Weitere Abweichungen vom Dienstplan laut KST könnten sich durch Arbeitsanweisung von Vorgesetzten ergeben. Beispielsweise sei angewiesen worden, „die Wirbelanträge“ zuerst zu bearbeiten (siehe Mail in Anlage 4). „Wirbelanträge“ sind bereits durch einen Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten bearbeitete, aber noch offene Anträge.
Die Bearbeitung von Aufträgen finde in einem EDV-Programm mit der Bezeichnung „AVP“ statt (= „Auftragsverarbeitungsprogramm“ oder „Auftrags-Verwaltungs-Produktionssystem“), über dieses würden die Arbeitsaufträge zugewiesen. Das „AVP“ besitzt eine Schnittstelle zum „KST“. Grundsätzlich würden die Beschäftigten das „AVP“ im sogenannten „Zuweisungsmodus“ nutzen. Hiervon gebe es jedoch nicht wenige Ausnahmen (in bestimmten Bereichen und für bestimmte Beschäftigtengruppen, oder in bestimmten Situationen (Fristen)). Auf der Benutzeroberfläche der Startseite des Programms werde dabei ein Button betätigt („neuer Auftrag“), woraufhin sich automatisch der als nächster zu bearbeitende Vorgang öffne. Dabei handele es sich in der Regel um den ältesten Auftrag (nach Eingangsdatum), wobei es auch noch andere Prioritätsgründe gibt (etwa Meldungen des Bundesamtes für Justiz aufgrund säumiger Offenlegung).
Das Zuweisungs- bzw. Bearbeitungsprogramm „AVP“ unterscheide aus Sicht der Anwender nicht zwischen Leiharbeitnehmern und Stammkräften, sondern differenziere dahingehend, für welche Bereiche die jeweiligen Beschäftigten laut Personalplanungstool „KST“ grundsätzlich eingeteilt sind und welche Berechtigungen diese besitzen.
Anhand der Historie bzw. Metadaten-Historie lasse sich zudem nachvollziehen, welcher Beschäftigte wann und in welchem Auftrag Änderungen vorgenommen habe. Auch die Arbeitsschritte Sachbearbeitung oder Qualitätssicherung/Endkontrolle erfolgten jeweils durch einen Beschäftigten, der dem jeweiligen Aufgabengebiet über das KST zugewiesen worden sei. Es finde dabei keine Steuerung dahingehend statt, dass nur Leih- bzw. nur Stammkräfte nur einen bestimmten abgrenzbaren Bereich bearbeiten. Vielmehr werde nach dem Prinzip „first in, first out“ gearbeitet.
Leiharbeitnehmer könnten allerdings nicht alle Aufträge bearbeiten. Es gibt Bereiche (z.B. Team „Unternehmensregister“), in denen sich die Leiharbeitnehmer hauptsächlich über den sogenannten Zuweisungsmodus ihre Arbeitsaufträge „holen“ würden. Dann würden sie nur Aufträge erhalten, die zuvor durch die Software (anhand ihrer Einteilungen im „KST“) gefiltert worden seien. Stammarbeitskräfte hingegen arbeiteten auch mit der sogenannten Tabellenansicht, d.h. sie filterten selbst (= händisch) anhand des Prüfkriteriums, für welches das Team zuständig sei, welchem die Beschäftigten angehören. Da aber die Stammkräfte, die mit der Tabellenansicht arbeiten, alle Aufträge bearbeiten könnten, sei es reiner Zufall, ob ein Auftrag, welcher einem Leiharbeitnehmer über den Zuweisungsmodus zugewiesen werden könnte, auch wirklich von einem Leiharbeitnehmer, oder doch von einer Stammkraft bearbeitet werde.
In wieder anderen Arbeitsbereichen (hier: „Prüfkriterium Liquidationsbilanz“) bleibe der automatische Zuweisungsmodus außen vor und die Beschäftigten bearbeiteten Aufträge, welche sie selbst im „AVP“ filtern, wie sie es je nach dem zu bearbeitenden Aufgabengebiet benötigten. Dabei bearbeiteten Leiharbeitnehmer Aufgabengebiete, die allesamt auch durch die Stammkräfte bearbeitet würden. Stammkräfte bearbeiteten jedoch noch zusätzlich Aufträge, die nicht durch Leiharbeitnehmer bearbeitet werden.
Für viele Aufgabenbereiche gebe es im „KST“-Einsatzplan keine Trennung zwischen Leiharbeitnehmer und Stammkräften, dazu gehörten die Prüfkriterien „Geschäftsjahreszeitraum unklar“, „Unternehmensgröße fraglich“, sowie „Liquidationsbilanzen“.
Die Verfügungsklägerin bestreitet, dass die Verfügungsbeklagte aufgrund ihrer Arbeitsorganisation und der Arbeitsabläufe tatsächlich in der Lage wäre, den Einsatz der neuen und bereits im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer so vorzunehmen, dass ausgeschlossen ist, dass diese Leiharbeitnehmer nicht, auch nicht zum Teil, Tätigkeiten von sich im Arbeitskampf befindlichen Beschäftigten der Verfügungsbeklagten oder von solchen Beschäftigten übernehmen, die ihrerseits Tätigkeiten von Beschäftigten, die sich im Arbeitskampf befinden, übernehmen.
Soweit die Arbeitgeberin bereits versucht habe, den Betrieb dahingehend umzuorganisieren, dass sie in einigen Bereichen nur noch Leiharbeitnehmer einsetze, sei dies betriebsverfassungsrechtlich unwirksam geschehen und verstoße auch gegen § 11 Abs. 5 AÜG. Die Arbeitgeberin habe beispielsweise – ohne Zustimmung des Betriebsrats – unter dem 28.08.2024 22 Beschäftigte aus dem Bereich Transparenzregister in den Bereich Vereinseintragungsverfahren versetzen wollen. Alle 22 Beschäftigte hätten sich an den Streiks der Verfügungsklägerin beteiligt. Abgesehen vom maßregelnden Charakter der Maßnahme handele es sich bei der bisherigen Tätigkeit auch nach Versetzung weiter um solche, die ursprünglich von Stammarbeitnehmern ausgeführt worden seien.
Trotz solch möglicher Umorganisationen sei es der Verfügungsbeklagten nicht möglich, sicherzustellen, dass Leiharbeitnehmer nicht – und insb. nicht in der Kette – mit Tätigkeiten streikender Stammbeschäftigter beschäftigt würden.
Ursprünglich hat die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 10.12.2024 beantragt,
1. der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es zu unterlassen, aus Anlass von Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin in der zwischen der Verfügungsbeklagten und der Verfügungsklägerin aktuell geführten Tarifauseinandersetzung wegen Abschluss eines Haustarifvertrages und Abschluss eines Gehaltstarifvertrages Leiharbeitnehmer auf Arbeitsplätzen von sich im Arbeitskampfmaßnahmen befindlichen Arbeitnehmern einzusetzen oder Leiharbeitnehmern ganz oder teilweise bisherige Tätigkeiten von sich in Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin befindlichen Arbeitnehmern zu übertragen;
2. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1., der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen aus Anlass von Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin in der zwischen der Verfügungsbeklagten und der Verfügungsklägerin aktuell geführten Tarifauseinandersetzung wegen Abschluss eines Haustarifvertrages und Abschluss eines Gehaltstarifvertrages Leiharbeitnehmer einzusetzen, soweit nicht sichergestellt ist, dass diese ganz oder teilweise den Leiharbeitnehmern übertragenen Tätigkeiten bisher nicht von sich in Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin befindlichen Arbeitnehmern wahrgenommen wurden oder diese nicht ihrerseits Tätigkeiten von Arbeitnehmern, die sich im Arbeitskampf befinden, übernommen haben;
3. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. und/oder dem Antrag zu 2., der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, aus Anlass von Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin in der zwischen der Verfügungsbeklagten und der Verfügungsklägerin aktuell geführten Tarifauseinandersetzung wegen Abschluss eines Haustarifvertrages und Abschluss eines Gehaltstarifvertrages Leiharbeitnehmer in den Abteilungen Veröffentlichungsbereich, Transparenzregister und Legal Entity Identifier Register einzusetzen, soweit nicht sichergestellt ist, dass diese ganz oder teilweise den Leiharbeitnehmern übertragenen Tätigkeiten bisher nicht von sich in Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin befindlichen Arbeitnehmern wahrgenommen wurden oder diese nicht ihrerseits Tätigkeit von Arbeitnehmern, die sich im Arbeitskampf befinden, übernommen haben;
4. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. und/oder dem Antrag zu 2. und/oder dem Antrag zu 3., der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, aus Anlass von Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin in der zwischen der Verfügungsbeklagten und der Verfügungsklägerin aktuell geführten Tarifauseinandersetzung wegen Abschluss eines Haustarifvertrages und Abschluss eines Gehaltstarifvertrages Leiharbeitnehmer in den Abteilungen Veröffentlichungsbereich und Transparenzregister einzusetzen, soweit nicht sichergestellt ist, dass diese ganz oder teilweise den Leiharbeitnehmern übertragenen Tätigkeiten bisher nicht von sich in Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin befindlichen Arbeitnehmern wahrgenommen wurden oder diese nicht ihrerseits Tätigkeit von Arbeitnehmern, die sich im Arbeitskampf befinden, übernommen haben;
5. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. und/oder dem Antrag zu 2 und/oder dem Antrag zu 3. und/oder dem Antrag zu 4., der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, aus Anlass von Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin in der zwischen der Verfügungsbeklagten und der Verfügungsklägerin aktuell geführten Tarifauseinandersetzung wegen Abschluss eines Haustarifvertrages und Abschluss eines Gehaltstarifvertrages Leiharbeitnehmer in der Abteilung Veröffentlichungsbereich, einzusetzen, soweit nicht sichergestellt ist, dass diese ganz oder teilweise den Leiharbeitnehmern übertragenen Tätigkeiten bisher nicht von sich in Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin befindlichen Arbeitnehmern wahrgenommen wurden oder diese nicht ihrerseits Tätigkeit von Arbeitnehmern, die sich im Arbeitskampf befinden, übernommen haben;
6. der Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der vorstehenden Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von € 250.000,00 (in Worten: Euro zweihundertfünfzigtausend), ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, anzudrohen.
Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung am 13.12.2024 Hinweis zur Zulässigkeit der Anträge und auch zur Begründetheit der Anträge erteilt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 13.12.2024 Bezug genommen.
Daraufhin hat die Verfügungsklägerin ihre Anträge teilweise geändert und im Übrigen zurückgenommen.
Die Verfügungsklägerin beantragt noch,
1. es der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, während des Arbeitskampfes der Verfügungsklägerin vom 09.12.2024 bis 13.12.2024, 23.59 Uhr Leiharbeitnehmer auf Arbeitsplätzen von sich in Arbeitskampfmaßnahmen befindlichen Arbeitnehmern einzusetzen oder Leiharbeitnehmern ganz oder teilweise bisherige Tätigkeiten von sich in Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsklägerin befindlichen Arbeitnehmern zu übertragen und
2. der Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der vorstehenden Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von € 250.000,00 (in Worten: Euro zweihundertfünfzigtausend), ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, anzudrohen.
Die Verfügungsbeklagte hat der Antragsänderung ausdrücklich nicht zugestimmt.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die Verfügungsklage abzuweisen.
Sie vertrat die Ansicht, § 11 Abs. 5 Satz 1 AÜG begründe schon keinen Unterlassungsanspruch zugunsten der Gewerkschaften. Darüber hinaus sehe die Vorschrift kein allgemeines Verbot vor, Leiharbeitnehmer in bestreikten Betrieben einzusetzen. Ein solches Verbot sei § 11 Abs. 5 AÜG nicht zu entnehmen und entspreche weder dem dokumentierten Willen des Gesetzgebers noch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die einzige im Gesetz vorgesehene Rechtsfolge eines – hier nicht gegebenen – Verstoßes sei ein Bußgeld. Sie behauptet weiter, Leiharbeitnehmer stets – wie in allen vergangenen Jahren, in denen es keine Arbeitskämpfe gab – ausschließlich zur Deckung des saisonal erhöhten Arbeitsbedarfs eingesetzt zu haben und keineswegs als sog. „Streikbrecher“.
Darüber hinaus habe die Verfügungsbeklagte stets sichergestellt und könne dies auch für die aktuelle und alle künftigen Streikmaßnahmen, dass Leiharbeitnehmer nicht als sog. „Streikbrecher“ tätig würden.
Hierzu behauptet die Verfügungsbeklagte, die Tätigkeiten in den Aufgabenbereichen der Verfügungsbeklagten würden sich grundlegend unterscheiden. Mitarbeiter – seien es festangestellte Beschäftigte oder Leiharbeitnehmer – seien stets innerhalb der drei Aufgabenbereiche (Unternehmensregister, Transparenzregister und LEI-Reg) dort für bestimmte Tätigkeiten geschult und würden ausschließlich dort eingesetzt. Eine allgemeine Produktion in einem zusammengefassten „Veröffentlichungsbereich“, wie von der Verfügungsklägerin behauptet, gebe es nicht. In den drei Aufgabenbereichen, die organisatorisch und personell strikt voneinander getrennt seien, seien Einsatzgebiete konkret festgelegt. In den jeweiligen Einsatzgebieten würden bestimmte Aufgabenschritte bearbeitet. Beschäftigte seien für einzelne Einsatzgebiete eingeteilt, in denen sie spezifische Tätigkeiten zugeteilt bekommen würden (Beispiel: der Leiharbeitnehmer Herr V sei ausschließlich für die Tätigkeit „Endkontrolle – XML – micro“ eingeteilt; dies sei eine Tätigkeit innerhalb des Evidenzwesens / Jahresabschlüsse). Es gebe eine stete Einsatzplanung, in der Mitarbeiter einem bestimmten Einsatzgebiet zugeteilt sind. Vorlegt hat die Beklagte eine solche Einsatzplanung nicht. Mit den Parteien ist dies im Kammertermin am 13.12.2024 erörtert worden.
Zum 26.11.2024 seien beispielsweise weitere Leiharbeitnehmer eingestellt worden. Der Tag sei streikfrei gewesen. Die Arbeitnehmer hätten an diesem Tag Tätigkeiten zugewiesen bekommen, die sie seitdem fortgesetzt ausführen würden. Ein Wechsel auf Arbeitsaufgaben von streikenden Beschäftigten erfolge nicht. Im Gegenteil seien feste Einsatzgebiete festgelegt worden, wobei hierzu nicht weiter im Einzelnen vorgetragen wurde. Die Verfügungsbeklagte habe zudem Maßnahmen getroffen, um sicherzustellen, dass Arbeiten von streikenden Arbeitnehmern nicht übernommen würden: Mit (Wieder-)Aufnahme der Tätigkeit von Leiharbeitnehmern am 04.09.2024 habe die Verfügungsbeklagte Folgendes festgelegt: Die Leiharbeitnehmer seien in feste Einsatzgebiete eingeteilt worden und hätten die Anweisung erhalten, dass diese Zuordnungen ausschließlich an streikfreien Tagen geändert werden dürften. Zur täglichen Dokumentation und Nachweisführung werde eine Datei erstellt, in der folgende Informationen festgehalten werden: Einsatzplan, Arbeitsbereich, Arbeitsbereichgruppe, Einsatzgebiet, Vorname, Nachname, Anwendergruppe und Anwesenheitsstatus der Leiharbeitnehmer. Am 04.09.2024 seien die Leiharbeitnehmer in einer persönlichen Ansprache von Herr H und Frau P angewiesen worden, keine Arbeitsanweisungen von anderen Personen als den Mitarbeiter:innen der PKS anzunehmen. Die Leiharbeitnehmer hätten dies durch Unterschrift bestätigt (Vorlage nach entsprechender Aufforderung). Dies diene dazu, klare Verantwortlichkeiten zu definieren und unzulässige Weisungen durch Dritte zu verhindern. Die Berechtigung, Leiharbeitnehmer im Einsatzplan zu verändern, werde ausschließlich den Mitarbeiter:innen der PKS vorbehalten. Alle anderen Personen hätten keine Zugriffsrechte, um unautorisierte Änderungen zu verhindern. Zudem würden in regelmäßigen Abständen interne Audits und Stichprobenkontrollen durchgeführt, um sicherzustellen, dass die festgelegten Prozesse eingehalten werden und keine unzulässigen Änderungen an Einsatzplänen vorgenommen werden. Ferner sei zwischen der Verfügungsbeklagten und der Verleiherin Unique Staffing Projects GmbH ein Konzept für zusätzliche Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich § 11 Abs. 5 AÜG vereinbart worden. Darüber hinaus setze die Verfügungsbeklagte höchst vorsorglich je einen der seit dem 26.11.2024 an streikfreien Tagen tätigen Leiharbeitnehmer pro im gleichen Einsatzgebiet wie die streikenden Stammarbeitnehmer nicht ein. Damit werde zusätzlich abgesichert, dass solche Leiharbeitnehmer nicht als direkter oder indirekter Ersatz für einen Streikenden tätig werden könnten. Bildlich gesprochen verlasse also je Streikendem im jeweiligen Einsatzplan ein am 26.11.2024 eingestellter Leiharbeitnehmer den Betrieb. Somit erfolge nicht nur keine Ersetzung von Stammarbeitnehmern, sondern – über die gesetzlichen Anforderungen des § 11 Abs. 5 AÜG hinaus – der Verzicht auf ansonsten ohnehin eingesetzte Leiharbeitnehmer.
Die Verfügungsbeklagte führt weiter an, die Verfügungsklägerin habe in ihrer Antragsschrift keinen konkreten Streikbruch nach § 11 Abs. 5 AÜG dargelegt. Hinsichtlich aller genannter Leiharbeitnehmer beschränke sich der Vortrag der Verfügungsklägerin darauf, dass ein Leiharbeitnehmer an einem Streiktag nach dem Einsatzplan „Aufträge bearbeitet“ habe. Das Bearbeiten von Aufträgen durch Leiharbeitnehmer sei jedoch nach § 11 Abs. 5 AÜG nicht untersagt. Vielmehr könne den vorgelegten Einsatzplänen entnommen werden, dass die ohnehin eingeplanten Leiharbeitnehmer („extern“) entsprechend ihrer festen Zuteilung ihre Aufgaben im entsprechenden Einsatzgebiet wahrnehmen. Die Leiharbeitnehmer setzten also ihre ohnehin zugeteilten Aufgaben auch an Streiktagen weiter fort und ersetzen keine streikenden Stammarbeitnehmer.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Aus den Gründen
A. Die Verfügungsklage ist mit dem zuletzt gestellten Hauptantrag zu 1. unzulässig. Die Androhung eines Ordnungsgeldes (Antrag zu 2.) musste deshalb unterbleiben.
I. Die Verfügungsklägerin hat das Verfahren zunächst ordnungsgemäß eingeleitet. Der Verfügungsklägervertreter hat insbesondere bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine ordnungsgemäße, schriftliche Vollmacht der Verfügungsklägerin nachgewiesen, die als Anlage zum Schriftsatz vom 13.12.2024 (Bl. 258 d.A.) eingegangen ist. Die Kammer hatte keinerlei Zweifel an der Identität der Unterzeichnenden und der Echtheit der Unterschriften. Wo sich die schriftlich existente Vollmacht zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung körperlich befand, war für das Verfahren irrelevant.
II. Soweit die Verfügungsbeklagte den Hauptantrag zu 1. – nach entsprechendem Hinweis der Kammer – zeitlich eingeschränkt hat für den Zeitraum vom 09.12.2024 bis 13.12.2024, fehlt es der Verfügungsklägerin an einem für die Klage erforderlichen Rechtschutzbedürfnis, soweit eine Unterlassungsverfügung für die Vergangenheit, d.h. ausdrücklich auch für die Zeit vom 09.12.2024 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemacht wird. Eine solche Unterlassung in der Vergangenheit ist unzweifelhaft unmöglich. Es besteht deshalb soweit kein Rechtsschutzbedürfnis für den Leistungsantrag.
III. Der Antrag zu 1. genügt in der zuletzt gestellten Fassung nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Soweit der Antrag entgegen des Hinweises der Kammer auch in der zuletzt gestellten Fassung mit der Formulierung ab „Leiharbeitnehmer…“ nahezu den Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 5 Satz 2 AÜG widergibt, ist der Antrag unbestimmt. Die Angabe des Gesetzeswortlauts in Klageanträgen ist nämlich nur dann ausreichend, wenn der Gesetzeswortlaut – wie bei § 11 Abs. 5 Satz 1 AÜG – selbst ausreichend bestimmt ist, um im Falle einer entsprechenden Tenorierung für beide Parteien klar erkennbar zu machen, welches konkrete Verhalten von der Beklagtenpartei erwartet werden kann. Es darf nicht sein, dass die Tenorierung zu einer Verlagerung des eigentlichen Streits in die Zwangsvollstreckung führt. So wäre es aber bei einer antragsgemäßen Tenorierung vorliegend. Ob die Verfügungsbeklagte tatsächlich Leiharbeitnehmer mit Tätigkeiten der Stammarbeitnehmer beschäftigt, ist der Kernstreit des vorliegenden Rechtsstreits. Dass dies unzulässig wäre, steht für beide Parteien außer Streit. Mithin würde eine entsprechende Tenorierung den Streit der Parteien nicht entscheiden, sondern schlicht ins Zwangsvollstreckungsverfahren verlagern.
Auf diese prozessuale Unzulässigkeit ist die Verfügungsklägerin auch hingewiesen worden. Auf den Inhalt des Protokolls vom 13.12.2024 wird Bezug genommen. Die Antragsänderung ist diesbezüglich gleichwohl unterblieben. Eines nochmaligen Hinweises der Kammer bedurfte es dann nicht mehr.
IV. Die Kammer hätte angesichts der Unzulässigkeit des letzten Teils des Antrags zu 1. der Verfügungsklägerin auch keinen Unterlassungstitel für die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern im ganzen Betrieb (für die Zeit bis zum Tagesende) zusprechen können. Denn unzweifelhaft stellt die Untersagung der Beschäftigung aller Leiharbeitnehmer ein prozessuales „Mehr“ gegenüber der Untersagung der Beschäftigung nur solcher Leiharbeitnehmer dar, die auf Arbeitsplätzen von sich im Arbeitskampfmaßnahmen befindlichen Arbeitnehmern eingesetzt werden etc. Insoweit ist die Kammer an die Anträge gebunden. Letztlich führt dies zur Unzulässigkeit des gesamten Antrags, weil das Antragsziel mangels Bestimmtheit nicht erreichbar ist und eine Auslegung und Umdeutung nicht in Betracht kommt.
B. Die Verfügungsklage wäre ansonsten in der Sache für die Zeit ab Schluss der mündlichen Verhandlung bis zum Ende des Tages begründet gewesen, wobei der Unterlassungsanspruch tatsächlich durch Freistellung der Leiharbeitnehmer im Laufe der mündlichen Verhandlung erfüllt wurde und damit erloschen ist. Da die Parteien hierüber im Wesentlichen sachlich und ausführlich gestritten haben, soll hierauf eingegangen werden:
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch im Arbeitskampf grundsätzlich möglich (allg. Ansicht, siehe nur LAG Nürnberg vom 20.07.2023, 3 SaGa 6/23; LAG Baden-Württemberg vom 18.07.2023, 4 SaGa 3/23; Hessisches LAG vom 03.09.2021, 16 SaGa 1046/21, jew. zit. nach juris). Ein Antrag auf Unterlassung einer Streikmaßnahme erfordert im einstweiligen Verfügungsverfahren einen Verfügungsgrund und einen Verfügungsanspruch, §§ 940 ZPO, 62 Abs. 2 ArbGG.
I. Vorliegend hätte ein eingeschränkter Verfügungsanspruch bestanden.
Die Verfügungsklägerin kann nach Ansicht der Kammer grundsätzlich einen Verfügungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG und § 11 Abs. 5 AÜG auf Unterlassung der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern während konkret laufender oder konkret beabsichtigter Arbeitskämpfe haben.
1. Ob den an einem Arbeitskampf beteiligen Gewerkschaften ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 und 2 BGB analog i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG und § 11 Abs. 5 AÜG gegen den entleihenden Arbeitgeber als avisierten Tarifpartner zusteht, ist durchaus umstritten, wird aber von der überwiegenden Auffassung der Literatur und auch von der Kammer bejaht (siehe nur ausführlich hierzu Klein/Leist, in: Ulber/Ulber, AÜG, 6. Aufl. 2023, § 11 Rdn. 165f. mwN; Wißmann/Krämer, in: Henssler/Grau, Arbeitnehmerüberlassung, Solo-Selbstständige und Werkverträge 3. Aufl. 2022, § 5 Rdn. 319). Rechtsprechung gibt es hierzu, soweit ersichtlich, noch nicht.
a) Gegen einen solchen Anspruch wird angeführt und von der Verfügungsbeklagten vertreten, dass Gewerkschaften aus § 11 Abs. 5 AÜG keine eigenen Rechte, insb. keine – im einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzbaren – Unterlassungsansprüche herleiten könnten. Die Vorschrift sei zugunsten der Leiharbeitnehmer geschaffen worden, um diese vor einem angewiesenen Einsatz als sog. „Streikbrecher“ zu schützen.
b) Richtig ist, dass das o.g. Gesetz – auch – zum oben genannten Zweck geschaffen wurde (siehe dazu BT-Drucks. 18/9232, Seite 28).
Allerdings ist dies nicht die einzige Zwecksetzung der Norm. Ausweislich der Gesetzesbegründung dient sie auch und vor allem dem Schutz der Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmerseite. Missbräuchliche Einwirkungen auf Arbeitskämpfe sollen durch die Norm unterbunden werden (BT-Drucks. 18/9232, Seite 28). Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 19.06.2020, Az. 1 BvR 842/17 bestätigt. Die – verfassungsmäßig zulässige (siehe dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.06.2020, 1 BvR 842/17, juris) – Norm soll Arbeitgebern eine Möglichkeit nehmen, im Arbeitskampf die Kampfmittel der Arbeitnehmer – nämlich den Entzug der Arbeitskraft – mit externen Arbeitnehmern zu kompensieren. Damit gereift die Norm nicht nur regulierend in Arbeitskämpfe ein, sondern dient ausdrücklich dem Schutz der grundgesetzlich geschützten Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer, auf die sich auch die Gewerkschaften berufen kann. Die Koalitionsfreiheit ist dabei ein schützenswertes Rechtsgut i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, so dass hierauf i.V.m. § 1004 BGB analog ein Unterlassungsanspruch gestützt werden kann.
Aufgrund der o.g. Zweckrichtung der Norm stellt diese zudem ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar, so dass die Gewerkschaften bei einer Verletzung des § 11 Abs. 5 AÜG ebenfalls einen entsprechenden Unterlassungsanspruch geltend machen können.
Die Gesetzesbegründung sieht zudem – entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten – in § 11 Abs. 5 Satz 1 AÜG ein grundsätzliches Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern während Streikmaßnahmen (BT-Drucks. 18/9232, Seite 27) vor. Dabei wird nicht zwischen bereits beschäftigten und extra für den Arbeitskampf eingestellten Leiharbeitnehmern differenziert, und auch nicht danach, ob Leiharbeitnehmer als Streikbrecher tatsächlich beschäftigt werden. Letzteres ist vielmehr erst im Rahmen der Ausnahmeregelung des Satzes 2 zu prüfen. Soweit die Gesetzesbegründung anführt, nicht von dem Verbot erfasst seien Sachverhalte, in denen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, die bereits vor Beginn des Arbeitskampfs im Betrieb des Entleihers tätig waren, während des Arbeitskampfs ihre bisherigen Tätigkeiten fortführen (BT-Drucks. 18/9232, Seite 28), bezieht sich dies auf Satz 2 des § 11 Abs. 5 AÜG. Die Gesetzesbegründung ist – ebenso wie die Begründung des Bundesverfassungsgerichts hierzu (Rdn. 30 des oben zitierten Beschlusses) zugegebenermaßen nicht eindeutig diesbezüglich. Der Gesetzeswortlaut ist es hingegen schon. § 11 Abs. 5 Satz 1 AÜG lässt eine solch einschränkende Auslegung anhand des klaren und eindeutigen Wortlauts nicht zu.
2. Ein Unterlassungsanspruch bestünde auch im vorliegenden Fall, allerdings inhaltlich nur bezogen auf den aktuellen Warnstreik, der bis zum heutigen Tage (13.12.2024) andauert und nur – s.o. – für den Rest des heutigen Tages. Für weitere Arbeitskampfmaßnahmen darüber hinaus, d.h. bspw. ab nächster Woche, bestünde kein Unterlassungsanspruch.
a) Die Verfügungsbeklagte verstößt gegen das Einsatzverbot des § 11 Abs. 5 S. 1 AÜG, da sie aktuell in ihrem von einem Arbeitskampf unmittelbar betroffenen Betrieb Leiharbeitnehmer tätig werden lässt. Letzteres war zwischen den Parteien unstreitig.
(1) Der Betrieb der Verfügungsbeklagten war aktuell unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen und zwar insbesondere durch den aktuellen Streikaufruf (B. 69 f. d.A.) für die Zeit vom 09.12.2024 bis 13.12.2024.
(2) Dieser aktuelle Arbeitskampf wird von Seiten der Verfügungsklägerin auch rechtmäßig geführt, wobei dies Tatbestandsvoraussetzung für einen auf den Schutz der Koalitionsfreiheit gestützten Unterlassungsanspruch nach §§ 823 Abs. 1 und 2, 1004 BGB analog i.V.m. Art 9 Abs. 3 GG und §v 11 Abs. 5 AÜG ist (dafür auch ErfK - Roloff, § 11 AÜG; Rdn. 16; dagegen Klein/Leist, in Ulber/Ulber, AÜG, § 11 Rdn. 131). Hier ist entscheidend, dass sich die Verfügungsklägerin nur dann gegen streikbeeinträchtigende Maßnahmen der Verfügungsbeklagten wenden kann, wenn sie sich ihrerseits auf das geschützte Rechtsgut, die Koalitionsfreiheit, berufen darf. Das ist bei einem rechtswidrigen Streik nicht der Fall und auch dann nicht, wenn ein Streik noch gar nicht konkret ansteht, d.h. es keinen konkreten und rechtmäßigen Streikaufruf gibt. Soweit die Parteien über einen Streik vom 17.12.2024 bis 20.12.2024 gestritten haben, lag bereits kein Streikaufruf vor. Soweit in der mündlichen Verhandlung am 13.12.2024 erstmals ein Streikaufruf für den 16.12.2024 erfolgte, war schon fraglich, ob der Aufruf hierzu von einer dazu ausreichend bevollmächtigten Person und in der Form ordnungsgemäß erfolgte. Der vorgelegte Beschluss des Vorstands der Verfügungsklägerin hätte der Kammer zudem nicht ausgereicht, um von einer konkret beabsichtigten und wirksamen Streikmaßnahme am 16.12.2024 auszugehen.
(3) Die Verfügungsbeklagte setzt in diesem Arbeitskampf Leiharbeitnehmer ein und lässt diese daher tätig werden i.S.d. § 11 Abs. 5 S. 1 AÜG. Der Einsatz umfasst dabei sowohl den Einsatz von Leiharbeitnehmern, die bereits im Betrieb eingesetzt sind, als auch von solchen, die erst während des Arbeitskampfes neu eingestellt wurden und werden.
Damit verstößt die Verfügungsbeklagte gegen das grundsätzliche Einsatzverbot aus § 11 Abs. 5 S. 1 AÜG.
b) Die Verfügungsbeklagte kann sich vorliegend nicht darauf berufen, ihr sei der Einsatz der Leiharbeitnehmer gem. § 11 Abs. 5 S. 2 AÜG ausnahmsweise gestattet. Denn die Verfügungsbeklagte kann ausweislich ihres Sachvortrages nicht sicherstellen, dass entweder unmittelbar (§ 11 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 AÜG) oder mittelbar (§ 11 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 AÜG) durch die Leiharbeitnehmer keine Tätigkeiten übernommen werden, die bisher von Stammbeschäftigten erbracht wurden, die sich (nunmehr) im Arbeitskampf befinden.
In der gesetzgeberischen Konzeption des § 11 Abs. 5 AÜG handelt es sich im Verhältnis von § 11 Abs. 5 S.1 AÜG zu § 11 Abs. 5 S.2 AÜG um ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Beruft sich daher der Entleiher, dessen Betrieb unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist, darauf, dass der Einsatz der Leiharbeitnehmer aufgrund der Regelungen in § 11 Abs. 5 S. 2 AÜG gerechtfertigt sei, beruft er sich auf einen Ausnahmetatbestand gegenüber dem Regeltatbestand des § 11 Abs. 5 S.1 AÜG. Der Arbeitgeber trägt daher in diesem Fall schon nach den allgemeinen Regelungen sowohl die Darlegungs- als auch die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes, auf den er sich beruft, tatsächlich gegeben sind.
Ob man in diesem Rahmen die volle – und wohl meist nur schwer mögliche – Darlegung verlangt, dass und wie tatsächlich eine Beschäftigung jedes einzelnen Leiharbeitnehmers als sog. „Streikbrecher“ konkret vermieden wird (so Klein/Leist, in Ulber/Ulber, AÜG, § 11 Rn 135 f. mwN), oder ob man die Darlegung einer Betriebsorganisation ausreichen lässt, die die sichere Prognose für einen solchen Umstand zulässt (so Thüsing, DB 2016, 2663), kann vorliegend dahinstehen.
Denn die Verfügungsbeklagte hat keine Betriebsorganisation vorgetragen, die eine entsprechende sichere Prognose zulassen würde. Die von ihr behauptete feste Einsatzplanung, die einen Einsatz der Leiharbeitnehmer auch für Tätigkeiten der Stammarbeitnehmer ausschließen würde, hat sie zwar pauschal behauptet, aber nicht vorgelegt und auch nicht dazu vorgetragen, wie dies in der Praxis in Anbetracht der Betriebsorganisation tatsächlich aussehen könnte. Auch zu der von ihr behaupteten Dokumentation des tatsächlichen, getrennten Einsatzes der Beschäftigten, die zur Darlegung der erforderlichen „Sicherstellung“ geeignet sein könnte, ist nicht vorgetragen worden und sie ist nicht vorgelegt worden.
Naturgemäß ist die Darstellung einer solch ausführlichen Prognose aufwendig und gerade im einstweiligen Verfügungsverfahren zeitlich besonders anspruchsvoll. Dies ändert an der Darlegungs- und Beweislastverteilung im Rahmen der gesetzlichen Konzeption des § 11 Abs. 5 Satz 1 und 2 AÜG als Regel-Ausnahme-Verhältnis aber nichts. Zudem behauptet die Verfügungsbeklagte selbst – und bereits mit Schutzschrift aus dem September 2024 – eine solch ausführliche und hinreichende Dokumentation vorbereitet und damit zur Verfügung zu haben.
3. Rechtsfolge wäre allerdings nicht gewesen, dass aufgrund des Verstoßes eine zeitlich für die Zukunft unbegrenzte Verpflichtung zur Unterlassung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern im gesamten Betrieb (ursprünglicher Antrag zu 1.) ausgesprochen werden könnte.
Eine einstweilige Verfügung darf nur dazu dienen, akute, d.h. zeitlich aktuelle Rechtsgutsverletzungen zu beheben. Eine für alle zukünftigen Arbeitskampfmaßnahmen gültige Regelung kann die Verfügungsklägerin schon deshalb nicht erwirken (siehe zum zeitlich unbegrenzt geltend gemachten Unterlassungsanspruch in der Hauptsache auch BAG vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08, sog. „Flashmob-Urteil“, zit. nach juris [BB 2010, 379 m. BB-Komm. Simon/Greßlin]), weil gänzlich unklar ist, ob ein Streik in Zukunft stattfindet, ob dieser rechtmäßig sein würde und ob die Arbeitgeberin überhaupt künftig gegen ihre Verpflichtung aus § 11 Abs. 5 Satz 1 AÜG verstoßen würde. Die zukünftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse steht nicht schon jetzt fest. Zudem ist das einstweilige Verfügungsverfahren seinem Charakter nach (1.) nur auf eine ganz ausnahmsweise Befriedigung der Hauptsache durch Leistungsverfügung und (2.) nur zur Vermeidung akuter und nicht anders zu beseitigender Rechtsgutsverletzung bei geringstmöglichem Eingriff in die Rechtsgüter der anderen Seite statthaft. All dies hätte eine starke Einschränkung der Unterlassungsverfügung in zeitlicher Hinsicht zur Folge gehabt.
II. Soweit ein Verfügungsanspruch bestanden hätte, hätte auch ein Verfügungsgrund bestanden.
Ein Verfügungsgrund ist dann gegeben, wenn die einstweilige Verfügung notwendig ist, um von dem Antragsteller wesentliche Nachteile abzuwenden (Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 2. Auflage, Rdn. 774; Bünnemann, ZFA 2020, 44). Damit ist das besondere Eilbedürfnis gemeint. Bei einer Regelungsverfügung nach § 940 ZPO ist Verfügungsgrund die Notwendigkeit der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis. Für den Erlass einer Leistungsverfügung kommt es darauf an, ob bei ihrer Verweigerung der Eintritt irreparabler Schäden oder eines irreparablen Zustands beim Gläubiger zu befürchten ist (Däubler/Bertzbach/Kloppenburg, Arbeitskampfrecht, 4. Auflage, § 24 Rdn. 47; Frieling/Jacobs/Krois-Horcher, Arbeitskampfrecht, 2021, § 11 Rdn. 42f.). Der Gläubiger muss darlegen und glaubhaft machen, dass er auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist (Hessisches Landesarbeitsgericht vom 03.09.2021, 16 SaGa 1046/21, juris).
An der Dringlichkeit bestanden hier auf Seiten der Verfügungsbeklagten und auch auf Seiten des Gerichts deshalb grundsätzlich Bedenken, weil der Einsatz von Leiharbeitnehmern bei der Verfügungsbeklagten – auch und gerade während Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsbeklagten – bereits seit über 12 Monaten erfolgt. Man könnte einwenden, die Verfügungsklägerin hätte hiergegen bereits in zumutbarer Weise Rechtsschutz in der Hauptsache herbeiführen und so ein Eilverfahren vermeiden können. Es handelt sich dabei um den Vorwurf der selbstverschuldeten Eilbedürftigkeit.
Auf Seiten der Verfügungsklägerin ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass die grundrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit in jedem Arbeitskampf neu durch den Einsatz von Leiharbeitskräften und damit einem Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen § 11 Abs. 5 AÜG angegriffen wird. Dieser Verstoß wird jedes Mal von neuem verwirklicht und beeinträchtigt eine Grundrechtsposition der Verfügungsbeklagten. Ohne Eilrechtsschutz könnten dieser Verstoß und die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit in der konkreten Streikmaßnahme nicht verhindert werden. Mit Beendigung des jeweiligen Streiks würde ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Eilantrag enden. Gleichzeitig ist unsicher, ob die Gewerkschaften in einer solchen Situation – auch bei länger andauerndem Tarifkonflikt und längerfristiger, wiederkehrender Grundrechtsbeeinträchtigung tatsächlich erfolgreich einen allgemeinen Unterlassungsanspruch in einem Hauptsacheverfahren durchsetzen könnten. Die Voraussetzungen für einen solchen Vorrats-Unterlassungstenor dürften angesichts der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (sog. „Flashmob-Entscheidung“, dazu s.o.) jedenfalls besonders hoch sein. Bei einer alternativ eingereichten Feststellungsklage dürfte nach Ansicht nicht weniger Stimmen der Rechtsprechung das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehlen. Es ist eben charakteristisch für Streiks, dass rechtswidrige und den Streik betreffende Einzelmaßnahmen im einstweiligen Verfügungsverfahren – und nur dort – bezogen auf den konkreten Streik angegriffen werden. So ist es hier geschehen.
Deshalb ist anzuerkennen, dass für jede zeitlich abgrenzbare und aktuelle Streikmaßnahme eine isoliert zu betrachtende Rechtsgutverletzung besteht und insofern eine besondere Eilbedürftigkeit, weil ohne einstweiligen Rechtsschutz die Koalitionsfreiheit in dieser Streikmaßnahme nicht voll verwirklicht werden kann und das Rechtsschutzbegehren durch Zeitablauf erledigt wird.
III. Allerdings wäre der Verfügungsanspruch am heutigen Tage durch Freistellung der Leiharbeitnehmer für den Rest des Tages tatsächlich erfüllt worden und erloschen. Die Freistellung hat der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten unbestritten vorgetragen und damit zugleich glaubhaft gemacht.
C. Die Kostentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts im Urteil beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO. Bei der Bemessung des Streitwerts hat sich die Kammer von Ziffer 14.7. des Streitwertkatalogs leiten lassen und hat für den ursprünglichen Streit bei ca. 200 betroffenen Leiharbeitnehmer für den ersten Leiharbeitnehmer den Hilfswert von 5.000,00 Euro, für den 2. – 20. Leiharbeitnehmer jeweils 25% des Hilfswertes (23.750,00 Euro), für den 21. – 50. Leiharbeitnehmer jeweils 12,5% (18.750,00 Euro) und für den 51. bis 200. Leiharbeitnehmer jeweils 10% des Hilfswertes (75.000,00 Euro) angesetzt und hat mithin auf einen Gesamtstreitwert von 122.500,00 Euro berechnet. Da die Anträge im Wesentlichen zurückgenommen worden sind, hat die Kammer den Streitwert ebenfalls reduziert auf ¼ des errechneten Wertes, der für den verbliebenen Antrag für angemessen, aber auch ausreichend gehalten wird.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung war gemäß § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG im Tenor aufzunehmen. Eine Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG erfolgte nicht, weil die Rechtssache aufgrund der besonderen Konstellation des Einzelfalls keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch kein Fall des § 64 Abs. 3 Ziffer 2 oder 3 ArbGG vorliegt.